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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0422
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Grubenhagen

mißwachs der früchte, erschreckliche ungewit-
ter, pestilenz und andere schwere seuche und
plagen uns fühlen und mit der that erfahren
lesset, zudem sich auch sonsten viel wunder-
liches dinges teglich reget, dadurch unserm lie-
ben vaterland und ganzem Deutschland grosser
jammer durch krieg und unfried (welches Gott
in gnaden verhüten wolle) zustehen möcht, so
sollen getreue prediger umb soviel mehr ihren
gemeinen und pfarrvolk zur busse und zum ge-
bet fleissig und ernstlich vermanen und an-
haltenf.
Weil5 auch der alte christliche und jetziger
zeit hochnötiger brauch bitzhero also gehalten,
das man zur erinnerung deß gebets und erhal-
tung deß reinen, seligmachenden worts und zeit-
lichen friedens morgens, mittages und abends an
die glockeng schleget oder pro pace leuthet6,
so sollen die pastores daran seyn, das die opper-
leute solches nicht verseumenh, auch davon das
volk oftmals unterrichten und vermanen, das ein
jeglicher seine kinder und gesinde dahin ge-
wehne und anhalte, das sie, wan der glocken-
schlag gehöret wird, beyde, in den häusern und
wo sie sonsten im felde, auf der gassen oder an
ihrer arbeit sind, das Erhalt uns, Herr, bey dei-
nem wort, und Verleihe uns friede gnädiglich,
und was dergleichen mehr ist, neben dem Vater
unser mit andacht und von herzen sprächen und
mit ernstem seufzen also semptlich Gott in seine
arme und ruthen fallen, so wird sonder zweifel
der gnädige Gott viel seines gefasten zorns sin-
ken und fallen lassen und mit aller gnaden und
väterlichem segen sich zu uns kehren.

Was die eusserliche ubung des gottesdienstesi
und christliche ceremonien belangend, sollen die-
selbigen mit gebürlichen modestien und beschei-
denheit ordentlich und gleichstimmend gehalten
und nichts neues von niemand erdacht oder für-
genommen werden7, sondern sobald man aus-
geleutet (darnach sich das volk sol richten und
zur kirchen kommen), anfahen zu singen, nach
dem Veni sancte8 einen psalm, wie der zum
evangelio dienlich, darauf das Kyrie und Allein
Gott in der höhe sey ehr, darnach ein gebet mit
der epistel. Nach der epistel sol abermal ein
psalm gesungen werden und dan das evangelium,
darauf den glauben und dan die predigte, die
nur (damit die leute nicht uberdrüssig werden,
sondern außwarten und etwas daraus behalten
mögen) eine stunde weren sol.
Nach der predigt sol man abermal einen kur-
zen psalm singen, denselbigen mit einem gebete
und der benediction beschliessen.
Auf die hohen festag sollen die herrlichen und
feinen gesengek, wie die im gesangbüchlein D.
Martini Lutheri9 geschrieben, dem allerhöchsten
zu ehren gesungen werden.
Und wan communicanten fürhanden, sollen sich
die pastores nach gethaner predigt laut der agen-
den10 zu verhalten wissen. Es sollen auch alle
pfarherrn und opperleut, damit der gemeine mann
nicht geärgert, gemeiner krüge a (soferne sie nit
ehehafter noth wegen oder von ehrlichen leuten
gefordert, dahin gehen müssen) genzlich bey ver-
lust ihres ampts sich enthalten.
Dieweil auch oftmals die opperleut sich uber
ihre pfarherr erheben, stolzieren, ungehorsam

f Vermanen geschicht; busse thut man nit.
g Betglocken.
h Wird oftmals von nachlessigen opperleuten hindenangesetzt und verseumet.

i Wie man an Sontagen das ampt halten sol.
k Festgesenge.
a Schenken und offentliche taberne zu meiden.
5 Folgendes ist ebenfalls der Grubenhagener
KO von 1581 entnommen, schließt dort jedoch
nicht unmittelbar an den vorigen Abschnitt
an; vgl. oben S. 1047 f.
6 Vgl. oben S. 1047, Anm. 27.

7 Hier wird die genannte Vorlage verlassen.
8 Wackernagel I, Nr. 281.
9 Vgl. oben S. 897, Anm. 6.
19 Vgl. oben S. 1066 ff., dazu S. 1027.

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