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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0245
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Kirchenordnung 1539

schlossen werden. Denn es wil das volk auf die
werktage nicht so lange als auf die Sontage
sein aufgehalten.
Von der beicht.
Wiewol die beicht, so den menschen geschicht,
von Gott nicht geboten und derhalben niemand,
seine sunde dem priester allezumal und ordent-
lich zu erzelen, gezwungen sein sol, so haben wir
sie doch, auf das alles bey uns ordentlich und
wol zugehe, also wollen bleiben lassen, das nie-
mand zum hochwirdigen sacrament zugelassen
werden sol, er habe sich denn vorhin dem pfar-
herrn und kapellan dargestelt und ihres radts
gelebt. Haben solchs also verordnet umb zweier-
ley ursach willen: Erstlich ists am tage, das uns
als menschen, so mit einem bösen, fleischlichen
madensack umbgehen und in der welt sein müs-
sen, mancherley widderferet, das unser gewissen
beschweren und fur Gott blöde und zaghaftig
machen kan. Denn so from werden wir nimmer-
mehr, das wir nicht zuweilen mit sunden und
fellen solten ubereilet werden. Wie künte man
aber hie dem menschen einen besseren radt
geben, denn das er in solcher beschwerung seins
gewissens radt suche bey seinem pfarherrn, der
ihn als ein geschickter und erfarner durch Got-
tes wort tröste und zufridstelle? Umb solchs
radts und trosts willen lassen wir erstlich die
beicht bleiben. Wollen auch dem pfarherrn be-
folhen haben, diesen spruch Pauli wol in diesem
fall zu beherzigen, da er sagt: Lieben brüder, so
ein mensch etwa von einem feil ubereilet würde,
so unterweiset ihn mit sanftmütigem geist, die
ihr geistlich seid, und sihe auf dich selbs, das
du nicht auch versucht werdest, Gala. 6 [1].
Zum andern sol sie bleiben umb der absolution
willen. Denn wiewol die tröstlichen verheissunge
des lieben evangelii allezeit kreftig sein, so sind
sie doch dan zu voran tröstlich, wenn sie durch
den diener des worts zu mir insonderheit geredt

22 Vgl. In epist. ad Hebraeos cap. 10, homilia 17,
4 f.; MSG 63, 132 ff.
23 Die Vermahnung weist große Aehnlichkeit
auf mit der Exhortation in der KO des Her-

werden. So hat auch Christus Matth. 16 [19]
nicht vergeblich gesagt: Was ihr auf erden
auflöset, sol im himel los sein, und was ihr auf
erden bindet, sol im himel gebunden sein. Solche
herliche gewalt der schlüssel, so Christus der
kirchen, die kirche aber dem diener des worts
gegeben hat, zu erhalten, ist abermals, das die
beicht bleibe, fur christlich und gut angesehen,
und wird sich ein ider predicant, das er ein
rechter clavicularius bleibe, wie ihn Chrysosto-
mus22 nennet, in diesem fall selbs wol zu er-
innern wissen. 'Denn je unser meinung ist, das
solche christliche und freiwillige beicht nicht
zu beschwerung, sondern zu rechtschafnem troste
der armen, betrübten und zerschlagenen gewis-
sen geraten sol.
Von der taufe.
Nachdem das hochwirdige sacrament der taufe
durch Christum selbs geboten und eingesetzt
[Mt 28, 19], wir auch in derselbigen vergebung
der sunde sampt dem heiligen Geiste uberkomen
und in die zal der kinder Gottes aufgenomen
werden, so sol solchs sacrament mit grosser
reverenz und andacht in deudscher sprach ge-
halten werden. Es wird auch fur christlich und
gut angesehen, dieweil an diesem sacrament viel
gelegen und menschlicher furwitz zu verachtung
der dinge, so Gott durch Christum eingesetzt,
leichtlich bewegt wird, das bey der taufe alle-
zeit, ehe denn das kind getauft wird, geschehe
diese volgende ermanung.
Ermahnung23.
Lieben freunde! Es bezeugt die ganze schrift,
das wir allesampt von natur in sunden und Got-
tes ungnaden empfangen und geporen sein, und
das uns von solcher ungnad und angeporner
sunde niemand, denn allein unser Herr Jesus
Christus, erretten, erlösen und ledig machen
kan. Dieweil nu dis kindlin in solcher ungnad
zogs Heinrich zu Sachsen von 1539; Sehling
I, 266. Vgl. dieselbe Exhortation auch oben
S. 800 bis „versprochen und verheissen hat“.

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