Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0260
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schaft schon seit 1532 eine gewisse Mitwirkung an den Pfarrwahlen, jedenfalls an der Kreuz-
kirche (vgl. Graff, S. 177). Das Amt des Superintendenten bestand, abgesehen vom Predigt-
dienst, in der Beaufsichtigung und Belehrung der Prediger und der Visitation der Schulen (vgl.
den Bestallungsrevers des Mag. Bartholomäus Wolfart, abgedruckt bei Bahrdt, S.118.1.1).
Nach Abgang (anscheinend bald nach seiner Bestallung 1576) des Superintendenten Wolfhart
wurde die Superintendentur aufgehoben (vgl. Strubberg, S. 111, Baring, S. 28). Von jetzt
ab nahm der älteste Stadtprediger als Senior im Ministerium den ersten Platz ein. Auf ihn ging
auch das Ordinationsrecht des Superintendenten über. Die nicht belegte Behauptung F. Uhl-
horns (Kirche u. Schule, S.202), nach der das Amt des Superintendenten nur bis 1555 be-
standen habe, darauf das geistliche Ministerium geschaffen sei, ist zweifelhaft. Zum Seniorat
vgl. Graff, S. 176. Das geistliche Ministerium trat nach außen hin nur in Gemeinschaft
mit dem Rat in Erscheinung (vgl. Graff, S. 177).
Nur eine der drei städtischen Kirchen. St. Crucis. stand von jeher unter dem Patronat des
Rates, die andern beiden, St. Georgii (= Marktkirche) und St. Ägidii dagegen unter dem des
Herzogs. Es gelang dem Rat erst 1574, das Patronatsrecht an diesen beiden Kirchen vom Her-
zog zu erkaufen (Abdruck der betr. Urkunde bei Schlegel, Kirchenrecht IV, 1804, S.513
—516; vgl. hierzu Schlegel II, S. 74 f., Brenneke 2, S. 61).
Auf die geistlichen Stiftungen gewann der Rat nicht sofort Einfluß. Er konnte 1534 bei
den alteingesessenen Ratsfamilien nur erreichen, daß von den in ihrem Besitz befindlichen Rats-
lehen weiterhin soviel zugunsten der Kirchen und Prediger beigesteuert wurde, wie sie bisher
davon dem Sacrificio und den Officianten hatten zukommen lassen (vgl. Bahrdt, S. 75 f.).
Immerliin war es dem Rat möglich, 1538 mit der Angelegenheit eines geistlichen Lehnsregisters
zu beginnen und einige Jahre später zu bestimmen, daß die darin zusammenkommenden Gel-
der, die Renten der Kirchengüter, der Besoldung der Prediger, den Schulen und den Armen zu-
gute kamen und sonstigen ,,Notsachen“ dienen konnten (vgl. Bahrdt, S. 137).
Die Bruderschaften und Beginen fügten sich, abgesehen von mancherlei Auseinandersetzungen
mit dem Rat, größtenteils mehr oder minder rasch in die neuen Verhältnisse (vgl.
Christ. Ulr. Grupen, Origines et antiquitates Hannoverenses . . . Göttingen 1740, S. 361;
Uhlhorn, S. 23 f., Bahrdt, S. 137 f.). Das 1533 von seinen Insassen geräumte Barfüßer-
kloster — das einzige Kloster in den Mauern der Stadt — unterstellte der Rat ohne weitere
Formalitäten und trotz aller späteren Einsprüche der geflüchteten Mönche den Diakonen der
Marktkirche (vgl. Broennenberg, S.521 ff.) und verfügte über das Inventar und die Räum-
lichkeiten; die Kirche selbst blieb wohl den Gottesdiensten erhalten (vgl. Bahrdt, S.138f.).
Besonders verwickelt war der Kampf um den Priester-Kaland, der ursprünglich in der Alt-
stadt an der Marktkirche gestiftet, aber bereits 1388 in die Neustadt verlegt war, die nicht
dem Rat der Altstadt unterstand. Die Herzöge hatten sich besondere Rechte an diesem nun mit
der ihnen unterstehenden Neustädter Pfarrkirche verbundenen Kaland erworben und beanspruch-
ten ihn für sich. Herzog Erich d. Ä. behauptete für die Dauer seiner Herrschaft das katholische
Wesen in der Neustadt. Nach seinem Tode 1540 gelang es dem Rat der Altstadt jedoch, Ein-
fluß auf die Kalandsherren zu gewinnen und schließlich 1543 mit ihnen einen Vertrag abzu-
schließen, dem zufolge die Güter des Kalands nach dem Tode der bisherigen Besitzer zugunsten
kirchlicher Bedürfnisse an den Rat fallen sollten. Trotz aller Einsprüche der Herzogin Elisabeth
blieb es bei diesem Vertrage. den 1553 Herzog Erich d. 7. gegen entsprechende Entschädigung
endlich auch anerkannte (vgl. Brenneke 2. S. 60 mit Anm. 72).

942
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften