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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0267
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Kirchenordnung 1536

zween haufen wol lernen unterscheiden und nicht
nach der eusserlichen larven und schein richten,
sonst haben wir balde gefeilt und Judam fur
Petrum ergriffen. Es ist ein notwendige lere,
die Paulus Roma. 9. c. [6 ff.] furhelt. Sie sind
nicht alle Israeliten, spricht er, die aus Israel
geborn sind. Es sind auch nicht darumb alle
Israels kinder, die sein same sind, sondern in
Isaac sol dir der same genent sein, das ist, das
sind nicht Gottes kinder, die nach dem fleisch
kinder sind, sondern die kinder der verheissung
werden fur samen gerechnet.
In diesem allem haltens noch unser gegenpart
mit uns; denn sie geben nach, das itzt auch
zweierley haufen seien. Der ein seien ware Chri-
sten, der ander trage allein den namen und
seien nicht Christen, sondern ketzer.
Aber der streit zu dieser zeit ist, welcher
unter diesen zweien, die sich alle beide die
christliche kirche nennen, die ware kirche sey,
obs wir oder sie seien. Darauf ist leichtlich in
gemein geantwortet, das der hauf die ware
christenheit ist, bey welchem das evangelium
Jhesu Christi nach rechtem verstand und die
heiligen sacrament in rechtem brauch gefunden
werden7b. Denn gewislich irret der ander hauf
und ist nicht die rechte kirche. Also sollen wir
die waren kirche (wie Augustinus, De unitate
ecclesie c. 38, schreibt) nicht in menschenlere
und -anweisung weisen und suchen, sondern in
der heiligen schrift.
Nu sprechen die auf des bapsts seiten, sie
haben das rechte evangelium und die christliche
sacramenta, wir aber habens nicht, derhalb seien
wir ketzer.
Wir wöllen die rechte kirche sein. Sie wöllens
auch sein, und sie haben den vorteil, das sie
im gewalt und regiment sitzen, wie fur augen
ist, das, wenn man das eusserliche wesen wil
ansehen, so werden sie fur die kirchen gehalten.
Und wir haben fur der welt kein ansehen. Der-
halben stehet es nu gar daran, das wir beweren,

7b Vgl. Conf. Aug. VII, 1; Apol. VII, 5; Bek. Schr.
59 f. 234 f.

das bey uns das ware evangelium sey und die
sacramenta, wie sie Christus aufgesetzt hat, und
nicht bey der widerpart. Können wir das thun,
so haben wir schon bewert, das wir von der
christlichen kirchen nicht abgewichen, sondern
auch ein stück davon sind, es stehe umb das
eusserliche ansehen, wie es wölle. Das wir uns
aber fur der phariseer saurteig hüten, das thun
wir aus befelh unsers Hern Jhesu Christi [Mt 16,
6], der ist mechtig gnug, sein kleines heuflin
bey der seligmachenden warheit zu bewaren
wider alle anstös, Jüden, philosophos, phariseer,
saduceer, ketzer und tyrannen.
So ist nu unser lere am tag, wie die zu Augs-
purg ist publiciert worden, in welcher sich in
allen artikeln erfindet, das wir leren und gleu-
ben, wie die christliche kirche zur apostelzeit
gelert und gegleubt hat, auch, wie die orthodoxi
oder rechtgleubigen allzeit in der ganzen welt
gegleubt haben, in allen artikeln, so zur selig-
keit zu gleuben nötig sind. Dieweil unsere wider-
sacher solchs verneinen, so sollen sie ihr nein
beweren, das wir in einem oder mehr nötigen
artikeln anders halten, denn die christenheit
allzeit gehalten hat, welchs sie aber nimermehr
thun können. All ihr wehre und klage uber uns
ist den mehrern teil: Die Lutherischen haben
kein ursach und gewalt, verenderung in der reli-
gion anzufahen. Mit prechtigem rhum, wie sie
die eltern brief und prescription haben, die kirche
könne nicht irren, oder es sey in der kirchen
nicht irthum gewesen, sondern alles recht und
ordentlich in der Iere zugangen nach Gottes be-
felh, derhalb sey nicht von nöten gewesen, das
die Lutherischen reformation, besserung oder
enderung in der kirchen furnemen.
So müssen wir beweren, das irthum in der
kirchen sein möge, gewesen und noch sey. Wer
aber daran schüldig ist, das wöllen wir auch
nicht verhalten.
Und das uns von Gott gezime, nachdem uns
der irthum durch Gottes wort eröffnet und
8 De unitate ecclesiae 3, 5. 6.; MSL 43, 394 f.

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