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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0248
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Die Reichsabtei Corvey

Die Einführung der Reformation in Höxter lässt sich aufgrund umfangreicher, vermutlich im Zuge der
Gegenreformation des 17. Jahrhunderts forcierter Quellenverluste nur in groben Zügen zeichnen.6 Auch die
Möglichkeit, kirchenordnende Dokumente zu edieren, ist hierdurch stark eingeschränkt.
1. Vertrag zwischen dem Petersstift und der Stadt Höxter 8. Juli 1533 (Text S. 235)
Zu Beginn der 1530er Jahre lässt sich in Höxter eine evangelische Bewegung nachweisen. Zu dieser Zeit
lebten rund 3000 Menschen in der Stadt.7 Der wesentliche reformatorische Impuls ging von Philipp I. von
Hessen - einem der Schutzherren Höxters - aus. Der Landgraf hatte zu einem Fürstentag eingeladen, der
vom 6. bis 10. Januar 1533 in Höxter stattfand. Bei dieser Gelegenheit hielt der hessische Hofprediger
Konrad Öttinger evangelische Gottesdienste, zu denen auch die städtische Bevölkerung Zutritt erhielt.
Öttingers Predigten fanden große Zustimmung. Nachdem der Rat zunächst aus Sorge um die Reaktion der
Reichsabtei Corvey gezögert hatte, reformatorische Maßnahmen zu ergreifen, stellte er im Laufe des Jahres
1533 den ehemaligen Halberstädter Augustinermönch Johann Winnistede,8 der von 1529 bis 1531 in Wit-
tenberg studiert hatte und zuletzt Prediger in Einbeck gewesen war, als Prediger in St. Kilian an. Daneben
wurde Franz von Widdenen um Ostern 1533 als Pfarrer an St. Petri installiert. Ebenso wie Winnistede
hatte auch er in Wittenberg studiert und war Prediger in Einbeck gewesen, bevor er nach Höxter kam.9
Auch in der Nicolaikirche wurde die neue Lehre verbreitet, hier predigte der ehemalige Minorit Johann
Polhenn.
Durch die Besetzung von Prediger- und Pfarrstellen mit evangelischen Geistlichen kam es zum Konflikt
mit dem Petersstift als dem Patronatsherrn der städtischen Pfarrkirchen. Der Magistrat bat Landgraf
Philipp von Hessen um Hilfe. Dieser sandte seine Räte Georg von Pappenheim, Adam Krafft und Georg
Nusspicker nach Höxter, durch deren Vermittlung am 8. Juli 1533 ein Vertrag zwischen dem Stift und der
Stadt geschlossen werden konnte. Darin wurde nicht nur festgelegt, dass die beiden Parteien ihre gegen-
seitigen Rechte zu respektieren hätten, sondern auch, dass die Peterskirche von Alt- und Neugläubigen
gemeinsam, St. Kilian und St. Nicolai jedoch ausschließlich von den Protestanten genutzt werden soll-
ten.10
2. Vertrag zwischen dem Petersstift und der Stadt Höxter 15. September 1536 (Text S. 237)
Der im Juli 1533 geschlossene Vertrag (Nr. 1) beruhigte die angespannte Situation zwischen dem Petersstift
und der Stadt Höxter jedoch nicht dauerhaft. Immer wieder kam es zu Streitigkeiten um verschiedene
Rechte. 1536 entzündete sich ein neuer Konflikt daran, dass die Stadt einige dem Stift gehörende Immo-
bilien an sich gezogen hatte. Nach wiederholter Vermittlung durch hessische Gesandte setzte man am
15. September 1536 einen neuen Vertrag auf, der vorsah, die güterrechtlichen Streitigkeiten entweder an
den Corveyer Fürstabt oder den hessischen Landgrafen zu verweisen. Daneben schuf der Vertrag einen

6 Stupperich, Winnistede, S. 364: „Die Archivalien der
Stadt sind vernichtet, aus den Ratsprotokollen sind die
Seiten, die sich auf diese Zeit [=Reformation] beziehen,
herausgeschnitten, und die Kirchenarchive bieten teils
nur unbeträchtliche, teils aus späterer Zeit erst herrüh-
rende Nachrichten“. Vgl. Löffler, Reformationsge-
schichte Höxter, S. 250; Bauermann, Reformationsge-
schichte, S. 33-36.
7 Stupperich, Reformationsbewegung, S. 116.
8 Zu Winnistede († ca. 1569) siehe Stupperich, Winni-
stede, S. 364-372; Bauermann, Reformationsgeschichte,
S. 42 Anm. 38.
9 Schröer, Reformation 2, S. 243-245; Löffler, Refor-

mationsgeschichte Höxter, S. 252-254; Stupperich,
Reformationsbewegung, S. 121-123; ders., Hessens An-
teil, S. 154; Benkert, Vorgeschichte, S. 24; Schu-
macher, Geschichte, S. 6-8, 77-80.
10 Stupperich, Reformationsbewegung, S. 123f.; ders.,
Winnistede, S. 366-368; ders., Reformation im Weser-
raum, S. 267; Küch, Politisches Archiv 2, S. 403, 405;
Schröer, Reformation 2, S. 246; Bauermann, Refor-
mationsgeschichte, S. 43 Anm. 40; Löffler, Reformati-
onsgeschichte Höxter, S. 255f.; Schumacher, Geschich-
te, S. 9; Leesch, Höxter - Kollegiatstift St. Peter, S. 453.
Ein Exemplar des Vertrags ist auch im StaatsA Marburg
überliefert (HStAM, 3, 1743).

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