Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0220
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zu den Anfängen der Reformation in der Stadt Göttingen vgl. Zeit- und Gesch . Be -
schreibung II, S. 331 ff., Erdmann, Saathoff, Kirchengeschichte, S. 67 ff.,
Saathoff, Stadtgeschichte, S. 177 ff., Scharrenberg, in ZnKG 52, S. 41 ff., J.
Meyer, S. 76 ff. Der Göttinger Rat widerstrebte lange der Einführung der seit 1518 in der
Stadt nachweisbaren evangelischen Lehre aus Furcht vor dem Zorn des katholisch gesinnten
Landesherrn. Am 24. Okt. 1529 fand der erste legitime lutherische Gottesdienst in Göttingen
statt. Die Bekräftigung dieses Zugeständnisses erzwang sich die aufrührerische Bürgerschaft vom
Rat durch einen Rezeß vom 18. (bzw. 3.) Nov. 1529 (vgl. Urk.Buch Göttingen III. Nr.
437—439, hierzu Erdmann, S. 32 f., Scharrenberg, in ZnKG 52, S. 43 ff.). Damit war
die neue Lehre rechtlich gesichert. Fortan regelte der Rat in Vertretung der gesamten Bürger-
schaft die kirchlichen Angelegenheiten der Stadt im lutherischen Sinne (vgl. Scharrenberg,
in ZnKG 52, S. 46 ff., Erdmann, S. 33 f.). Am 10. Dez. 1529 wurde zwar noch der An-
ordnung des Herzogs stattgegeben, einen evangelischen Prediger auszuweisen (der allerdings
dem Rat durch Anstiftung der Bürgerschaft zu Aufruhr unbequem war, vgl. Urk. Buch
Göttingen III, Nr.443), dann aber ließ der Rat in einer Instruktion für seine Abgesand-
ten an den Herzog diesem ein klares Bekenntnis zur neuen Lehre vorlegen (vgl. Abdruck in
Urk.Buch Göttingen III, S. 213).
Die Aufstellung einer KO war durch diese Vorgänge geboten (vgl. Tschackert, Vor-
arbeiten , Scharrenberg, in ZnKG 52, S. 48 ff., Saathoff, Kirchengeschichte,
S. 94 f.). Bereits 1529 beauftragte der Rat den bisherigen erzbischöflich mainzischen Kommis-
sar, jetzt evangelischen Prediger Johann Bruns, eine provisorische Ordnung für die Übergangs-
zeit zu stellen, die im Original erhaltenen sog. Rats-Artikel (gedr. bei Tschackert, Vor-
arbeiten, S. 375—377, Saathoff, Kirchengeschichte, S. 108 f.). Am 10. März
1530 wurde die endgültige KO von den Kanzeln öffentlich verkündigt und damit rechtmäßig
in Kraft gesetzt; Text Nr. 1.
Über den oder die Verfasser erfahren wir nichts Genaues. Der nachmalige Superintendent
Mag. Johann Sutel berichtete später, daß sie „durch M. Justum Wintherum gestellet“ sei
(vgl. Tschackert, Sutel, S. 82). Auch der aus Braunschweig herbeigeholte Heinrich Win-
kel dürfte eine wesentliche Rolle bei ihrer Abfassung gespielt haben, zumal er schon vorher in
den „Articuli reformatorii ordinantiae“ den Ratsherrn den Entwurf einer KO in der Form
einer Denkschrift vorgelegt hatte (gedr. bei Tschackert, Vorarbeiten, S. 368 ff., Saat-
hoff, Kirchengeschichte , S. 103—108. Vgl. zu den „Articuli reformatorii ordinantiae“
auch Tschackert, S. 372 f.). Diese beiden Prediger waren dem Rat auf begrenzte Zeit
zur Verfügung gestellt, um das Göttinger Kirchenwesen zu ordnen. In dem Hessen Mag. Jo-
hann Sutel aus Altenmarsch b. Melsungen — durch Corvinus und Justus Winther „mit wis-
sen und willen eines erbarn rads zu Göttingen“ berufen — war für Göttingen schließlich der
Mann gewonnen, der an der weiteren Ordnung des Kirchenwesens der Stadt nach Winkels
und Winthers Fortgang maßgebend beteiligt war (vgl. Tschackert, Sutel). Für die KO
hatten die Leisniger Kastenordnung von 1523 und besonders dis KO der Stadt Braunschweig
von 1528 als Vorlagen gedient (vgl. Luthers Zustimmung. 18. Dez. 1530, WA Br. 5, 702).
Die KO selbst wurde noch 1530 Luther zur Begutachtung geschickt und dann 1531 in Wit-
tenberg gedruckt. Luther schrieb eine Vorrede (WA 30 III. 250 f.) und sandte die Drucke am
1. März 1531 mit je einem Schreiben an den Rat und an Sutel (WA Br. 6, 42 f.).
Die Durchführung der KO ließ sich der Rat trotz gegenteiliger Anordnungen des Herzogs
(vgl. Urk.Buch Göttingen III, Nr. 471) angelegen sein (vgl. Erdmann, S. 43. Urk.

902
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften