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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0215
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Reformation und Ordnung für das Stift Wunstorf 1598

geistlicher und politischen consistoriall- und hoff-
rähte, nachfolgende reformation und ordnung
in vielgedachtem unserm stift gemacht, die-
selbe auch publicirt und hinfuro unverendert
gehalten haben wollen.
Erstlich soll die vicedechantin, so inhalts des
nechstfolgenden artickels erstes tages erwehlet
und bestetiget werden soll, mit und neben allen
stiftsjungfern, seniore und canonicis, so in er-
wehntem unserm stift Wunstorff canonicat oder
lehen haben und von unsern seeligen vorfahren
und uns damit begnadet seint, in und bey er-
wentem stift wesentlich zu sein und zur resi-
diren, auch teglichs, es sei predigtag oder nicht,
im stift zur kirchen zu gehen und vor die noht
der ganzen christenheit, auch unsere erben,
lande und leuthe wollfahrt zu bitten und beten,
schuldig und verbunden sein. Und weil ihre
vorfahren im bapstumb teglich zweymahl zur
kirchen gehen, prim und vesper singen mus-
sen5, so sollen sie hinfuro, es werde geprediget
oder nicht, gleicher gestalt alle tage zweymahl,
nemlich uff die Sonn- und festage uff die dazu
bestimbte zeit zur predigt und vesper, uff die
andern und werkeltage aber vormittages umb
acht und nachmittags umb zwey uhr, da den
allezeit vorher geleutet werden soll, in die stifts-
kirchen gehen, zuforderst mit und neben den
schulern zween teutsche psalmen oder andere
geistliche lieder aus Doctoris Martini Lutheri,
in unsern furstenthumben, graff- und herschaf-
ten gewöhnlichen gesangbuchlein6 singen, dar-
nach ein capittel aus der bibel teutsch lesen
lassen und dan ein jeder besonders vor obberurt
anligen, noth und wollfahrt andechtig beten,
auch dem lieben Gott vor alle uns, unsern land
und unterthanen erzeigete gnad und segen danken.

5 Die kanonischen Tageszeiten wurden vor der
Reformation von den Stiftsgliedern täglich
morgens um 8 und nachmittags um 2 Uhr
gehalten; vgl. J. Chr. Brasen, a. a. O. 265.
6 Das allgemein bräuchliche Gesangbuch für
die lutherischen Kirchen Wittenberger Prä-
gung war zu der Zeit das noch von Luther

Darzu den die form, so in unser kirchen-
ordnung unter dem titul: Wie es hinfuro in
den jungfrauklostern, pagina 406, „Allmechtiger
ewiger etc.“ 7 bis zum ende gebraucht und mit
lauter stim den andern mitzubeten vorgesprochen
und daruff mit einer reinen, teutschen collecten
beschlossen werden soll.
Zum andern sollen die stiftsjungfern aus ihrem
mittel eine person zur vicedechantin eligiren
und erwehlen, die wir als der landesfurst, pa-
tron und verwalter der ebtey zu solchem ambt
bestetigen wollen. Dieselbe soll uff die andern
stiftsjungfern die uffsicht, ihnen auch sowoll
den capitularn mit und neben dem seniore in
stifts- und kirchensachen ambts wegen zu be-
fehlen haben und dieselbige ihr und dem seniori
in pillichen und zu ihrem ambt gehörenden
dingen zu folgen gehorsamen schuldig sein etc.
Und weil dem pastori und kaplan im stift ihre
besoldung und unterhalt von canonicaten und
lehen verordnet seind und gereicht werden, so
sollen dieselbige unter die capitularn mitgerech-
net und, solange sie in ihrem ambte seind,
dafur gehalten werden, sich auch in allen digni-
tatibus, emolumentis et moribus, desgleichen in
verrichtung des gottesdienstes inhalts dieser
unser reformation und ordnung (ohn wen sie
sonst ihr ambt in der kirchen zu verrichten
haben und dadurch hiervon abgehalten werden)
denn andern ihren collegis confirmiren und gleich
halten. Der pastor in der marktkirchen8 aber,
ob er woll kein stiftspersohn, sondern prediger
in der stadt Wunstorff ist, soll, wann er die
verordnete horas und gottesdienste in der stifts-
kirchen ausserhalb der zeit, da er in der markt-
kirchen sein ambt verrichten muß, teglich mit
halten und verrichten wird, vom theilkorn und

bevorwortete sog. Bapstsche Gesangbuch, zu-
erst 1545 bei Valentin Bapst in Leipzig ge-
druckt, danach überall in Deutschland nach-
gedruckt und mehr oder weniger erweitert.
7 Sehling VI, 1, 260.
8 Die Marktkirche war dem Stift inkorporiert;
vgl. A. Brenneke 2, 67.

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