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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0218
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Die Reichsstadt Dortmund

den Almosenschüsseln bestimmten und die entscheidenden Positionen der Kirchenfabrik besetzten. Die
Vorrangstellung des Patriziats ging im Laufe des 16. Jahrhunderts jedoch zugunsten aufsteigender Familien
- der Erbsassen - teilweise zurück.9
Eine wichtige Bevölkerungsgruppe waren die in Zünften organisierten Handwerker, die in sechs Gilden
und die sich später bildenden Ämter unterteilt waren. Während die Gilden Zugang zur städtischen Macht
hatten, waren die Ämter von der politischen Teilhabe ausgeschlossen.10
Der Dortmunder Rat bestand aus 18 Mitgliedern, von denen die Mehrzahl auch im 16. Jahrhundert
Patrizier waren. Neben dem Rat gab es mit den Vierundzwanzigern einen Ausschuss der Gilden und mit den
Zwölfern einen der Erbsassen. Über diese Ausschüsse war die Stadtgemeinde indirekt an politischen Ent-
scheidungen beteiligt.11
Die Reichsstadt Dortmund gehörte zur geistlichen Jurisdiktion der Erzbischöfe von Köln, die Kirchen
unterstanden dem Archidiakonat Dortmund, der mit dem Stift St. Maria ad gradus in Köln verbunden
war.12 Neben den drei Klöstern, der Dominikaner mit der Propsteikirche, der Prämonstratenserinnen mit
dem Katharinenkloster und der Franziskaner mit dem Kloster St. Peter und Paul,13 gab es in Dortmund
vier Pfarrkirchen: St. Reinoldi, St. Petri, St. Marien und St. Nicolai. Während die Hauptpfarrkirche
St. Reinoldi sowie St. Petri dem Stift Maria ad gradus in Köln unterstanden, lag das Patronatsrecht der
beiden anderen beim Dortmunder Rat. Doch nicht nur die Pfarrbenefizien an St. Marien und St. Nikolai
wurden mit Dortmunder Geistlichen besetzt, auch der Dekan des Kölner Stifts vergab seine beiden Patro-
natspfarreien seit dem Mittelalter nicht mehr an Stiftsherren, sondern städtische Pfarrer.14
Neben den Klöstern und Pfarrkirchen beherbergte die Stadt mehrere Kapellen, Beginenhäuser, Klausen
und Armeneinrichtungen, wie das Heilig-Geist-Spital, das alte und neue Gasthaus sowie das Leprosen-
haus.15

2. Die reformatorische Bewegung der 1520er und 1530er Jahre
Obwohl Dortmund bereits in den 1520er Jahren unter dem Einfluss der neuen Lehre stand, ist die Einfüh-
rung der Reformation in der Reichsstadt von einem außergewöhnlich langen Ringen gekennzeichnet. Die
Details dieser „Langzeitreformation“ bleiben jedoch größtenteils unbekannt, da viele Quellen zu Beginn des
17. Jahrhunderts - möglicherweise im Zuge gegenreformatorischer Maßnahmen - kassiert wurden.16

9 Helbich, Pax et Concordia, S. 45f.; von Winterfeld,
Soest und Dortmund, S. 159-170.
10 Die Gerber, Schuster, Bäcker, Fleischer, Schmiede, Fett-
krämer und Krämer waren in Gilden organisiert, die
Goldschmiede, Weißgerber, Wollweber, Schröder (Schnei-
der), Leineweber und Schreiner in Ämtern, vgl. Hel-
bich, Pax et Concordia, S. 46f.; Greyerz, City Refor-
mation, S. 177.
11 Poeck, Rituale, S. 226-228; Olschewski, Erneuerung,
S. 285-288; Helbich, Pax et Concordia, S. 48; Luntow-
ski, Kleine Geschichte, S. 10-34; Schilp, Reichsstadt,
S.96-109.
12 Rüschenschmidt, Entstehung, S. 42-63; Schröer,
Reformation 1, S. 411; Hömberg, Pfarrsystem, S. 40
Karte Nr. 2; Rübel, Patronatsstreit, S. 294-302; Moo-
ren, Archidiakonat, S. 63-71, 82-87, 126-141.
13 Zu den drei Klöstern siehe die Artikel von Norbert Rei-
mann in Hengst, Klosterbuch 1, S. 252-268; Schilp,
Reichsstadt, S. 157-165.

14 Helbich, Pax et Concordia, S. 50; ders., 450 Jahre,
S. 51-67; ders., St. Marien, S. 96f.; Kurze, Pfarrerwah-
len, S. 372ff.; Schilp, Reichsstadt, S. 150-157. Zu den
vier Stadtkirchen siehe Helbich, Memoria, S. 82-90;
ders., Pax et Concordia, S. 262-264; Rüschenschmidt,
Entstehung, S. 22-42; Stenger, Reformation, S. 193f.;
Imort, Musikalische Kultur, S. 34-36; Schilp, Sakrale
Topographie, S. 37-56; Bädeker/Heppe, Geschichte,
S. 363-375; Mooren, Archidiakonat, S. 72-82.
15 Rübel, Armen- und Wohltätigkeitsanstalten, S. 138-188;
Greyerz, City Reformation, S. 177; Schilp, Dortmund
- Beginen, S. 268f.; ders., Reichsstadt, S. 165-168; Gros,
Das Nie hospital, S. 32-35.
16 Zu den Anfängen der Reformation in Dortmund siehe
Stenger, Reformation, S. 194-197. Vgl. Neuser, Kir-
chengeschichte, S. 95. Auf die schlechte Quellenlage ver-
weisen auch Biermann, Kollektenbuch, S. 51 und Löff-
ler, Reformationsgeschichte Dortmund, S. 187.

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