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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0476
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Lippe

mittheile, reiche und gebe, in ansehung, das Gott
dran eine lust und wolgefallen, Oseae 6 [6], tragt,
Und Christus, der rechte, warhafftige Vergelter,
solch Werck am Jüngesten tage hoch rhümen und
belohnen wirdt.
Darnach, das es der Wolthetige Gott ernstlichen
befohlen und gebotten, Esaiae 56317, Lucae 6 [38],
Ebre. 13 [16], Und derwegen selb auff mancherley
weise verheissen, den milten und frölichen Gebern in
allen nöten hilff und beystandt gnediglich zuleisten,
Wie er solchs mit der that zu allen zeiten nach auß-
weisung vieler schöner Historien erzeigt und bewei-
set hat, Dagegen auch die hartigkeit und unbarm-
hertzigkeit derer, so ire Ohren für dem schreyen des
Armen Nehesten verstopffen, zeitlich und ewig hart
zu straffen bedrawet, Proverb. 21318, Jacobi 4 [17],
Denn ja gewißlich war ist, das, wo die Elenden, wie,
Luc. 16 [19-31], der Reiche Schlemmer Lazarum
verseumbt, nicht geachtet, so werden dieselbige zu
Gott über uns zuklagen und seufftzen verursachet.
Darumb ist zweiffel on, es werde ein jeder from-
mer Christgleubiger auch nach den Natürlichen Ge-
setzen in aller Menschen hertzen von Gott gepflanzt
und eingeschrieben, den dürfftigen mit einer gerin-
gen Parteken319 handtreichung einfeltig und ohn
verzug, wie die Schrifft verma- | Pp1v| net, zu thun
willig und jederzeit bereit sein, Denn die Natur
gibts, das wir gerne in noten und Armut aller Welt
tröstliche hülff und beystandt hetten. Diß sollen wir
den dürfftigen widerümb auch gedültig thun und
von hertzen beweisen, wie wir denn schüldig sein,
Levit. 19 [9-10] Und Deutro. 15 [7-11].
Neben dem versehen wir uns auch gentzlich, Eß
werden die Personen eines jeden Kirchspiels, so zu
der Versamlung in den gemeinen Armenkasten er-
wehlet werden, bey ihren pflichten und Eyden iren
trewen dienst in diesem Christlichem und Gott wol-
gefelligem Wercke on alle weigerung leisten unnd
iren Glauben also mit der that beweisen und anzei-
gen.

317 Jes 46,1-13.
318 Spr 21,13.
319 Einem kleinen Stückchen (Brot), Grimm, DWb 13,
Sp.1474.

Wenn ein solche Allmoß auff jetzt ermelte form
und weise, so viel immer möglich, zu versorgung der
Armen inn den dazu verordenten Geltstock oder
Allmoßkasten nach jeder Statt oder Flecks gelegen-
heit empfangen und [ge]samlet ist worden, Alßdenn
sollen die geordnete Kastenpfleger all viertheil Jars,
nach gelegenheit eines jeden orts, den Allmoßkasten
auffthun und dasselbig Gelt in gegenwertigkeit
semptlichen Vorstehern oder Kastenherrn nach
fleissiger erkündung und nachforschung der Armen
rechtmessig außtheilen und vorsichtiglich reichen,
Fürnemblich aber den Gebrechlichen, alten Haußar-
men, so von wegen Leibskranckheiten und mangel
nicht mehr Arbeiten und ire Narung mit diensten
erwerben können, | Pp2r| Item den Armen Handt-
wercks Leuten, welch nicht das ire mit Schwelgerey,
Spielen und müssiggang umbbracht und unnützlich
verschwendt haben, Sondern Weib und Kinder mit
irem Handwerck zu zeit der thewrung nicht mit
Leibs notturfft erhalten unnd außbringen können,
leyden derhalben tieffe Armut und schemen sich
doch zu Bedlen.
Item Denen sol auch aus der Armenkasten ge-
geben werden, so umb des Evangelii willen vertrie-
ben unnd verjagt sind, Wie für diese notturfft und
anligend auch von den Aposteln stewr zuthun be-
fohlen ist, Als die Episteln an die Römer, Corinther
und Galater bezeugen und außweisen320.
Item Den armen Dienst Megden oder sonst ar-
mer Leute Töchter, so züchtig und ehrlich gelebt
Und doch aus mangel der freundschafft321 und auß-
stewr nicht können zum heiligen Ehestande befür-
dert und berathen werden.
Entlich sol auch von den Kastenherrn fürstrec-
kung geschehen unnd nach vermöge des einkom-
mens die handt gebotten werden den armen Schü-
lern, derer Eltern also unvermögen sein oder sonst
armut halben nie gelegenheit nicht haben, nottürff-
tige Bücher oder Kleidung ihnen davon zukeuffen.
Diesen obengesetzten Personen soll aus dem All-
moßkasten mit stewr und Handreichung verholffen
320 Vgl. Röm 15,26; 2Kor 8,1-9,15; Gal 2,10; 6,6.
321 Verwandtschaft.

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