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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0259
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C7° .... .7-
Trotz Reformationsfeindlichkeit Herzog Erichs d. Ält. und des Rates, der 1525 im Einver-
nehmen mit dem Herzog ein scharfes Mandat gegen Begünstigung der lutherischen Lehre (ge-
druckt bei Schlegel 11, S. 583) erließ, konnte die lutherische Lehre sich 1532/33 doch durch-
setzen, freilich nicht ohne Aufruhr unter der Bürgerschaft, die 1532 die ev. Predigt forderte
(vgl. Blumenberg, S. 18, Bahrdt, S. 18 ff.). Die Unruhen mit erneutem Aufruhr 1533,
vergeblichen Bemühungen um eine Einigung mit dem Herzog und Flucht des Rates (vgl. Blu-
menberg u. Bahrdt) dauerten bis Ende 1533. Da gelang mit Unterstützung der Stadt
Braunschweig, die Hannover zwei evangelische Prediger (vgl. Jacobs, S. 220) und den ev.
gesinnten Juristen Autor Sander (vgl. Tschackert, Sander, S. 15) überließ, die Einfüh-
rung der Reformation. Unter Autor Sander als Syndikus wurde 1534 der Rat neu gewählt und
dabei nur lutherisch gesinnte Männer berücksichtigt (vgl. Bahrdt, S. 62). Die Duldung der
ev. Lehre durch den Herzog erkaufte sich die Stadt am 31. Juli 1534 mit einer stattlichen Geld-
summe.

In demselben Jahr wurde das Kirchenwesen neu geordnet. An der Spitze der Stadtgeistlich-
keit stand fortan der Superintendent (erster Träger des Amtes wurde Rudolf Moller, den man
aus Herford berief: vgl. Bahrdt, S. 82 f.). Mit den fünf anderen Stadtpredigern bildete er
das geistliche Stadtministerium. Eine erste Kirchenordnung wurde ebenfalls 1534 — wahrschein-
lich von Heinrich Winkel, vielleicht auch unter Beteuligung anderer, vielleicht des Georg-
Scarabäus — entworfen: die Vorrede schrieb Urbanus Rhegius. Auf Rat Nikolaus Amsdorfs
wurde sie jedoch nicht veröffentlicht. Die Handschrift ist verloren gegangen (vgl. Bahrdt,
S. 102 ff., Graff, S. 171 f.).
Die maßgebliche Kirchenordnung, die auch heute noch gilt, wurde 1535 von Urbanus Rhe-
gius verfaßt (zum Inhalt vgl. Graff, S. 173 ff., Bahrdt, S. 106 ff., auch Tschackert,
S. 578 f.; zur Agende Graff, S. 178 ff.) und 1536 vom Rat im Druck publiziert: unser Text.
1588 wurde diese Kirchenordnung ein zweites Mal (jetzt zu Lemgo) gedruckt unter Hinzu-
fügung zweier Briefe, eines von Luther und eines von Melanchthon, die der 1534 entworfenen
Kirchenordnung galten (vgl. WA Br. 7, 164 ff.; CR 8, 215; Bahrdt, S. 103 ff.).
Indem die Stadt sich 1536 dem Schmalkaldischen Bund anschloß (vgl. Bahrdt, S. 131 ff.,
Ulrich, Berichte, S. 209), trat sie auch nach außen hin für die evangelische Sache ein.
— Während der Interimsstreitigkeiten 1549 erreichte sie bei Herzog Erich II. durch Zahlung
einer hohen Geldsumme abermals das Zugeständnis freier Religionsübung (vgl. Bahrdt,
S. 134, Ulrich, Berichte, S. 211).

Nach Einführung der Reformation ließ sich der Rat, der bis dahin anscheinend keine grö-
ßere Selbständigkeit in kirchlichen Angelegenheiten besessen hatte (vgl. Büttner), die kirch-
liche Gesetzgebung angelegen sein. In Stadtkündigungen von 1534.1536 und 1544 (vgl. Bahrdt,
S. 135 f., Pufendorf, Observationes juris universi . . . T. IV. Hannover 1770. Appendix S.2I5
—227) verhalf er den neuen Religionsverhältnissen zur rechtlich gesicherten Durchsetzung. Er
gebot die Einhaltung der Predigtzeiten, ordnete die Festtage im evangelischen Sinn, untersagte
die Schmähung der evangelischen Lehre und alles klösterliche Wesen usw. Auch der Regelung
der Ehesachen nahm er sich an. Von den Verordnungen zu den sittlichen Verhältnissen mögen
manche aus früherer Zeit übernommen sein. Jetzt wurde auch das Frauenhausgeschlossen.
Dem Rat war auch die Bestallung der Superintendenten und Prediger vorbehalten. Dem Super-
intendenten lag dann das Examen der Prediger ob. Anscheinend behauptete aber die Bürger-

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