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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0266
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Hannover

So wil daraus folgen, das man in der kirchen
ein ernstlich aufmerken haben mus, das die
schaff Christi nicht anstat ihres hirten stimme
eitel wolfsgeschrey hören und unter den hei-
ligen namen: christliche kirche, bischoff, seel-
sorger, jemerlich verfürt werden.
Dis alles können auch unsere widersacher nicht
leugnen. Denn sie fast wol aus der schrift wissen,
wie von der welt schöpfung an allzeit zween
widerspenstig haufen auf erden gewesen, die
nicht eines sinnes und glaubens sind und der-
halb allzeit einander entgegen und sich doch
alle beide des rechten berümpt haben und wöl-
len Gottes volk sein. Also waren Cain und Abel
zween leibliche brüder, aber nicht eins sinnes
und glaubens. Denn Abel was schlecht und ge-
recht und gotsfrüchtig [!], Cain was bösvetig 7a, un-
treu und gottlos. Isaac und Ismael, von einem
vater geborn, konten sich nicht vertragen. Jacob
und Esau waren zwilling, aber sie und auch
ihre nachkomenden waren allzeit zwispaltig. Im
auserlesenen volk Gottes ists auch also gewesen.
Da waren allzeit der mehrer teil rips, raps, böse,
ungleubige leute und daneben etliche frome,
rechte gottesdiener, die Gott dieneten nach sei-
nem wort, als Samuel, David, Asa, Josaphat,
Ezechias, Josias und ihr anhang etc. Es waren
auch falsche gottesdiener, die auch wolten Got-
tes kinder sein. Aber sie dieneten Gott nicht
nach seinem befelh, sondern nach ihrem eigen
gutdünken, als Saul, Achas, Menasse, Amon,
Jehoachas, Jehoiakim, Jerobeam mit ihrem an-
hang etc. Diese wolten auch fur rechte Jüden
und Israeliten gehalten werden und waren dazu
die öberkeit unterm volk Gottes. Aber sie waren
warlich an ihn selbs nicht die rechten Jüden.
Also teilt auch Paulus, Ro. 9 [6 ff.], die Jüden in
zween haufenk. Etliche nennet er Israeliten allein
nach dem fleisch und Jüden allein nach der
eusserlichen beschneidung, das war der rohe,
gottlose haufe, die von ihrem erzvater Abraham
k Zweierley Jüden und Israeliten.
a Die rechte synagoga.
7a = böslistig; vgl. Grimm, Deutsches Wörter-
buch II (1860), 257. H. Fischer, Schwäbisches

nichts anders hatten, denn soviel die fleisch-
lich geburt gibt. Es waren ungeratene kinder,
deren sich der vater beschemen mus. Aber et-
liche nennet er Jüden und Israeliten auch nach
der beschneidung des herzen im Geiste, Ro. 2
[29], und die dem christgleubigen Abraham auch
im glauben ehnliche, als wolgeratene kinder
waren. Und das war die rechte synagogaa, das
ware gottesvolk. Die andern, so Abrahams und
Jacobs glauben nicht hatten, waren im grund
nicht rechte Jüden und Israeliten, noch berümp-
ten sie sich ihres vaters Abrahams und Israels
mehr denn die rechten christgleubigen kinder,
wie wir Johan. 8 [33. 41. 37. 40. 39. 44. 47] sehen:
Wir sind, sprechen sie, Abrahams samen. Gott
ist unser Vater. Aber Christus widerspricht
solchs und sagt ihnen dürr, das sie nicht die
rechten Abrahamskinder seien, wiewol sie nach
dem fleisch vom Abraham kamen. Ich weis
wol (spricht Christus), das ihr Abrahams kinder
seid (verstehe, nach dem fleisch), aber ihr wollet
mich tödten, das hat Abraham nicht gethan.
Seid ihr Abrahams kinder, so thut die werk
Abrahe. Ihr seid aus dem vater, dem teufel,
und wöllet euers vaters lust und willen voln-
bringen. Der war von anbegin ein todschleger
und ist in der warheit nicht gestanden. Wer aus
Gott ist, der höret Gottes wort. Ihr aber hörets
darumb nicht; denn ihr seid nicht aus Gott. Hie
leret je Christus klar zwo geburt: eine aus Gott,
das sind Gottes kinder, die ander aus dem
bösen geist, wie er auch Joh. 1 [Joh 3, 5 f.] leret,
eine geburt aus Gott und eine aus dem fleisch.
Welche nicht widergeborn werden aus wasser
und Geist, die sind fleisch und in des teufels
gewalt. Und die ganze schrift setzt uns zwo
versamlungen fur augen. In der einen regiert
satan, das ist die welt, in der andern regiert
Christus, das ist die ware kirche, in welcher
Christus das heupt ist und alle Christen seine
glieder. So sollen wir ja diese zwey reich und

Wörterbuch I (1904), 1311. - Druckvorlage:
bösnetig.

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