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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0254
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Northeim

sie bey uns wonen, erleubt sein, doch also, das
sie sich nicht widderumb zu denen halten, damit
sie vorhin unzucht getrieben haben. Denn wo
solchs auf sie gesagt und gebracht würde, sol
die vorberürte straff in macht und kraft bleiben.
Man weis wol, das der ehestand ein frey ding
sein und niemand zum selbigen, wenn er ohn
weib in keuscheit leben kan, gezwungen werden
sol, wie Sanct Paul in der ersten zu den Corin-
thern am 7. [7 f. 27] davon schreibt. Aber nichts-
desteweniger, wenn einer unter dem schein sol-
cher freiheit alle unzucht treiben und einer gan-
zen stad ergerlich sein wölte, so ists nicht un-
billich, das durch die oberkeit mit zeitlichem
rathe oder, wo kein besserung volgt, straffe
solcher unzucht gesteurt werde.
Von der priesterehe53 ist nicht von nöten,
viel wort zu machen; denn es ist bisher davon
so viel geschrieben, das auch die widdersacher
hirin weichen und, das sie von Gott sey, be-
kennen müssen. So hat man nicht allein in die-
sem fall die schrift, so solche ehe leret, sondern
auch die heiligen veter54, so zum teil mit uns
stimmen. Ja, wo ist ein volk unter der sonnen
so ungeschickt, das durch das natürliche liecht
nicht erkennen könne, das der ehestand besser
sey denn das hurenleben? Dieweil nu solchs war
ist, so sol auch bey uns den geistlichen solcher
ehelicher stand unverboten sein.
Es sof auch bey uns die öffentliche unzucht
gemeiner weiber genzlich abgethan und in kei-
nem wege gelitten werden. Denn wer sich in
diesem fall schwach fület, der hat die erzeney
des ehestands, in welchen er sich begeben und
also fur anderer unzucht hüten kan. Und heisset
nicht in diesem fall gemeine heuser aufrichten
und sunde erleuben, sondern die sunde verhütten
und heilig sein, wie S. Paul sagt 1. Thes. 4 [3 f.]:
Das ist der wille Gottes, euer heiligung, das ein
iglicher wisse sein fas zu behalten in der hei-
ligung und ehren etc.

53 Vgl. oben S. 730, Anm. 30.
54 Vgl. z. B. Irenäus, Adv. haer. I, 28; MSG 7,
690. Harvey I, 220 (dort I, 26, 1); Clemens,
Strom. III, 6; III, 12 (79, 1; 84, 2; 85, 1); III, 18

Desgleichen, dieweil sich durch eingeben des
teufels, der solchs stands und erbarkeit sonder-
licher feind ist, in sachen des ehestands viel
unraths zutregt, so sol hinfurt allen jungen Leu-
ten, knechten und megden das heimliche ver-
trauen und verloben55 genzlich verboten, und
wenn sie es darüber on wissen und willen der
eltern56 theten, kraftlos sein. Es sol auch ein
erbar radt solch mutwillig verloben, wenns uber
dis gebot geschehen würde, zu straffen macht
haben.
Zuletst, wenn sich weiter irrunge in solchen
sachen würden zutragen, wie denn viel geschiht,
so sol ein erbar radt hirin verschonet und dem
predicanten zweien herrn des radts zugegeben
werden, solche irrung zu verhören und zu ver-
tragen. Wenn aber dieselbigen weiter raths be-
dürften und die part sich nicht weisen lassen
wolten, so sol der ganze radt ein einsehens
haben, das die part, bey welcher der mangel ist,
recht geben und nemen müsse.
Von beten und fasten.
Dieweil uns von unsern widersachern on unter-
las schuld geben wird, wir verbieten beten,
fasten und alle gute werke, so sol der predicant
mit sonderlichem vleisse dem volke in den pre-
digten, wo es die materi gibt, anzeigen, was
recht beten und fasten sey, warümb im alten
und auch neuen testament die beide wörter,
beten und fasten, gemeiniglich beyeinander ste-
hen, desgleichen, was des gebets, zu weichem
uns der glaub durchs fasten geschickt machet,
kraft sey. Denn das beyde, im fasten und beten,
merkliche heuchley und gros misbrauch sein
könne, gibt Christus Matth. 6 [5. 16] gnugsam
zu verstehen, da er sagt: Wenn du betest, solt
du nicht sein wie die heuchler etc. Item: Wenn
ihr fastet, solt ihr nicht saur sehen wie die
heuchler etc. Wenn solchs vleissig geschicht
durch den predicanten, so wird freilich balde
(108, 1); MSG 8, 1147 ff. 1177 ff. 1185 ff. 1211 f.
GCS 15, 216 ff. 231. 234. 235. 246.
55 Vgl. oben S. 805, Anm. 10.
56 Vgl. oben S. 805, Anm. 11.

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