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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0312
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Die Grafschaft Lippe

Am 28. Oktober 1568 lag den Regierungsverordneten in Detmold ein Entwurf vor, in dem sie namens
des Grafen einzelne Punkte beanstandeten.107 In ihrem Antwortschreiben erläuterten die Prediger die
monierten Passagen und sprachen sich dafür aus, die Kirchenordnung zunächst handschriftlich an die
Geistlichen auszuteilen, um ihre Praxistauglichkeit auf die Probe zu stellen. Erst nach Einarbeitung even-
tueller Korrekturen sollte sie gedruckt werden.108
Nachdem die Visitatoren am 10. Januar 1570 nach Detmold eingeladen worden waren, um sich über den
Entwurf der Kirchenordnung auszutauschen,109 plante man im Mai, Jakob Andreae um ein Gutachten zur
Kirchenordnung zu bitten, da dieser „vielen reformationibus und auffgerichteden kirchenordnungen bei-
gewhonet habe“. Man schrieb in dieser Sache an Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, in dessen
Diensten Andreae stand, sowie an diesen selbst.110 Den Kontakt zu Jakob Andreae hatte vermutlich Simon
VI. hergestellt, der sich zu dieser Zeit am Wolfenbütteler Hof aufhielt.111 Da Andreae jedoch von der
Strukturierung des herzoglichen Kirchenwesen stark in Beschlag genommen war, verzögerte sich die Prü-
fung der lippischen Ordnung112 bis Oktober 1570. Ein schriftliches Gutachten Andreaes ist zwar nicht
überliefert, sein Urteil fiel aber offensichtlich positiv aus, denn in den folgenden Monaten war die Vormund-
schaftsregierung mit dem Druck der Ordnung befasst. Zunächst verhandelte man mit einem Wolfenbütteler
Drucker,113 schließlich gab man den Auftrag aber an eine Lemgoer Offizin.114
Für den 12. Januar 1571 wurde ein letztes Treffen von Vertretern der lippischen Ritterschaft, der
Geistlichkeit, des Hofs und einiger Städte einberufen, um die Ordnung abschließend zu beraten.115 Mit
Datum des 20. April 1571 lag die lippische Kirchenordnung schließlich gedruckt vor.
Im Anschluss an die Vorrede und einen Abschnitt zur evangelischen Lehre befasst sich der umfangreiche
Text zunächst mit dem Abendmahlsgottesdienst sowie den einzelnen Sonn-, Fest- und Wochentagsgottes-
diensten in Städten und Dörfern. Danach folgen agendarische Abschnitte zu Taufe und Nottaufe, Ehe-
einsegnung, Krankenbesuch und Begräbnis. Hieran schließen sich kirchenorganisatorische Kapitel zur
Besetzung der kirchlichen Ämter unter Verwendung von Luthers „Forma ordinandorum“ an sowie zu Visi-
tationen und Synoden, zur Arbeitsweise des Konsistoriums bzw. Kirchenrats, zum Unterhalt der Amts-
träger sowie zu den Aufgaben der Kirchenältesten. Abgeschlossen wird die Ordnung von Ausführungen zu
Schulen, Klöstern, geistlichen Benefizien und zur Armenfürsorge.116
Bei der Ausarbeitung des Texts hatte sich Johann von Exter an der Braunschweig-Wolfenbütteler Kir-
chenordnung von 1569 orientiert.117 Von dieser Vorlage übernahm er jedoch lediglich das inhaltliche Gerüst
und einige Kapitelüberschriften, den Text selbst formulierte er neu. Die lippische Kirchenordnung folgt der
Wittenberger Theologie, mehrfach sind Passagen aus Luthers Deutscher Messe von 1526 oder aus dessen
Kleinem Katechismus eingeflochten. Auch auf Schriften Melanchthons und Bugenhagens wird verwiesen.
Die lippische Kirchenordnung von 1571 hatte ihrerseits Einfluss auf die Oldenburger Kirchenordnung von
1573, die von Nikolaus Selnecker und Hermann Hamelmann stammt.118

107 LAV NRW OWL, L 65 Nr. 8, fol. 14.
108 Ebd., fol. 15r-18v vom 17. Dez. 1568.
109 Ebd., vgl. Haase, Allerhand Erneuerung, S. 40.
110 Schreiben an Herzog Julius, LAV NRW OWL, L 65 Nr. 8,
fol. 29r-32r, Schreiben an Jakob Andreae ebd., fol.
33r-34v, beide vom 18. Mai 1570. Haase, Übergang,
S. 14 und ders., Allerhand Erneuerung, S. 40 erwähnt,
dass ein weiteres gleichlautendes Schreiben vermutlich am
gleichen Tag auch an die Herzogin von Braunschweig
gesandt wurde.
111 Haase, Übergang, S. 14; ders., Allerhand Erneuerung,
S. 40; Schilling, Konfessionskonflikt, S. 160.
112 LAV NRW OWL, L 65 Nr. 8, fol. 35r vom 23. Juli 1570,
vgl. Haase, Allerhand Erneuerung, S. 41.

113 LAV NRW OWL, L 65 Nr. 8, fol. 43 vom 15. Okt. 1570.
114 Ebd., fol. 48r-50r vom 6. Nov. 1570.
115 LAV NRW OWL, L 65 Nr. 8, vgl. Haase, Allerhand
Erneuerung, S. 41; Wiehmann, Zeitalter, S. 62-66.
116 Zum Inhalt siehe auch Confessio Augustana. Die Refor-
mation in Lippe, S. 60f.; Haase, Reformieren, S. 32-34;
ders., Allerhand Erneuerung, S. 41-50; Wiehmann, Zeit-
alter, S. 66-68; Heutger, Evangelisch-theologische
Arbeit, S. 88-92; Olschewski, Reformation, S. 156-158.
117 Abdruck in Sehling, EKO VI/1, S. 83-280.
118 Abdruck in Sehling, EKO VII/2, S. 986-1162; vgl.
Sprengler-Ruppenthal, Kirchenrechtsbildung, S. 169,
171; dies., Joannes Amsterdamus, S. 453f.

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