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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0334
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Hannover

uber Gott, sondern diener Gottes, welchen wir
sollen gehorsam sein. Aber wie weit? Paulus,
Tit. 3 [1], antwort: zu einem jeden guten werk.
Hie stecket Paulus dem weltlichen schwerd sein
ziel, wie weit es sich erstrecken sol. Wenn sie
gebieten, das böss ist und nicht one sunde mag
gehalten werden, so gebieten sie nicht aus Got-
tes befelh, sondern stracks wider Gott, ihren
rechten, öbersten lehnherrn. Derhalben ist solch
gebot unbindig. Wie würde es keiserlicher maje-
stat gefallen, wenn die fürsten und oberkeiten
im römischen reich, die ihre gewalt und regalia
vom keiser haben, etwas gebieten und im reich
handeln wolten unter des keisers namen, das
stracks wider den keiser und dem römischen
reich schedlich were? Der keiser würde freilich
sagen: Ich hab euch ja gewalt geben, aber ihr
solt dieselbige nicht wider das römische reich
brauchen, sondern zur fordemis und handhabung
alles gutes. Ich hab euch kein gewalt geben,
wider mich und das keiserliche recht zu han-
deln. Also wird freilich Got, die öberste gewalt,
niemand auf erden gewalt geben, böses zu ge-
bieten und zu thun. Wo aber ein oberkeit wis-
sentlich oder unwissentlich etwas gebeut, das
sunde ist und dem willen des öbersten Herrn
entgegen, so greifet sie weiter, denn ihr be-
folhen ist, und verbindet ihr gebot niemand, wir
mögen und sollen alsdenn mit den aposteln
sagen: Man mus Gott mehr gehorsam sein denn
den menschen. Und hat sich alsdenn solche ober-
keit mit keiner billigkeit zu klagen, das ihr un-
recht geschehe durch die unterthanen. Brauchen
sie aber darüber gewalt, das müssen die Chri-
sten umb ihres Herrn willen leiden und bey dem
evangelio bleiben, es koste gleich leib oder gut;
mehr kan doch ein mensch dem andern nicht

a Augustinus.
b Decreta pontificum.
31a mithellig == übereinstimmend; vgl. Grimm,
Deutsches Wörterbuch VI (1885), 2351.
31b Oft in Hist. eccl., auch in den Märtyrer-
berichten (MSG 20. Schwartz).
32 Commentaria in ep. ad Titum 3, vers. 1. 2;
MSL 26, 590 f.

nemen. Also spricht Christus, Matth. 10 [33]:
Welcher mich fur den menschen verleugnet, des
wil ich auch verleugnen fur meinem Vater, der
im himel ist.
Und in solchen menschengeboten, die dem
evangelio nicht mithellig31a sind, haben sich auch
allzeit die alten Christen auf oberzelte weise
gehalten, wie man liset im Eusebio31b, Hieronymo
super oa. 3 ad Titum32, Augustino3 De natura
boni33, und haben hernach solchs die bepst in
ihre decretab und geistliche recht aus den ob-
erzelten lerern gezogen, als 10 dis. ca. Non
licet34 spricht das geistliche recht: Es gezimet
sich keinem keiser oder jemands, der gottselig-
keit helt, etwas furzunemen wider die göttlichen
gebot. Auch gezimet es niemands, etwas zu
handeln, das den evangelischen, prophetischen
oder apostolischen regeln entgegen ist. Und wei-
ter 11 q. 3 c. Si dominus35: Ist das böss, das der
keiser gebeut, so gib fhm das zu antwort aus
der apostelgesohicht, Act. 5 [29]: Man mus Gott
mehr gehorsam sein denn den menschen. Denn
in den dingen sollen wir unterthenig sein, die
nicht wider Gottes gebot sind.
Und weiter 11. q. 3. c. Qui resistit36: Wenn
der keiser was anders gebeut und Gott etwas
anders, was urteilt ihr? Gott ist die grösser
gewalt. O keiser, hie las nach, du dreuest den
kerker, aber Gott dreuet die helle.
In summa: Wir haben zween herrn, unsern
Gott im himel und die weltliche gewalt auf
erden. Die weltliche gewalt ist von Gott ein-
gesetzt, nicht, das gute zu verbieten, sondern
das böse, und ist Gottes dienerin. Derhalben
sol sie fur allen dingen auf Gottes willen und
wort sehen, das sie alle ihr regierung zur ehre
götliches namens und fordernis der unterthanen

33 De natura boni 32; MSL 42, 561. CSEL 25, 870 f.
34 Decr. Grat. I, dist. X, c. 2; Friedberg 1,19 f.
35 Decr. Grat. II, caus. XI, quest. III, c. 93;Fried-
berg I, 669.
36 Decr. Grat. II, caus. XI, quest. III, c. 97;Fried-
berg I, 670.

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