Calenberg-Göttingen
sie gebirt, so hat sie traurigkeit; denn ihre
stunde ist komen; wenn sie aber das kind ge-
boren hat, denkt sie nicht mehr an die angst
umb der freude willen, das der mensch zur welt
geboren ist. Diese beide sprüche geben eigent-
lich, das das wort nasci, auf deutsch: geboren
werden, nichtes anders sey, dann gar aus mut-
terleibe in die welt komen. Weil dan die wider-
geburt durch die taufe denen, so menschlicher-
weise geboren sein, mitgeteilet wirt, so ist nicht
unbillich gesetzt, das man die kinder nicht ehe,
biss sie gar aus mutterteibe geboren sein, teufen
solle.
Dieser unser meinung bekreftigt auch dat grie-
kisch wort βαπτίζω , so auf lateinisch immergo,
auf deutsch eintunken heisset, und ist auch der
brauch bey den alten gewesen, wie man im
Decreto, de consecratione dis. 433 sihet und
auch Hieronimus uber die epistel zun Epheseren
in seinem anderen buch uber das 4. cap.34 be-
zeugt, das sie die kinder, so man zur taufe ge-
bracht, dreymal, als im namen des Vaters, des
Sons, des heiligen Geistes, in das wasser ein-
getunkt haben. Wie kan man aber die kindlin
in die taufe eintunken, wenn sie noch aus mut-
terleibe nicht gar geboren sein? Und solte bil-
lich dieser alter brauch noch in der kirchen
mit eintunken gehalten oder je zum geringesten
das kindlin gar geblösset und uber das heubt
und ganzen leib begossen werden. Denn das
etliche die kindlin in den windelen teufen und
ihnen kaum die stirne forne nass machen, ge-
felt uns nicht so wol und ist auch dem wortlin
eintunken oder teufen und dem alten brauch
nicht ehnlich. Doch sol hiemit das teufen, da
den kindlin das wasser dreymal aufs heubt
allein im namen des Vaters, des Sons, des hei-
ligen Geists gegossen wirdet, nicht verworfen
sein. Denn die substanz des teufens ist je da,
und wir disputirn allein davon, wie man in
33 Decr. Grat. III. De consecratione, dist. IV,
c. 13; Friedberg I, 1365; ibid. c. 78 ff.; Fried-
berg I, 1388 f.
dieser administration gleicheit machen und be-
komen möcht.
Wenn aber trauen das kindlin geboren und
auf das erdreich komen ist und dann solche
krankheit fürhanden were, das man es in die
kirchen nicht bringen oder den priester so balde
nicht bekomen künte, da geben wir den wei-
beren gerne nach, das sie flux das kindlin mit
fürgehendem gebet und sonderlicher andacht in
solcher nod im namen des Vaters, des Sons, des
heiligen Geists teufen. Wissen sonst die ander
nodtaufe, wo das kindlin zur welt noch nicht
geboren ist, nicht zu billichen, sonder halten
im Decret, de oonsecra. dis. 435 recht gesagt
sein: Qui natus adhuc secundum Adam non est,
secundum Christum regenerari non potest. Das
ist: Wer nach dem Adam noch nicht geboren
ist, der kan auch nach dem Christo zur wider-
geburt nicht komen.
Damit aber dennoch, wo es also zugehet, das
die kinder an die geburt komen seind und kein
kraft da ist zu geberen (wie von solcher angst
Jesaia 37 [3] sagt), die arme mutter ohn trost
nicht selbs dahinfallen oder des kindlins unfall,
so es ungetauft stürbe, nicht zu weit betrachten,
so sol man sie mit Gotts worte aufs treulicheste
trösten, welchs sie solcher angst und schmerz
umb des ungehorsams und der sünde willen
unterworfen habe, und sie erinneren, das ein
solche versuchung ein versuchung zur gedult
sey, die mit einem rechtschaffnen glauben uber-
wunden sein wölle. Und neben dem sol man ihr
einbilden, das sie nur getrost ihren willen in
Gotts willen gebe, weil sein göttlicher wille
unseren willen in dem guten so weit ubertreffe,
der zuversicht und hoffnung, Gott werde ihr
und des kindlins gnediger Gott sein, weil sie die
zuversicht ihres herzen zu ihme setze, wenn sie
gleich bey dem kindlin bleiben oder auch das
kindlin ungetauft bey ihr sterben solte; denn es
34 Comment. in ep. ad Ephesios II, cap. 4, vers
5. 6; MSL 26, 496.
35 Decr. Grat. III. De consecratione, dist. IV, c.
115; Friedberg I, 1397.
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sie gebirt, so hat sie traurigkeit; denn ihre
stunde ist komen; wenn sie aber das kind ge-
boren hat, denkt sie nicht mehr an die angst
umb der freude willen, das der mensch zur welt
geboren ist. Diese beide sprüche geben eigent-
lich, das das wort nasci, auf deutsch: geboren
werden, nichtes anders sey, dann gar aus mut-
terleibe in die welt komen. Weil dan die wider-
geburt durch die taufe denen, so menschlicher-
weise geboren sein, mitgeteilet wirt, so ist nicht
unbillich gesetzt, das man die kinder nicht ehe,
biss sie gar aus mutterteibe geboren sein, teufen
solle.
Dieser unser meinung bekreftigt auch dat grie-
kisch wort βαπτίζω , so auf lateinisch immergo,
auf deutsch eintunken heisset, und ist auch der
brauch bey den alten gewesen, wie man im
Decreto, de consecratione dis. 433 sihet und
auch Hieronimus uber die epistel zun Epheseren
in seinem anderen buch uber das 4. cap.34 be-
zeugt, das sie die kinder, so man zur taufe ge-
bracht, dreymal, als im namen des Vaters, des
Sons, des heiligen Geistes, in das wasser ein-
getunkt haben. Wie kan man aber die kindlin
in die taufe eintunken, wenn sie noch aus mut-
terleibe nicht gar geboren sein? Und solte bil-
lich dieser alter brauch noch in der kirchen
mit eintunken gehalten oder je zum geringesten
das kindlin gar geblösset und uber das heubt
und ganzen leib begossen werden. Denn das
etliche die kindlin in den windelen teufen und
ihnen kaum die stirne forne nass machen, ge-
felt uns nicht so wol und ist auch dem wortlin
eintunken oder teufen und dem alten brauch
nicht ehnlich. Doch sol hiemit das teufen, da
den kindlin das wasser dreymal aufs heubt
allein im namen des Vaters, des Sons, des hei-
ligen Geists gegossen wirdet, nicht verworfen
sein. Denn die substanz des teufens ist je da,
und wir disputirn allein davon, wie man in
33 Decr. Grat. III. De consecratione, dist. IV,
c. 13; Friedberg I, 1365; ibid. c. 78 ff.; Fried-
berg I, 1388 f.
dieser administration gleicheit machen und be-
komen möcht.
Wenn aber trauen das kindlin geboren und
auf das erdreich komen ist und dann solche
krankheit fürhanden were, das man es in die
kirchen nicht bringen oder den priester so balde
nicht bekomen künte, da geben wir den wei-
beren gerne nach, das sie flux das kindlin mit
fürgehendem gebet und sonderlicher andacht in
solcher nod im namen des Vaters, des Sons, des
heiligen Geists teufen. Wissen sonst die ander
nodtaufe, wo das kindlin zur welt noch nicht
geboren ist, nicht zu billichen, sonder halten
im Decret, de oonsecra. dis. 435 recht gesagt
sein: Qui natus adhuc secundum Adam non est,
secundum Christum regenerari non potest. Das
ist: Wer nach dem Adam noch nicht geboren
ist, der kan auch nach dem Christo zur wider-
geburt nicht komen.
Damit aber dennoch, wo es also zugehet, das
die kinder an die geburt komen seind und kein
kraft da ist zu geberen (wie von solcher angst
Jesaia 37 [3] sagt), die arme mutter ohn trost
nicht selbs dahinfallen oder des kindlins unfall,
so es ungetauft stürbe, nicht zu weit betrachten,
so sol man sie mit Gotts worte aufs treulicheste
trösten, welchs sie solcher angst und schmerz
umb des ungehorsams und der sünde willen
unterworfen habe, und sie erinneren, das ein
solche versuchung ein versuchung zur gedult
sey, die mit einem rechtschaffnen glauben uber-
wunden sein wölle. Und neben dem sol man ihr
einbilden, das sie nur getrost ihren willen in
Gotts willen gebe, weil sein göttlicher wille
unseren willen in dem guten so weit ubertreffe,
der zuversicht und hoffnung, Gott werde ihr
und des kindlins gnediger Gott sein, weil sie die
zuversicht ihres herzen zu ihme setze, wenn sie
gleich bey dem kindlin bleiben oder auch das
kindlin ungetauft bey ihr sterben solte; denn es
34 Comment. in ep. ad Ephesios II, cap. 4, vers
5. 6; MSL 26, 496.
35 Decr. Grat. III. De consecratione, dist. IV, c.
115; Friedberg I, 1397.
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