Einleitung
hl. sacramenten in gang und brauch daselbst gewesen, wird erwiesen auß deme in anno 1554 durch Albert
Sartor alhier in Dortmundt getruckhten Dortmundischen collectenbuche, und zum ersten auß deme darin
geenderten alten meßcanon“.35
Anhand dieses Abschnitts und weiterer erhaltener Auszüge konnte Andreas Biermann nachweisen, dass
das Dortmunder Kollektenbuch von 1554 den gleichen Wortlaut aufweist wie das „Bedebök“ von 1542, das
zu einer niederdeutschen Gebetbuchfamilie gehört.36 Dem Gebetbuch ist am Schluss eine Gottesdienstord-
nung mit dem Titel „Misse sampt allen Prefatien unde vornemsten stuecken derselben vorduetschet“ ange-
fügt, die, wie Biermann anhand der überlieferten Fragmente in den Prozessakten festgestellt hat, derjenigen
des Dortmunder Kollektenbuchs entsprechen.37
Die Agende legt zwar das Missale Romanum zugrunde, weist aber deutlich erkennbare evangelische
Eingriffe auf: Alle Abschnitte und Gebete, die nach evangelischer Lehre vertretbar waren, wurden beibe-
halten, unpassende Teile weggelassen oder umformuliert, einige Abschnitte, etwa zur Predigt über fortlau-
fende Texte (lectio continua), zur Abendmahlsvermahnung, zum Laienkelch, zum deutschen Gemeindege-
sang sowie zu evangelischen Gebeten, neu hinzugenommen.38
Die Dortmunder Gottesdienstordnung steht in der Tradition der Straßburger Deutschen Messe von
152439 sowie der Lutherischen Messformulare.40 Sie belegt, dass in Dortmund Mitte der 1550er Jahre evan-
gelische Gottesdienste gefeiert wurden.41 Der Rat hatte dies zwar nicht ausdrücklich angeordnet, duldete es
aber. Erst in den 1560er Jahren ließ er deutsche Gebete und Gesänge im Gottesdienst sowie die Austeilung
des Abendmahls unter beiderlei Gestalt offiziell zu.42
35 Von Winterfeld, Durchbruch, S. 123. Vgl. Bier-
mann, Kollektenbuch, S. 52; Löffler, Dortmunder
Buchdruck, S. 56 Nr. 25. Zu Albert Sartor siehe Reske,
Buchdrucker, S. 161.
36 „Ein Christlick Bedeböck Darinne de Collecten edder
Bede der hilligen Kercken dorch dat gantze jar vordüde-
schet unde vele andere schöne gebede vor alle nodtsaken
der Christenheit Ordentlick unde mit vlite tho samen
gedragen synt sampt einem schönen, leffliken unde nee
gesenen Calender nu alle wedderumme mit vlite auerseen,
gebetert unde veelfoldich vormeret, wes ynholt men an
dem ende des sülven uppet körteste und vörder dorch dat
gantze Böck uppet lengeste seen unde Lesen mach“. Am
Schluss findet sich: „Gedrücket tho Magdeborch dorch
Christian Rödinger“. Eine Jahreszahl für den Druck ist
nicht angegeben, unter VD16 C 4554 ist das Werk auf
1542 datiert, was sich aus dem vorne im „Bedeböck“, fol.
C4v befindlichen Kalender künftiger Festtagsbereichnung
ergibt, der mit dem Jahr 1543 einsetzt und bis 1588 fort-
geführt wird. Belege bei Biermann, Kollektenbuch,
S. 53-56. Ein Exemplar des „Bedeböck“ ist nachgewiesen
in Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: A 1197.18
Theol. In diesem Exemplar findet sich vorne der hand-
schriftliche Eintrag: „Carel Philipps anno etc. 1575“
sowie von anderer Hand: „Conradus Wie, Anno domini
1568. Diß buchlein ist mich [!] auch von Carl Philipps de
anno etc. 75 vorehret und geschancket worden“. Ein wei-
terer Besitzeintrag im hinteren Buchdeckel wurde rasiert.
Zur niederdeutschen Gebetbuchfamilie, der das „Bede-
böck“ zuzurechnen ist, siehe Biermann, Kollektenbuch,
S. 53-56, 73; Olschewski, Erneuerung, S. 294. Zum
Inhalt des „Bedeböck“ siehe ebd., S. 56-70.
37 Die folgenden Ausführungen zur Dortmunder Gottes-
dienstordnung folgen Biermann, der sie anhand des
textidentischen „Bedeböcks“ gewonnen hat.
38 Biermann, Kollektenbuch, S. 70-72; Neuser, Kirchen-
geschichte, S. 96.
39 Sehling, EKO XX/1, S. 120-129.
40 Luthers Deutsche Messe von 1526, WA 19, S. 44-113;
Sehling, EKO I, S. 10-16. Vgl. Biermann, Kollekten-
buch, S. 71f.
41 Biermann, Kollektenbuch, S. 74 Anm. 131; Helbich,
Van allem schelden, S. 35 Anm. 159. Schilling, Dort-
mund, S. 172 sieht die Agende hingegen als von erasmi-
schem Geist geprägt. Zu den Argumenten, die im frühen
17. Jahrhundert zum evangelischen Charakter der Got-
tesdienstordnung vorgebracht wurden, siehe von Win-
terfeld, Durchbruch, S. 132-146.
42 Biermann, Kollektenbuch, S. 75; Neuser, Kirchenge-
schichte, S. 96; Helbich, 450 Jahre, S. 41; ders., Pax et
Concordia, S. 213f., S. 231f.
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hl. sacramenten in gang und brauch daselbst gewesen, wird erwiesen auß deme in anno 1554 durch Albert
Sartor alhier in Dortmundt getruckhten Dortmundischen collectenbuche, und zum ersten auß deme darin
geenderten alten meßcanon“.35
Anhand dieses Abschnitts und weiterer erhaltener Auszüge konnte Andreas Biermann nachweisen, dass
das Dortmunder Kollektenbuch von 1554 den gleichen Wortlaut aufweist wie das „Bedebök“ von 1542, das
zu einer niederdeutschen Gebetbuchfamilie gehört.36 Dem Gebetbuch ist am Schluss eine Gottesdienstord-
nung mit dem Titel „Misse sampt allen Prefatien unde vornemsten stuecken derselben vorduetschet“ ange-
fügt, die, wie Biermann anhand der überlieferten Fragmente in den Prozessakten festgestellt hat, derjenigen
des Dortmunder Kollektenbuchs entsprechen.37
Die Agende legt zwar das Missale Romanum zugrunde, weist aber deutlich erkennbare evangelische
Eingriffe auf: Alle Abschnitte und Gebete, die nach evangelischer Lehre vertretbar waren, wurden beibe-
halten, unpassende Teile weggelassen oder umformuliert, einige Abschnitte, etwa zur Predigt über fortlau-
fende Texte (lectio continua), zur Abendmahlsvermahnung, zum Laienkelch, zum deutschen Gemeindege-
sang sowie zu evangelischen Gebeten, neu hinzugenommen.38
Die Dortmunder Gottesdienstordnung steht in der Tradition der Straßburger Deutschen Messe von
152439 sowie der Lutherischen Messformulare.40 Sie belegt, dass in Dortmund Mitte der 1550er Jahre evan-
gelische Gottesdienste gefeiert wurden.41 Der Rat hatte dies zwar nicht ausdrücklich angeordnet, duldete es
aber. Erst in den 1560er Jahren ließ er deutsche Gebete und Gesänge im Gottesdienst sowie die Austeilung
des Abendmahls unter beiderlei Gestalt offiziell zu.42
35 Von Winterfeld, Durchbruch, S. 123. Vgl. Bier-
mann, Kollektenbuch, S. 52; Löffler, Dortmunder
Buchdruck, S. 56 Nr. 25. Zu Albert Sartor siehe Reske,
Buchdrucker, S. 161.
36 „Ein Christlick Bedeböck Darinne de Collecten edder
Bede der hilligen Kercken dorch dat gantze jar vordüde-
schet unde vele andere schöne gebede vor alle nodtsaken
der Christenheit Ordentlick unde mit vlite tho samen
gedragen synt sampt einem schönen, leffliken unde nee
gesenen Calender nu alle wedderumme mit vlite auerseen,
gebetert unde veelfoldich vormeret, wes ynholt men an
dem ende des sülven uppet körteste und vörder dorch dat
gantze Böck uppet lengeste seen unde Lesen mach“. Am
Schluss findet sich: „Gedrücket tho Magdeborch dorch
Christian Rödinger“. Eine Jahreszahl für den Druck ist
nicht angegeben, unter VD16 C 4554 ist das Werk auf
1542 datiert, was sich aus dem vorne im „Bedeböck“, fol.
C4v befindlichen Kalender künftiger Festtagsbereichnung
ergibt, der mit dem Jahr 1543 einsetzt und bis 1588 fort-
geführt wird. Belege bei Biermann, Kollektenbuch,
S. 53-56. Ein Exemplar des „Bedeböck“ ist nachgewiesen
in Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: A 1197.18
Theol. In diesem Exemplar findet sich vorne der hand-
schriftliche Eintrag: „Carel Philipps anno etc. 1575“
sowie von anderer Hand: „Conradus Wie, Anno domini
1568. Diß buchlein ist mich [!] auch von Carl Philipps de
anno etc. 75 vorehret und geschancket worden“. Ein wei-
terer Besitzeintrag im hinteren Buchdeckel wurde rasiert.
Zur niederdeutschen Gebetbuchfamilie, der das „Bede-
böck“ zuzurechnen ist, siehe Biermann, Kollektenbuch,
S. 53-56, 73; Olschewski, Erneuerung, S. 294. Zum
Inhalt des „Bedeböck“ siehe ebd., S. 56-70.
37 Die folgenden Ausführungen zur Dortmunder Gottes-
dienstordnung folgen Biermann, der sie anhand des
textidentischen „Bedeböcks“ gewonnen hat.
38 Biermann, Kollektenbuch, S. 70-72; Neuser, Kirchen-
geschichte, S. 96.
39 Sehling, EKO XX/1, S. 120-129.
40 Luthers Deutsche Messe von 1526, WA 19, S. 44-113;
Sehling, EKO I, S. 10-16. Vgl. Biermann, Kollekten-
buch, S. 71f.
41 Biermann, Kollektenbuch, S. 74 Anm. 131; Helbich,
Van allem schelden, S. 35 Anm. 159. Schilling, Dort-
mund, S. 172 sieht die Agende hingegen als von erasmi-
schem Geist geprägt. Zu den Argumenten, die im frühen
17. Jahrhundert zum evangelischen Charakter der Got-
tesdienstordnung vorgebracht wurden, siehe von Win-
terfeld, Durchbruch, S. 132-146.
42 Biermann, Kollektenbuch, S. 75; Neuser, Kirchenge-
schichte, S. 96; Helbich, 450 Jahre, S. 41; ders., Pax et
Concordia, S. 213f., S. 231f.
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