Das Hochstift und die Stadt Minden
2. Kirchenordnung 13. Februar 1530 (Text S. 121)
Hatte in den 1520er Jahren zunächst nur der 36er-Ausschuss die reformatorische Bewegung vorangetrieben
und im Dezember 1529 Maßnahmen gegen die Klöster und Stifte der Stadt ergriffen (Nr. 1), so stellte sich
Anfang 1530 auch der Mindener Rat hinter die Reformation und betraute Nikolaus Krage mit der Ausar-
beitung einer Kirchenordnung. Krage stand mit dem Auftrag unter einem gewissen zeitlichen Druck, da er
die Ordnung fertigstellen wollte, solange der Mindener Bischofsstuhl vakant war.43 Das Vorhaben gelang,
denn als Bischof Franz II. am 10. Februar 1530 gewählt wurde, war die Ordnung bereits vollendet. Drei
Tage später verkündete Krage sie von der Kanzel der Marienkirche.
Die Mindener Kirchenordnung zählt zu den frühesten Texten dieser Art und gilt als älteste in Westfalen.
In der Vorrede berief sich Krage auf die von Johannes Bugenhagen verfasste Braunschweiger Kirchenord-
nung von 1528. Die Mindener Ordnung fällt zwar in ihrem Volumen umfangreich aus, verglichen mit der
Braunschweiger Vorlage ist sie jedoch deutlich schmaler. Nikolaus Krage reihte die Kapitel lose aneinander,
ohne sie durch Zwischentitel voneinander zu scheiden. Zunächst behandelte er das kirchliche Personal und
beschrieb dessen Aufgaben. Anschließend wandte er sich den schulischen Belangen zu. Darauf folgten die
kirchlichen Zeremonien und schließlich ging er auf Armenfürsorge, Ehesachen, Krankenbesuch, Feiertage
und Messfeiern ein.44
Mit diesem Themenspektrum griff Krage auf den Inhalt der Braunschweiger Ordnung zurück, er for-
mulierte die einzelnen Abschnitte aber eigenständig. Auch die Reihenfolge der Kapitel ordnete er anders als
in der Vorlage an.45 Ebenso wie die Braunschweiger ist auch die Mindener Kirchenordnung auf Nieder-
deutsch verfasst. Am Schluss wies Nikolaus Krage darauf hin, dass die Ordnung durch den Mindener Rat
und die Gemeinde „angenamen und eyndrechtigen beslaten“ worden sei, wie ein Schreiben des Rats, „wo
hyrna geprentet“, belege. Diese Magistratsbestätigung fehlt jedoch im Druck der Kirchenordnung. Obwohl
die Ordnung selbst also nicht dokumentiert, dass sie obrigkeitlich approbiert worden ist, bezeugt der vom
Rat 1530 in Lübeck in Auftrag gegebene Druck46 dessen Billigung.
Die altgläubige Geistlichkeit der Stadt übte Kritik an der Kirchenordnung, woraufhin Nikolaus Krage
ihre Vertreter auf den 21. März 1530 zu einer Disputation einlud, für die er 19 Artikel entworfen hatte, die
er an den Kirchtüren der Stadt anschlagen ließ. Mit diesem Akt lehnte er sich nicht nur formal an Luthers
Thesenanschlag an, sondern griff auch dessen Bekenntnis in der Schrift „Vom Abendmahl Christi“ von 1528
auf.47 Da sich jedoch keiner der Altgläubigen zur Diskussion bereitfand, kam das Religionsgespräch nicht
zustande. Krages Artikel wurden der Kirchenordnung aber am Schluss angehängt und in den Druck auf-
genommen.
43 Vgl. Stupperich, Entstehungsgeschichte, S. 39f.;
Nordsiek, Von Lüchow, S. 58; ders., Anfänge, S. 66.
44 Zum Inhalt siehe auch Brecht, Reformation, S. 23-33;
Nordsiek, Beiträge zur Geschichte, S. 236-246, 249;
Schröer, Reformation 2, S. 273-279; Stupperich,
Reformationsgeschichte, S. 86-90; ders., Entstehungsge-
schichte, S. 36; Angermann, Volksleben, S. 99-105;
Rothert, Kirchengeschichte, S. 94-96.
45 Zum Vergleich einzelner Abschnitte der Mindener und der
Braunschweiger Ordnung siehe Stupperich, Entste-
hungsgeschichte, S. 37-39.
46 Beschreibung des Drucks bei Borchling/Claussen,
Bibliographie 1, Nr. 1048 und Reu, Quellen I/III 1, 2,
S. 1100*—1107*. Von Krages Kirchenordnung haben sich
nur wenige Exemplare erhalten. Mitte des 19. Jahrhun-
derts bemühte sich der Mindener Magistrat, eines von der
Kirchenministerialbibliothek Celle anzukaufen, das aus
der Bibliothek des Konsistorialrats Christian Julius
Bokelmann stammte (vgl. KAM F Nr. 59). Dieses
Exemplar wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von der
Preußischen Staatsbibliothek (heute Staatsbibliothek
Preußischer Kulturbesitz Berlin) erworben. Es trägt die
Signatur Dr. 12800 und ist digitalisiert unter http://resol
ver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001689F00000000
(aufgerufen am 26.1.2015), vgl. Nordsiek, Von Lüchow,
S. 102 Anm. 2.
47 WA 26, S. 241-509. Vgl. Clos, Thesenanschlag, S. 14;
Brecht, Reformation, S. 33f.; Olpp, Aus dem kirchli-
chen Leben, S. 61f.; Nordsiek, Von Lüchow, S. 62; ders.,
Anfänge, S. 83f.; Krieg, Einführung, S. 49; Schröer,
Reformation 2, S. 280; Pless, Einführung, S. 18f.
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2. Kirchenordnung 13. Februar 1530 (Text S. 121)
Hatte in den 1520er Jahren zunächst nur der 36er-Ausschuss die reformatorische Bewegung vorangetrieben
und im Dezember 1529 Maßnahmen gegen die Klöster und Stifte der Stadt ergriffen (Nr. 1), so stellte sich
Anfang 1530 auch der Mindener Rat hinter die Reformation und betraute Nikolaus Krage mit der Ausar-
beitung einer Kirchenordnung. Krage stand mit dem Auftrag unter einem gewissen zeitlichen Druck, da er
die Ordnung fertigstellen wollte, solange der Mindener Bischofsstuhl vakant war.43 Das Vorhaben gelang,
denn als Bischof Franz II. am 10. Februar 1530 gewählt wurde, war die Ordnung bereits vollendet. Drei
Tage später verkündete Krage sie von der Kanzel der Marienkirche.
Die Mindener Kirchenordnung zählt zu den frühesten Texten dieser Art und gilt als älteste in Westfalen.
In der Vorrede berief sich Krage auf die von Johannes Bugenhagen verfasste Braunschweiger Kirchenord-
nung von 1528. Die Mindener Ordnung fällt zwar in ihrem Volumen umfangreich aus, verglichen mit der
Braunschweiger Vorlage ist sie jedoch deutlich schmaler. Nikolaus Krage reihte die Kapitel lose aneinander,
ohne sie durch Zwischentitel voneinander zu scheiden. Zunächst behandelte er das kirchliche Personal und
beschrieb dessen Aufgaben. Anschließend wandte er sich den schulischen Belangen zu. Darauf folgten die
kirchlichen Zeremonien und schließlich ging er auf Armenfürsorge, Ehesachen, Krankenbesuch, Feiertage
und Messfeiern ein.44
Mit diesem Themenspektrum griff Krage auf den Inhalt der Braunschweiger Ordnung zurück, er for-
mulierte die einzelnen Abschnitte aber eigenständig. Auch die Reihenfolge der Kapitel ordnete er anders als
in der Vorlage an.45 Ebenso wie die Braunschweiger ist auch die Mindener Kirchenordnung auf Nieder-
deutsch verfasst. Am Schluss wies Nikolaus Krage darauf hin, dass die Ordnung durch den Mindener Rat
und die Gemeinde „angenamen und eyndrechtigen beslaten“ worden sei, wie ein Schreiben des Rats, „wo
hyrna geprentet“, belege. Diese Magistratsbestätigung fehlt jedoch im Druck der Kirchenordnung. Obwohl
die Ordnung selbst also nicht dokumentiert, dass sie obrigkeitlich approbiert worden ist, bezeugt der vom
Rat 1530 in Lübeck in Auftrag gegebene Druck46 dessen Billigung.
Die altgläubige Geistlichkeit der Stadt übte Kritik an der Kirchenordnung, woraufhin Nikolaus Krage
ihre Vertreter auf den 21. März 1530 zu einer Disputation einlud, für die er 19 Artikel entworfen hatte, die
er an den Kirchtüren der Stadt anschlagen ließ. Mit diesem Akt lehnte er sich nicht nur formal an Luthers
Thesenanschlag an, sondern griff auch dessen Bekenntnis in der Schrift „Vom Abendmahl Christi“ von 1528
auf.47 Da sich jedoch keiner der Altgläubigen zur Diskussion bereitfand, kam das Religionsgespräch nicht
zustande. Krages Artikel wurden der Kirchenordnung aber am Schluss angehängt und in den Druck auf-
genommen.
43 Vgl. Stupperich, Entstehungsgeschichte, S. 39f.;
Nordsiek, Von Lüchow, S. 58; ders., Anfänge, S. 66.
44 Zum Inhalt siehe auch Brecht, Reformation, S. 23-33;
Nordsiek, Beiträge zur Geschichte, S. 236-246, 249;
Schröer, Reformation 2, S. 273-279; Stupperich,
Reformationsgeschichte, S. 86-90; ders., Entstehungsge-
schichte, S. 36; Angermann, Volksleben, S. 99-105;
Rothert, Kirchengeschichte, S. 94-96.
45 Zum Vergleich einzelner Abschnitte der Mindener und der
Braunschweiger Ordnung siehe Stupperich, Entste-
hungsgeschichte, S. 37-39.
46 Beschreibung des Drucks bei Borchling/Claussen,
Bibliographie 1, Nr. 1048 und Reu, Quellen I/III 1, 2,
S. 1100*—1107*. Von Krages Kirchenordnung haben sich
nur wenige Exemplare erhalten. Mitte des 19. Jahrhun-
derts bemühte sich der Mindener Magistrat, eines von der
Kirchenministerialbibliothek Celle anzukaufen, das aus
der Bibliothek des Konsistorialrats Christian Julius
Bokelmann stammte (vgl. KAM F Nr. 59). Dieses
Exemplar wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von der
Preußischen Staatsbibliothek (heute Staatsbibliothek
Preußischer Kulturbesitz Berlin) erworben. Es trägt die
Signatur Dr. 12800 und ist digitalisiert unter http://resol
ver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001689F00000000
(aufgerufen am 26.1.2015), vgl. Nordsiek, Von Lüchow,
S. 102 Anm. 2.
47 WA 26, S. 241-509. Vgl. Clos, Thesenanschlag, S. 14;
Brecht, Reformation, S. 33f.; Olpp, Aus dem kirchli-
chen Leben, S. 61f.; Nordsiek, Von Lüchow, S. 62; ders.,
Anfänge, S. 83f.; Krieg, Einführung, S. 49; Schröer,
Reformation 2, S. 280; Pless, Einführung, S. 18f.
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