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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0465
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Kirchenordnung 1581

Absolutio54.
Der allmechtige Gott hat sich deiner erbarmet,
und durch das verdienst des leidens, sterbens
und der auferstehung unsers Herrn Jhesu Chri-
sti, seines geliebten Sohns, verkündige ich dir
vergebung aller deiner sünde in dem namen
des Vaters, des Sohns und des heiligen Geistes.
Amen. Gehe hin im friede.

Diese obberürte beichthendel können von ver-
nünftigen pastorn nach gelegenheit weitleuftiger
erstrecket werden.
Es sollen die pastorn dem beichtvolk nicht ge-
stadten, das sie so nahe auf sie zudringen, son-
dern sie heissen in die stüle niedersitzen und
beten, biß das der pastor einen nach dem andern
hören und unterrichten möge.
Nachmals wollen wir unsern pastorn und pre-
digern ernstlich auferlegt und geboten haben,
das sie sich der hochschedlichen unordnung, da-
mit etliche pastorn ein zeitlang umbgangen und
zu zeiten zwo, drey, vier, fünf und mehr per-
sonen, auf einmal zu absolvieren, für sich ge-
nommen, sollen enthalten und nemen ihn die zeit
dazu, damit sie einen jeden recht hören und unter-

54 Vgl. zur Absolutionsformel oben S. 790 und
Waldeck’sche KO v. 1556.
55 In der reformierten Kirche erhielt die all-
gemeine Beichte und Absolution den Vorzug.
Zwingli verwarf Privatbeichte und -absolu-
tion als kirchliche Einrichtung überhaupt.
Er argumentierte, daß die Erlangung der
Sündenvergebung allein vom Glauben des
Menschen abhinge und niemals von einem
priesterlichen Zuspruch. Gott allein könne
Sünden vergeben, und der Gläubige beichte
alle Tage vor Gott (vgl. Uslegung des L.-LII.
artikels; Schuler-Schultheß I, 379 ff. CR
LXXXIX, 363 ff. Dazu R. Staehelin, Huld-
reich Zwingli. Sein Leben u. Wirken I. 1895,
294). Oekolampad setzte Schlüsselgewalt mit
Verkündigung des Gotteswortes gleich und
folgerte, Auf- und Zuschließen hänge nicht
vom Menschen ab, sondern vom wirksamen
Wort im Munde des Predigers, das Gott
geben müsse (Gegenschrift gegen Jacobi La-
tomi De confessione secreta. 1525. Vgl. dazu
E. Staehelin, Das theol. Lebenswerk Johannes
Oekolampads. Quellen u. Forschungen z. Re-
formationsgesch. XXI. 1939, 259 ff.). Zwingli
nahm 1525 in Zürich, Oekolampad 1529 in

richten mögen, auf das nicht der Zwinglianer
und Calvinisten confusion und unordnung55 ein-
reisse und keiner an seiner seelen heil verseumet
werde und alle ding fein und ordentlich in der
kirchen Gottes mögen erhalten werden. So un-
sere pastorn solches verachten und demselben
nicht würden nachkommen, sollen sie von unsern
inspectorn eines jeden ampts verzeichnet und un-
serm verordneten consistorio angetragen werden.
Es können auch die pastorn die kaspelsleute
vermanen, das die ihrer gelegenheit nach auch
auf den Freytag zur beicht kommen, das es dem
pastori des Sonnabends nicht zu schwer fürfalle.
III.
Von den früpredigten oder metten in den
stedten und flecken.
In den stedten und flecken, da die frühpredigt
geschicht, sol man des morgens halbweg fünfen
leuten, und sol der schulmeister mit den knaben
in den chor gehen und singen aus dem psalterio
Davidis zweene psalmen, wo sie kurz sein, und
so der psalm lang ist, nur einen allein, mit einer
antiphen de tempore. Darauf sol ein knabe aus
dem alten testament56 eine lateinische lection
Basel die sog. Offene Schuld in den Abend-
mahlsgottesdienst auf. Calvin verwarf die
Privatbeichte nicht ganz, aber: „Ita nulla
esset absolutio, nisi ad verba eius, qui iudi-
candus est, restricta. Adde, quod tota solvendi
ratio ex fide et poenitentia constat: quae
duae res cognitionem hominis fugiunt, ubi
de altero ferenda est sententia. Sequitur ergo
ligandi et solvendi certitudinem non subiici
terreni iudicis arbitrio, quia minister verbi
... non potest nisi conditionaliter absolvere“
(Inst. III, 4, 18; CR XXX, 472. Vgl. dazu Inst.
III, 4, 23, auch III, 4, 12. 14. 22; CR XXX, 475
f. 465 f. 467 f. 474 f.). Vgl. G. Rietschel-P. Graff,
Lehrbuch d. Liturgik II2. 1952, 819 ff.; I2.1951,
355. 357; ferner Caspari, RE3 2, 538 u. Drews,
RE3 14, 348 f.
56 Eine alttestamentliche Lesung sehen hier auch
die KO Herzog Heinrichs zu Sachsen v. 1539
(Sehling I, 271), die Mecklenburger KO v. 1552
(Sehling V, 197), auch die Spiegelbergische
KO v. 1571 (Sehling VII) vor, während die
Lüneburger KO v. 1564 (Sehling VI, 1, 542)
und die Wolfenbüttler KO v. 1569 (Sehling VI,
1, 142), ebenso die Oldenburger KO v. 1573
(Sehling VII) die Sonntagsepistel lesen lassen.

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