Das Reichsstift und die Stadt Herford
1. Kirchenordnung 7. April 1532 (Text S. 165)
Wann der Rat den Entschluss fasste, eine Kirchenordnung ausarbeiten zu lassen, ist nicht bekannt. Johann
Dreyer wurde vermutlich gegen Ende 1531 mit der Formulierung des Texts beauftragt, denn Anfang des
folgenden Jahres lag die Ordnung vor. Der Titel gibt Auskunft darüber, dass Dreyer die Ordnung in
Zusammenarbeit mit anderen Herforder Predigern und in Abstimmung mit dem vom Rat eingesetzten
Neunergremium verfasst hatte.20
In der Vorrede formulierte Dreyer die grundsätzliche Haltung der evangelischen Lehre zur altgläubigen
Praxis und umriss die Inhalte der in drei Teile untergliederten Ordnung. Das erste Kapitel, das mehr als die
Hälfte des Werks einnimmt, befasst sich mit den Kirchenämtern und der Sakramentsverwaltung. Hier
beschreibt Dreyer die Amtspflichten der Pfarrer und Prediger an den beiden Pfarrkirchen der Alt- und
Neustadt. Im einzelnen führt er die Abläufe von Predigtgottesdiensten, Spendung von Taufe und Abend-
mahl sowie die Umwandlung von Mette und Vesper in evangelische Gottesdienstformen aus. In diesem Teil
setzt sich Dreyer auch mit der altgläubigen Position zu den einzelnen Themen auseinander, deren evan-
gelischen Charakter er mit Bibelzitaten zu unterstreichen sucht. Eine Herforder Besonderheit ist die Wahl
der Prediger, die dem Rat und 30 Wahlmännern übertragen wurde.
Im zweiten Teil der Ordnung befasst sich Dreyer mit der Schulbildung, deren Bedeutung er hervorhebt.
Die Schüler werden je nach ihrer Lesefähigkeit in drei „hauffen“ eingeteilt, wie es auch in Philipp Melan-
chthons Unterricht der Visitatoren von 1528 der Fall war. Eine in dieser Weise organisierte Schule bestand
1532 in Herford noch nicht, sondern war ebenso wie eine Mädchenschule erst geplant.
Im dritten und kürzesten Abschnitt der Ordnung erläutert Dreyer Maßnahmen gegen den offenen
Straßenbettel. Die Bedürftigen sollen aus den künftig einzurichtenden Almosenkästen unterhalten werden,
in die sämtliche Almosen der Gemeinde und der Klöster sowie die Abgaben nicht residierender Geistlicher
fließen. Neben der Armenkiste ist in Herford auch eine „Schatzkiste“ vorgesehen, in die Kirchengüter sowie
Überschüsse aus der Armenkiste eingelegt werden sollen. Abschließend führt die Ordnung in diesem Kapitel
Regelungen zum Eherecht aus.21
Als Vorlage für die Herforder Kirchenordnung griff Johann Dreyer auf Bugenhagens Ordnungen für
Braunschweig, Hamburg und Lübeck aus den Jahren 1528, 1529 und 1531 zurück.22 Die Braunschweiger
und Lübecker Kirchenordnungen sind an mehreren Stellen explizit als Referenz erwähnt.23 Die Hamburger
Ordnung ist hingegen nicht genannt, möglicherweise deshalb, weil sie in vielen Passagen der Lübecker
gleicht. Obwohl sich die Inhalte der Herforder Kirchenordnung auch in den drei Ordnungen Bugenhagens
finden, kann keine von diesen als unmittelbare Vorlage für den Herforder Text bestimmt werden. Dreyer
übernahm nur die Inhalte und einige Kapitelüberschriften, den Wortlaut formulierte er neu.
Die Braunschweiger und die Hamburger fallen deutlich umfangreicher als die Herforder Kirchenord-
nungen aus, während die Lübecker etwa den gleichen Umfang wie diese aufweist. In Bugenhagens Ordnun-
gen sind oft nicht nur die mit Herford inhaltlich übereinstimmenden Kapitel sehr viel länger, sondern es
finden sich hier auch zusätzliche Regelungen, die nicht übernommen wurden, wie etwa die Abschnitte zu
scher, Reformationsgeschichte, S. 26f.; von Fürsten-
berg, Ordinaria loci, S. 101.
20 Stupperich, Eigenart, S. 135; Schröer, Reforma-
tion 1, S. 321; Pape, Sancta Herfordia, S. 174; Hamel-
mann, Reformationsgeschichte, S. 314-316.
21 Zum Inhalt der Ordnung siehe Stupperich, Reformati-
onsgeschichte, S. 96-103; ders., Herforder Kirchenord-
nung, S. 10-13; ders., Eigenart, S. 135-137; Otto, Kir-
chenordnung, S. 15-20; Angermann, Volksleben,
S. 99-119; Niemann, Streiflichter, S. 6f.; Rothert,
Kirchengeschichte, S. 36f., 92-94; Reu, Quellen I / III
1,2, S. 1111*—1116*; Goeters, Kirchenordnungen,
S. 134; Schröer, Reformation 1, S. 321; Richter, Her-
ford, S. 22; Brasse, Kirchenordnung, S. 121-127.
22 Vgl. Stupperich, Eigenart, S. 135; ders., Reformations-
geschichte, S. 95; Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 28; Rothert, Kirchengeschichte, S. 35.
23 So im Kapitel zur deutschen Taufe und im Abschnitt über
den Schulmeister.
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1. Kirchenordnung 7. April 1532 (Text S. 165)
Wann der Rat den Entschluss fasste, eine Kirchenordnung ausarbeiten zu lassen, ist nicht bekannt. Johann
Dreyer wurde vermutlich gegen Ende 1531 mit der Formulierung des Texts beauftragt, denn Anfang des
folgenden Jahres lag die Ordnung vor. Der Titel gibt Auskunft darüber, dass Dreyer die Ordnung in
Zusammenarbeit mit anderen Herforder Predigern und in Abstimmung mit dem vom Rat eingesetzten
Neunergremium verfasst hatte.20
In der Vorrede formulierte Dreyer die grundsätzliche Haltung der evangelischen Lehre zur altgläubigen
Praxis und umriss die Inhalte der in drei Teile untergliederten Ordnung. Das erste Kapitel, das mehr als die
Hälfte des Werks einnimmt, befasst sich mit den Kirchenämtern und der Sakramentsverwaltung. Hier
beschreibt Dreyer die Amtspflichten der Pfarrer und Prediger an den beiden Pfarrkirchen der Alt- und
Neustadt. Im einzelnen führt er die Abläufe von Predigtgottesdiensten, Spendung von Taufe und Abend-
mahl sowie die Umwandlung von Mette und Vesper in evangelische Gottesdienstformen aus. In diesem Teil
setzt sich Dreyer auch mit der altgläubigen Position zu den einzelnen Themen auseinander, deren evan-
gelischen Charakter er mit Bibelzitaten zu unterstreichen sucht. Eine Herforder Besonderheit ist die Wahl
der Prediger, die dem Rat und 30 Wahlmännern übertragen wurde.
Im zweiten Teil der Ordnung befasst sich Dreyer mit der Schulbildung, deren Bedeutung er hervorhebt.
Die Schüler werden je nach ihrer Lesefähigkeit in drei „hauffen“ eingeteilt, wie es auch in Philipp Melan-
chthons Unterricht der Visitatoren von 1528 der Fall war. Eine in dieser Weise organisierte Schule bestand
1532 in Herford noch nicht, sondern war ebenso wie eine Mädchenschule erst geplant.
Im dritten und kürzesten Abschnitt der Ordnung erläutert Dreyer Maßnahmen gegen den offenen
Straßenbettel. Die Bedürftigen sollen aus den künftig einzurichtenden Almosenkästen unterhalten werden,
in die sämtliche Almosen der Gemeinde und der Klöster sowie die Abgaben nicht residierender Geistlicher
fließen. Neben der Armenkiste ist in Herford auch eine „Schatzkiste“ vorgesehen, in die Kirchengüter sowie
Überschüsse aus der Armenkiste eingelegt werden sollen. Abschließend führt die Ordnung in diesem Kapitel
Regelungen zum Eherecht aus.21
Als Vorlage für die Herforder Kirchenordnung griff Johann Dreyer auf Bugenhagens Ordnungen für
Braunschweig, Hamburg und Lübeck aus den Jahren 1528, 1529 und 1531 zurück.22 Die Braunschweiger
und Lübecker Kirchenordnungen sind an mehreren Stellen explizit als Referenz erwähnt.23 Die Hamburger
Ordnung ist hingegen nicht genannt, möglicherweise deshalb, weil sie in vielen Passagen der Lübecker
gleicht. Obwohl sich die Inhalte der Herforder Kirchenordnung auch in den drei Ordnungen Bugenhagens
finden, kann keine von diesen als unmittelbare Vorlage für den Herforder Text bestimmt werden. Dreyer
übernahm nur die Inhalte und einige Kapitelüberschriften, den Wortlaut formulierte er neu.
Die Braunschweiger und die Hamburger fallen deutlich umfangreicher als die Herforder Kirchenord-
nungen aus, während die Lübecker etwa den gleichen Umfang wie diese aufweist. In Bugenhagens Ordnun-
gen sind oft nicht nur die mit Herford inhaltlich übereinstimmenden Kapitel sehr viel länger, sondern es
finden sich hier auch zusätzliche Regelungen, die nicht übernommen wurden, wie etwa die Abschnitte zu
scher, Reformationsgeschichte, S. 26f.; von Fürsten-
berg, Ordinaria loci, S. 101.
20 Stupperich, Eigenart, S. 135; Schröer, Reforma-
tion 1, S. 321; Pape, Sancta Herfordia, S. 174; Hamel-
mann, Reformationsgeschichte, S. 314-316.
21 Zum Inhalt der Ordnung siehe Stupperich, Reformati-
onsgeschichte, S. 96-103; ders., Herforder Kirchenord-
nung, S. 10-13; ders., Eigenart, S. 135-137; Otto, Kir-
chenordnung, S. 15-20; Angermann, Volksleben,
S. 99-119; Niemann, Streiflichter, S. 6f.; Rothert,
Kirchengeschichte, S. 36f., 92-94; Reu, Quellen I / III
1,2, S. 1111*—1116*; Goeters, Kirchenordnungen,
S. 134; Schröer, Reformation 1, S. 321; Richter, Her-
ford, S. 22; Brasse, Kirchenordnung, S. 121-127.
22 Vgl. Stupperich, Eigenart, S. 135; ders., Reformations-
geschichte, S. 95; Hölscher, Reformationsgeschichte,
S. 28; Rothert, Kirchengeschichte, S. 35.
23 So im Kapitel zur deutschen Taufe und im Abschnitt über
den Schulmeister.
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