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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0459
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6. Kirchenordnung 1571

Was fürnemblich in der Visitation befraget und
beyde, von Kirchendienern und Pfarkindern, so
dabey erfördert, ördentlich und mit allen
nottürfftigen umbstenden explorirt werden soll |Jj3r|
Zum ersten. Von den Predigern: Was der Pastor und
Caplan leren Und ob sie ires Ampts warten, zu ge-
bürlicher zeit predigen und Sacrament reichen Und
zu den Krancken kommen, so sie gebetten werden,
Und ob sie auff bestimpte zeit die Jugent hören und
mit besonderm fleiß (unserer Kirchen Ordnung
nach) im Catechismo exploriren.
Zum andern. Ob einigkeit sey zwisschen den Kir-
chenpersonen, damit irenthalben der Name Gottes
nicht verunehret und entheiliget, das liebe Evange-
lium gelestert und geschmehet und die Sacrament
verachtet werden, Auch, wie die Seelsorger die hei-
ligen Schrifft sampt den reinen, gesunden Lerern
fleissig studiern und lesen, der Gemeine Gottes or-
dentlich fürtragen und trewlich außlegen.
Denn weil bey dem grösten hauffen der Pastorn
oder Seelsorgern, Insonderheit aber auff den Flec-
ken und Dörffern, unleugbar befunden, wasserley
weise viel Prediger wenig und selten oder gar nicht
studirn, der Biblen und heiligen Schrifft vergessen,
Daher sie denn unbescheiden und ungeschicklich
Lehren und die Heubtartickel unsers Christlichen
Glaubens unördentlich inn den Predigten dem
Volcke fürtragen, Darümb wollen wir und befehlen
ernstlich, das die Auffseher der Kirchen allen Pa-
storn, Caplanen und Lehrern trewlich einbinden,
das sie ire Predigt, welche sie ein gantz Jar uber
thun, in ein Buch zusammen verzeichnen und auff-
schreiben, damit die Superintendenten in der Jerli-
chen Inspection sehen mögen, was die Predicanten
studirt und wi- |Jj3v| derümb iren Zuhörern auffs
aller förmblichste geleret, wie sie die Predigt recht
disponirt, den Text heilsam erklert und außgelegt
haben, Dadurch denn vieler faulen Prediger tragheit
263 Wallfahrten.
264 Als Nachtsang (Nachtgesang, nocticinium) wurde die
letzte kanonische Hore des Tages bezeichnet, vgl.
Schiller/Lübben, Wörterbuch III, S. 148f.; An-
germann, Volksleben, S. 223.

und unfleiß zum embsigen studirn etlicher massen
getrieben und nützlich befördert wirdt.
Zum dritten. Von sitten der Pastorn und Caplanen:
Ob sie Christlich und Erbarlich leben und wandeln,
Auch ires Ampts, inen von Gott befohlen und auff-
erlegt, zu rechter zeit und stunde warten Und den
rechten, waren Gottesdienst in der Kirchen vermü-
ge unser obengesetzten Ordnung fleissig unterrich-
ten. Item, Ob sie sich Weltlicher Practick oder Wü-
cherlichen Contracten und Kauffhendel gebrauchen.
Item, Ob sie auch mit öffentlichen Lastern und mit
was laster behafft sein.
Zum Vierdten. Vom Volck: Ob in der Statt oder im
Dorff personen sind, die unzüchtige, Gotteslesterli-
che Conventicula halten, Item, die in öffentlichen
Sünden leben, Als in Ehebruch, Unehelicher bey-
wohnung oder anderer Unzucht.
Zum Fünfften. Ob jemandt da Zeuberey treibe Oder
Warsagens, Segensprechens und anderer ergerlicher
laster gebrauche.
Zum Sechsten. Ob noch Wolfarten263 oder andere öf-
fendliche Abgötterey am selbigen ort sey. Item, Ob
man auch | Jj4r| noch zur zeit, wie zubesorgen, Aber-
gleubische, unnötige Glockengeleut, so bey uns
Nachtsang264 genennet wird, im gebrauch sein und
gehalten werden, Welchs nicht allein unnötig unnd
ein ursach ist dem gemeinen Jungen Volcke zur un-
christlichen versamlung bey Abendt auff den Kirch-
höfen, Sondern es werden offt und dick265 die
Krancken und Schwangere Leute dardurch er-
schreckt mit grossem nachtheil und schaden irer ge-
sundtheit, Wie des können viel Exempel angezeigt
und fürgebracht werden. Wo diß befunden, sol mans
one mittel der verweiterung266 weg thun und ab-
schaffen.

265 Sehr.
266 Ohne weitere Umstände oder Verzögerungen, vgl.
Grimm, DWb 28, Sp. 1291.

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