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Die Mark Brandenburg.
25. Rezess vom 17. April 1600.
[Auszug. Nach Spieker, Marienkirche, S. 234 ff.]
Da 2) der ceremonien wegen an etlichen
orten viel superstition und ungleichheit herrscht,
se. churf. gn. aber gern in dero von gott bescherten
landen eine harmonie und in allen kirchen einen
gleichmässigen gottesdienst haben möchten, so
haben die visitatoren sehr gern bemerkt, dass die
kirchenceremonien dieses orts den neuen ordnungen
in Berlin nicht so gar ungleich sind. Nur wün-
schen sie, dass die Umgänge, die an hohen fest-
tagen noch auf dem kirchhofe gehalten werden,
und die ostensio abgeschafft, mit der Elevation
in der stadt und auf den dörfern aber decenter
umgegangen werde.
Auch wäre 3) zu wünschen, dass die geist-
lichen mit der absolution vernünftig und cum dis-
cretione umgehen möchten. Dass öffentlichen,
unbussfertigen sündern, gotteslästerern, hurern,
wucherern, trunkenbolden u. dergl. nach befinden
und vorhergegangener treuherziger privat und
öffentlicher warnung, den unbussfertigen selbst zum
besten und anderen zum abscheu die absolution
versperret und aufgehalten werde, ist nicht un-
billig. Aber es sollen und müssen gleichwohl die
delicta so wie die unbussfertigkeit notorisch sein.
Sonsten ist keinem die absolution ohne erhebliche
ursach und cognition des consistorii, viel weniger
ex privata vindicta oder affecten, wie es auf den
dörfern oftmals aus lüderlichen ursachen geschehen
soll, zu sperren.
4) Unter den zu dieser inspection gehörigen
dorfpfarrern sind etliche, mit deren geschicklich-
keit und lebenswandel man nicht zufrieden sein
kann, so dass man genugsame ursach gehabt hätte,
sie ihres dienstes zu entlassen. Man hat aber
mit ihrem alter und ihren vielen kindern mitleid
getragen, und sie haben sich schriftlich reversiren
müssen, ihren studien fleissig obzuliegen und sich
nach einer bestimmten zeit zu einem neuen examen
vor dem general-superintendenten und inspector
zu stellen. Ihre fernere beibehaltung wird von
dem urtheil dieser beiden herren doctoren ab-
hängen. Damit aber die dorfpfarrer in articulus
fidei und in controversiis religionis besser informirt
werden, die evangelische lehre von den irrthümern
sich einschleichender sekten wohl unterscheiden
lernen, auch zu mehrerem fleiss in studiis doctrinae
anlass bekommen, so soll der jedesmalige inspector
neben den gewöhnlichen probepredigten, welche
die dorfpfarrer der reihe nach in der oberkirche
beim wochen-gottesdienst verrichten müssen, die
jährlichen convente, der visitations-ordnung ge-
mäss , mit ihnen halten, de doctrina et vita mit
ihnen conferiren, sie zum studiren und gottseligem
wandel mit ernst ermahnen, ihre vitia corrigiren,
nichts dissimuliren und diejenigen, bei welchen
sich keine spuren der besserung zeigen, dem
generalsuperintendenten anzeigen.
Vor allen dingen ist 5) in acht zu nehmen,
dass das jus patronatus dem churfürsten immediate
zusteht, wobei es auch billig verbleibt. Wegen
des jus nominandi und praesentandi ist aus den
alten visitations-registraturen zu ersehen, dass
darüber zwischen dem rathe und der universität
streit erhoben, dass man sich aber zuletzt dahin
verständigt hat, weil der hiesige pastor seiner be-
soldung und des unterhalts halber nothwendig
zugleich professor sein müsse und vom rathe allein
nicht genugsam besoldet werden könne, so soll
der rath und die theologische fakultät das jus
nom. und praes. gemeinschaftlich haben und be-
halten. Bei dieser ausgleichung und observanz
soll es auch verbleiben. Die capläne aber an-
zunehmen und zu erfordern, steht allein bei dem
pfarrer und rathe und hat die universität nichts
damit zu thun.
11) Wegen der kirchenstände ist allezeit viel
streit gewesen, ja es sind gerichtliche klagen über
den besitz derselben entstanden. Um solchen un-
gebührnissen zuvorzukommen, haben die visitatoren
im einverständniss mit einem edlen rath festgestellt:
die stände und gestühle in den kirchen, gross
und klein, für männer oder frauen, sind ein eigen-
thum der kirche. Kein einwohner hat sich der-
selben als ererbtes gut anzumassen. Wer jetzt
einen stand oder gestühl hat, bleibt für seine
lebenszeit im besitz derselben. Söhne oder töchter
können nach dem tode der väter oder mütter den
sitz mit 12 groschen, entferntere verwandte oder
fremde personen mit 1 thaler lösen. Niemand
aber soll damit krämerei treiben und seinen sitz
einem anderen verkaufen, überhaupt ohne wissen
des kirchenvorstehers keine veränderung damit
vornehmen. Zöge jemand von Frankfurt weg und
bliebe er auf längere zeit abwesend, so kann er-
seinen stand mit vorwissen des kirchenvorstehers
einem andern überlassen. Nach vier jaren muss
aber derselbe immer wieder mit 1 thaler gelöset
werden. Der jetzige kirchenvorsteher wird ersucht,
das mit so vielem fleiss begonnene stuhlregister
recht bald zu stande zu bringen.
Die Mark Brandenburg.
25. Rezess vom 17. April 1600.
[Auszug. Nach Spieker, Marienkirche, S. 234 ff.]
Da 2) der ceremonien wegen an etlichen
orten viel superstition und ungleichheit herrscht,
se. churf. gn. aber gern in dero von gott bescherten
landen eine harmonie und in allen kirchen einen
gleichmässigen gottesdienst haben möchten, so
haben die visitatoren sehr gern bemerkt, dass die
kirchenceremonien dieses orts den neuen ordnungen
in Berlin nicht so gar ungleich sind. Nur wün-
schen sie, dass die Umgänge, die an hohen fest-
tagen noch auf dem kirchhofe gehalten werden,
und die ostensio abgeschafft, mit der Elevation
in der stadt und auf den dörfern aber decenter
umgegangen werde.
Auch wäre 3) zu wünschen, dass die geist-
lichen mit der absolution vernünftig und cum dis-
cretione umgehen möchten. Dass öffentlichen,
unbussfertigen sündern, gotteslästerern, hurern,
wucherern, trunkenbolden u. dergl. nach befinden
und vorhergegangener treuherziger privat und
öffentlicher warnung, den unbussfertigen selbst zum
besten und anderen zum abscheu die absolution
versperret und aufgehalten werde, ist nicht un-
billig. Aber es sollen und müssen gleichwohl die
delicta so wie die unbussfertigkeit notorisch sein.
Sonsten ist keinem die absolution ohne erhebliche
ursach und cognition des consistorii, viel weniger
ex privata vindicta oder affecten, wie es auf den
dörfern oftmals aus lüderlichen ursachen geschehen
soll, zu sperren.
4) Unter den zu dieser inspection gehörigen
dorfpfarrern sind etliche, mit deren geschicklich-
keit und lebenswandel man nicht zufrieden sein
kann, so dass man genugsame ursach gehabt hätte,
sie ihres dienstes zu entlassen. Man hat aber
mit ihrem alter und ihren vielen kindern mitleid
getragen, und sie haben sich schriftlich reversiren
müssen, ihren studien fleissig obzuliegen und sich
nach einer bestimmten zeit zu einem neuen examen
vor dem general-superintendenten und inspector
zu stellen. Ihre fernere beibehaltung wird von
dem urtheil dieser beiden herren doctoren ab-
hängen. Damit aber die dorfpfarrer in articulus
fidei und in controversiis religionis besser informirt
werden, die evangelische lehre von den irrthümern
sich einschleichender sekten wohl unterscheiden
lernen, auch zu mehrerem fleiss in studiis doctrinae
anlass bekommen, so soll der jedesmalige inspector
neben den gewöhnlichen probepredigten, welche
die dorfpfarrer der reihe nach in der oberkirche
beim wochen-gottesdienst verrichten müssen, die
jährlichen convente, der visitations-ordnung ge-
mäss , mit ihnen halten, de doctrina et vita mit
ihnen conferiren, sie zum studiren und gottseligem
wandel mit ernst ermahnen, ihre vitia corrigiren,
nichts dissimuliren und diejenigen, bei welchen
sich keine spuren der besserung zeigen, dem
generalsuperintendenten anzeigen.
Vor allen dingen ist 5) in acht zu nehmen,
dass das jus patronatus dem churfürsten immediate
zusteht, wobei es auch billig verbleibt. Wegen
des jus nominandi und praesentandi ist aus den
alten visitations-registraturen zu ersehen, dass
darüber zwischen dem rathe und der universität
streit erhoben, dass man sich aber zuletzt dahin
verständigt hat, weil der hiesige pastor seiner be-
soldung und des unterhalts halber nothwendig
zugleich professor sein müsse und vom rathe allein
nicht genugsam besoldet werden könne, so soll
der rath und die theologische fakultät das jus
nom. und praes. gemeinschaftlich haben und be-
halten. Bei dieser ausgleichung und observanz
soll es auch verbleiben. Die capläne aber an-
zunehmen und zu erfordern, steht allein bei dem
pfarrer und rathe und hat die universität nichts
damit zu thun.
11) Wegen der kirchenstände ist allezeit viel
streit gewesen, ja es sind gerichtliche klagen über
den besitz derselben entstanden. Um solchen un-
gebührnissen zuvorzukommen, haben die visitatoren
im einverständniss mit einem edlen rath festgestellt:
die stände und gestühle in den kirchen, gross
und klein, für männer oder frauen, sind ein eigen-
thum der kirche. Kein einwohner hat sich der-
selben als ererbtes gut anzumassen. Wer jetzt
einen stand oder gestühl hat, bleibt für seine
lebenszeit im besitz derselben. Söhne oder töchter
können nach dem tode der väter oder mütter den
sitz mit 12 groschen, entferntere verwandte oder
fremde personen mit 1 thaler lösen. Niemand
aber soll damit krämerei treiben und seinen sitz
einem anderen verkaufen, überhaupt ohne wissen
des kirchenvorstehers keine veränderung damit
vornehmen. Zöge jemand von Frankfurt weg und
bliebe er auf längere zeit abwesend, so kann er-
seinen stand mit vorwissen des kirchenvorstehers
einem andern überlassen. Nach vier jaren muss
aber derselbe immer wieder mit 1 thaler gelöset
werden. Der jetzige kirchenvorsteher wird ersucht,
das mit so vielem fleiss begonnene stuhlregister
recht bald zu stande zu bringen.