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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0307
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Einleitung

3. Kirchenordnung des Antonius Corvinus [1542] (Text S. 344)
In Lemgo kam es wegen der lippischen Kirchenordnung von 1538 sowie theologischer Auseinandersetzun-
gen73 zwischen den beiden Pfarrern Johann Montanus und Erasmus Weigenhorst zu Unruhen, so dass
Philipp von Hessen als lippischer Lehnsherr eingriff, indem er aus Witzenhausen Antonius Corvinus74 und
aus Hofgeismar Johann Westermann als Schlichter entsandte. Anfang Oktober 1541 trafen sie in Detmold
ein,75 und am 11. Oktober gelang es ihnen, den Zwist unter den Lemgoer Pfarrern mittels eines Vertrags
beizulegen.76 Anschließend führte Corvinus eine Befragung sämtlicher Pfarrer der Grafschaft anhand von
sieben Fragen durch, darunter auch die, ob sie die lippische Kirchenordnung (Nr. 2) unterschreiben wür-
den.77 Etwa zwei Drittel der Pfarrerschaft erklärte sich bereit, die Ordnung anzunehmen.78
Ein halbes Jahr später - im Frühjahr 1542 - hielt sich Corvinus noch einmal für mehrere Monate in
Lippe auf und führte eine Visitation der Pfarreien sowie der beiden Klöster Falkenhagen und Blomberg
durch.79 Corvinus hatte die Grafschaft in drei Visitationssprengel eingeteilt, einen in Lemgo, dem Moritz
Piderit, der Pfarrer an St. Nicolai, vorstand, einen in Horn mit dem dortigen Pfarrer Gerhard Cotius
(Schliepstein) als Visitator und einen in Blomberg, für den der Pfarrer Konrad Meyer zuständig war.80
In Ergänzung zur lippischen Kirchenordnung hatte Antonius Corvinus bei seinem zweiten Aufenthalt in
Lippe im Frühjahr 1542 eine „Ordinanz“ (Nr. 3) verfasst, die eng an die von ihm bereits 1540 erarbeitete
und 1542 gedruckte Kirchenordnung für das Fürstentum Calenberg-Göttingen angelehnt war, jedoch
wesentlich kürzer als diese ausfiel.81 Der mit „Uthtoch uth der ordinantien Corvini“ überschriebene lippi-
sche Text enthält knappe Kapitel zu Absolution, Messe, Krankenbesuch und -kommunion, Begräbnis,
Taufe und Nottaufe, Eherechtsfragen, Festtagen, Besoldung der Geistlichen sowie zu Schule, Schulmeistern
und Küstern.
Entgegen der Einschätzung von Paul Tschackert, der in seinem Abdruck von Corvinus’ lippischer Ord-
nung einige Passagen ausließ mit dem Hinweis, dass diese der Calenberg-Göttinger Vorlage entsprä-
chen,82 handelt es sich bei der Kirchenordnung für Lippe um einen eigenständigen Text, in dem zwar die
Inhalte des Vorbilds aufgegriffen, jedoch keine wörtlichen Übernahmen gemacht wurden. Neben der Calen-
berg-Göttinger Ordnung verwies Corvinus in seiner „Ordinanz“ an einer Stelle auf Luthers Deutsche Messe

73 Stupperich, Lemgoer Streit, S. 33-85.
74 Antonius Corvinus (1501-1553) trat 1520 ins Zisterzien-
serkloster Loccum ein, nach seiner Hinwendung zu
Luthers Lehre wurde er 1523 von dort vertrieben. 1528/29
war er Pfarrer in Goslar und Witzenhausen. Er gehörte zu
den Beratern Landgraf Philipps von Hessen. 1539 führte
er die Reformation in Northeim ein, 1540 verfasste er eine
Kirchenordnung für das Fürstentum Calenberg-Göttin-
gen, die 1542 gedruckt wurde (Sehling, EKO VI/2,
S. 708-843), im gleichen Jahr wurde er Superintendent
des Fürstentums. Nach dem Interim war er Pfarrer in
Hannover, Prieur, Im Auftrag, S. 33-53; Tscha-
ckert Corvinus, S. 66-71; Stupperich, Antonius Cor-
vinus, S. 20-39; Bautz, Art. Corvinus, in: BBKL 1
(1990), Sp. 1135-1137; Hütteroth/Milbradt, Pfar-
rer, S. 47-49.
75 Vgl. den Briefwechsel vom Oktober 1541, Tschackert,
Briefwechsel, Nr. 123-125 und Nr. 132; ders., Corvinus,
S. 67f.; Wolf, Einfluß, S. 89.
76 Das Protokoll der Verhandlungen und den abschließenden
Vertrag vom 11. Oktober 1541 druckt Tschackert
Briefwechsel, Nr. 127, 128; vgl. Wolf, Einfluß, S. 91;
Prieur, Im Auftrag, S. 42; Fitzner, Entscheidungs-
jahr, S. 47.

77 Abdruck der Fragen sowie der Namen von Pfarreien und
Geistlichen bei Tschackert, Briefwechsel, Nr. 130 und
131; vgl. Prieur, Im Auftrag, S. 43; Butterweck, Ge-
schichte, S. 133f.
78 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 31; ders., Corvinus,
S. 69f.; Haase, Reformieren, S. 26f.; Olschewski, Re-
formation, S. 155.
79 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 137; Haase, Reformie-
ren, S. 27; Kiewning, Geschichte, S. 154f.; Schilling,
Konfessionskonflikt, S. 132.
80 Siehe die Übersicht bei Tschackert, Briefwechsel,
Nr. 117f. Von dieser Visitation ist ein detailliertes Proto-
koll überliefert, ebd., Nr. 148. Die Ergebnisse der Visita-
tion referieren Wolf, Einfluß, S. 91-93; Prieur, Im
Auftrag, S. 47-50; Kiewning, Geschichte, S. 154f.; Rei-
neke, Katholische Kirche, S. 101; Confessio Augustana.
Die Reformation in Lippe, S. 40f.
81 Abdruck in Sehling, EKO VI/2, S. 708-843. Spreng-
ler-Ruppenthal, Joannes Amsterdamus, S. 452 und
Prieur, Im Auftrag, S. 44 verweisen darauf, dass die
Ordnung auch Einflüsse aus der von Johannes Bugenha-
gen verfassten Braunschweiger Kirchenordnung von 1528
aufweist.
82 Tschackert, Briefwechsel, Nr. 218.

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