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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0191
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Synodalkonstitutionen 1544/1545

hat S. Paulus 1. Timo. 2. capitel [15] nicht ver-
geblich gesagt: Sie wirt selig werden durch
kinderzeugen, so sie bleibet im glauben und in
der liebe und in der heiligung sampt der zucht.
Gleichsfals sollen sie neben der betrübten mut-
ter mit emsigen gebet, seufzen und ruffen nicht
ablassen, Got um hülf und trost anzuruffen, das
er der gebererin aus der nod, dem armen kind-
lin zum bade der widergeburt umb Christus wil-
len gnediglich helfen wölle. Und wenn dann.
solchs in rechtem glauben geschicht, wirt Gott
ungezweifelt nach seinem willen dieser angst-
sache zu raten wissen. Ists aber dann sein wille
nicht, das das kindlin, darumb so gros und ernst-
lich bitten, seufzen und anruffen geschehen ist,
zur taufe komen sol, so gebe man ihme die sache
heim und zweifele nur gar nicht, weil der Geist
unserm seufzen, sehenen und anruffen wunder-
licherweise in solchen fellen hilfet, wie S. Paul
am 8. zun Römeren [15 f. 26] sagt, es werde
unser gebet nicht kraftloss sein. Und der gütige
Gott mit solchem kindlin, welchs auch in die
zal deren gehort, da er von sagt [Mt 18, 14], es
sey nicht sein wille, das eins von den kleinen35a
verloren werde, wol gnediglich zu forderung sei-
ner seligkeit zu handelen wissen.
Und wer wolte doch, da sich solche felle nach
Gotts willen bey christlichen elteren zutragen,
solchen ungetauften kinderen die seligkeit ab-
sneiden, sonderlich, weil ihme alle ding möglich
ist und wir ihme in sein gericht nicht fallen
sollen? War ists, das wir eine gemeine regel im
evangelio haben [Mk 16, 16]: Wer gleube und
getauft werde, der solle selig werden. Wer nicht
gleube, der solle verdampt werden. Ist aber auch
dem Herrn hiemit sein gewalt abgeschnitten,
wenn er irgentein kindlin ohn die taufe zur
seligkeit beruffen hette, das er solchs nicht thun
müste? Ist nicht der schecher am kreuz [Luk23,
39 ff.] ohn die taufe beruffen zur seligkeit? Ja,
sagest du, der hat in solcher nod des sterbens
zur taufe nicht komen können. Recht. So wöllen
wir hie zu Gott auch die tröstliche zuversicht

35a Druckvorlage: klenen.
36 Vgl. oben S. 868.
37 Vgl. oben S. 792.

haben, das er einem solchen kindlin, weils von
christlichen elteren geboren und so emsig gebet,
das es zur taufe komen möchte, seinenthalben
geschehen ist, welchs aber gleichwol nicht hat
sein sollen, auch ein gnediger Gott sein und
ihme die seligkeit nicht abschneiden, sonder aus
lauteren gnaden, wie den schecher am kreuz,
dieselbige mitteilen werde, und was hie durch
das sichtbarliche sacrament der taufe nicht
habe geschehen können, welchs man von her-
zen begert und gebeten hat, das dasselbige durch
die unsichtbare gnad Gotts und wirkung des
heiligen Geists geschehen sey.
Solchen trost sollen die pastores christlichen
weiberen treulich einbilden, damit sie in solchen
schweren und betrübten fellen die gebererinnen
nicht trostloss lassen, sonder christlich hiemit
zu trösten wissen.
4. Soferne der vierde artickel36, der vom
abentmal Christi handelt, von messewenderen
und liechten sagt, sol er also harte und strikte
nicht verstanden werden, das drumb der sub-
stanz gemelts abentmals etwas abgebrochen
werde, wenn gleich weder messewand noch
liechte da weren, sonder wir haben alleine in
diesem artickel auf gleicheit der ceremonien ge-
sehen, ergernis der schwachen zu verhüten.
So macht auch die fürstliche ordnung37 kein
gesetz draus, sonder lesset es zu als eine wol-
stehende ehrbarkeit, damit den schwachen alleine
gedienet werde. Mögen derhalben wol erleiden,
wo solche liechte ordentlicherweise abgethan
sein, das sie da abgethan bleiben oder nach
des pastoris gefallen gebraucht werden. Wissen
in rebus adiaphoris, das ist, die frey sein, keine
gesetze zu machen.
5. Der fünfte artickel38, der die heimliche
beicht und absolution in unsern kirchen als ein
nützlich ding fordert, wirt ungezweifelt allen
Christen gefallen.
6. Der sechste artickel39, von den Sontagen
und anderen verordneten feirtagen gesetzt, ist
allein in dem nützlich, das auf solche tage von
38 Vgl. oben S. 868.
39 Vgl. ibid.

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