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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0342
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darauf zu haben glaubte. Der Ansftruch wurde ihm aber von der Lüneburger Linie streitig
gemacht, und 1617 mußte die Wolfenbütteler Linie, der Entscheidung des kaiserlichen Ho-
fes folgend, das Fürstentum Grubenhagen an die Lüneburger herausgeben.
Aus dem nicht sehr reichlich überlieferten Quellenmaterial ergibt sich, daß Philipp I. 1526
im Torgauer Bündnis sich durch seine Unterschrift zur evangelischen Sache bekannte, aber
vorerst nichts dazu tat, der neuen Lehre in seinem Lande Eingang zu verschaffen. Wahrschein-
lich standen dem entgegen: sein Bruder Erich, Bischof zu Paderborn und Osnabrück, die hart-
näckig Widerstand leistenden Kanonikatstifter in Einbeck und die noch katholisch gesinnten
welfischen Nachbarn: Herzog Erich I. in Calenberg und Heinrich d.J. in Wolfenbüttel, ferner
der Erzbischof von Mainz. In den Ende der zwanziger Jahre geführten Kämpfen zwischen der
Stadt Einbeck und ihren Stiftern verhielt Philipp I. sich indifferent, ermöglichte dadurch aber
immerhin, daß sich in Einbeck das Luthertum durchsetzen konnte. Seit dem Tod seines Bru-
ders Erich 1532 scheint Philipp I. sich offener zum Evangelium bekannt zu haben (vgl. Max
II, S. 188). In diesem Jahr wurde die Reformation des Klosters Katlenburg begonnen und wahr-
scheinlich auch durchgeführt (vgl. Max II, S. 149,188). Ein Jahr darauf verließen die Mönche
das Kloster Pöhlde und wandten sich nach Duderstadt (vgl. Max II, S. 168 f., 189). Max (II,
S. 169, 190) vermutet, daß der Herzog schon 1532 auch das Jacobikloster zu Osterode refor-
miert habe. Die Vermutung läßt sich nicht erweisen. Sftätestens 1535, als Herzog Philipp I.
seine Gemahlin Katharina dort beisetzen ließ, muß die Klosterkirche aber der Verkündigung
evangelischer Lehre gedient haben (vgl. Müller, S. 29,41). Jedenfalls muß Philipp diese drei
Klöster, außerdem das noch junge, gar nicht erst zu Bedeutung gelangte Barfüßerkloster in
Osterode, für Neuaufnahmen gesperrt haben. Er beschlagnahmte ihre Güter, sicherte den der-
zeitigen Nonnen aber bis zu ihrem Lebensende ihre Versorgung. Über die Gebäude verfügte
das Herzogshaus sehr bald anderweitig (vgl. Max II, S. 149, 162 f., 189, Müller, S. 29 f.).
Diese Maßnahmen lassen erkennen, daß Herzog Philipp I. in seinem Ländchen die evan-
gelische Lehre einführen wollte, soweit sein Einfluß und seine Rechte reichten. Sie fehlten ihm
in den Städten Einbeck und Osterode sowie in dem Flecken Salzderhelden, den die Herzogin
Elisabeth, die Witwe Heinrichs IV., als Witwensitz innehatte. Die Einführung der Reforma-
tion in Salzderhelden gelang erst nach dem Tod Elisabeths 1541 (vgl. Max II, S. 205). Wäh-
rend Einbeck die evangelische Lehre bereits selbständig angenommen hatte, blieben die beiden
Kollegiatstifter dort noch lange katholisch (vgl. unten „Stadt Einbeck“). Osterode verschaffte
der lutherischen Predigt 1537 durch Berufung des Predigers Andreas Domeyer aus Goslar offi-
ziell Eingang, allem Anschein nach ohne Zutun des Herzogs (vgl. Müller, S. 39 ff.).
Die unklaren Verhältnisse in Einbeck führten zu Streitigkeiten zwischen Herzog und Stadt.
nicht zuletzt um den Besitz der Güter der geistlichen Stiftungen. Durch Vermittlung des Schmal-
kaldischen Bundes kam es am 20. Juni 1537 zu einem Vertrag zwischen den Parteien, in dem
der Herzog verpflichtet wurde, die Reformation in den Kollegiatstiftern durchzuführen. Die
Abgesandten des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen versprachen, durch sächsische Theo-
logen eine KO aufstellen und dem Herzog zukommen zu lassen.
Der Entwurf zu einer Stiftsordnung von Fridericus Myconius liegt im Staatsarchiv Weimar
(Sign. Reg. Ii 2903). Jedoch ist er im Anfang stecken geblieben und, wenn überhaupt, nur in
beschränktem Umfange zur Anwendung gekommen. (Er befaßte sich — wahrscheinlich aus Un-
kenntnis der Sachlage — auch nur mit einem Stift.) Die tatsächlich zustandegebrachte und
offenbar einem Landtag zu Einbeck am 6. Juni 1538 zur Annahme vorgelegte KO ist von
Kayser 1896 wieder aufgefunden und veröffentlicht worden. Sie betrifft nicht nur, wie
Schloemer (S. 197 ff.) wollte, die Kollegiatstifter zu Einbeck, sondern auch die Klöster

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