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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0445
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6. Kirchenordnung 1571

Wie man die Krancken besuchen, aus Gottes Wort trösten Und inen darnach das Abendmal Christi
mittheilen soll

Dieweil Gott den Menschen nach dem fall Adams
umb der Sünden und ubertrettung willen in diesem
ellenden leben allerley Creutz, bekümmerniß und
leyden, auch entlichen der straffe des todts und ster-
bens unterworffen hat, Wie Paulus sagt, Roma. 6
[23]: Der Sünden straff ist entlich der todt, derge-
stalt: so balt er in diese Welt geborn wirdt, sich alle
tage, stunde und |Dd2r| augenblick seines abscheides
nach dem alten Bundt aus diesem Jamerthal verse-
hen und gewarten muß, Demnach ist hochnötig ei-
nem jeden Menschen, auff solchen abscheid von die-
sem leben stets und on unterlaß eine fleissige ach-
tung und scharff auffsehen zuhaben, Damit er (weil
nichtes gewissers ist denn der todt und nichts unge-
wissers denn die stunde226) sein gantzes leben hin-
bringe in warer, rechtschaffener Busse oder beke-
rung zu Gott und hertzlichem vertrawen auff Chri-
stum, denf Gott aus unaussprechlicher güte, reicher
Gnade und milter barmhertzigkeit uns armen, ver-
dampten Menschen zum erlöser und Heyland von
Sünden und alles, was auff die sünde erfolget ist,
gesandt und gegeben hat, Ewiges leben und seligkeit
durch in und umb seinentwillen allein zuerlangen,
Wie uns solches Gottes Wort verkündigt, auch
durch die Heilige Tauffe und Nachtmal des Herrn
versichert wirdt. Damit nu ein Mensche bey sol-
chem Glauben auff Jhesum Christum allein besten-
dig verharre und seinen entlichen außgang und Ab-
scheid von dieser Welt, welchs für den höchsten
schatz und gewin zuhalten ist, seliglich beschliessen,
in Christo lebendig gemacht werden und zur Ewigen
Gerechtigkeit am Jüngesten tage widerümb auff-
stehen möge, So ist zum höhesten von nöten einem
Christgleubigen, das er nicht allein bey gesundem
Leibe, wenn er frisch und starck ist, mit Gottes
Wort trewlich unterwiesen und seliglich vermanet
werde, wie er Gottselig leben und wandeln, sich zum
seligen sterbstündlein bereiten und schicken und der
Heiligen, Hochwirdigen Sacramenten Tauff und
Abendmals recht gebrauchen möge, wie das billig ist
f Im Druck: denn.

und dazu die Leute ernstlich sollen |Dd2v| vermanet
unnd gehalten werden, damit sie ihre bekerung zu
Gott und Niessung des Abentmals nicht auff die
letzten Sterbstündlein, so gefehrlich und mißlich ist,
sparen und auffschieben, Sondern es ist auch heil-
sam und gut, das die Seelsorger (wie allwege die
Diener des Worts in der ersten Kirchen gleichfals
gethan) die Krancken und Leibsschwachen men-
schen heimsuchen, aus heiliger Göttlicher Schrifft
fleissig unterrichten und trösten und (wo sie es be-
geren) das Sacrament des Leibs und Bluts Christi
reichen und geben.
Und damit solch Christlich und Gott wolgefellig
Werck ordentlich und dem Krancken zum besten
geschehen möge, so sollen
Erstlich die Prediger aus obligendem Ampt, wenn
sie von dem Krancken gefürdert und gebetten wer-
den, williglich unnd gern zu ihm kommen unnd ihn
fein beschiedlich mit der Schrifft unterweisen und
vermanen, woher Leibs schwachheit und schmertze
komme und aus was ursachen sie uns von Gott zu-
geschickt wirdt, als umb der Sünde willen, der wir
alle gefangne eigne Knechte und, wie S. Paulus sagt,
unter die Sünde verkaufft sind227, Auch, was Gott
damit suche, Nemblich, das der Mensche zur er-
kentniß der Sünden und warer Busse gebracht und
gezogen werde, etc., Wie denn solche und derglei-
chen vermanung zum Krancken in vielen Agenden
verhanden und ein Prediger derselben gebrauchen
mag, so ers nicht besser könte stellen.
Zum andern. Wenn nu der krancke durch solche tre-
we erinnerung (welche ein jeder nach den Gaben, so
im Gott ver- |Dd3r| liehen und gegeben hat, weit-
leufftiger thun soll) zu warer Busse und hertzlichem
verlangen nach Gottes gnade gebracht und gereitzet
ist, alsdenn soll vom Krancken die bekentniß seines
Glaubens gefördert und erförschet werden, Inson-
derheit aber, wie er die fürnembsten Heubtstück un-
226 Vgl. Mt 24,36.
227 Röm 7,14.

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