Kirchenordnung 1581
gen. Darnach sol der pastor aufsteigen und die
stück des catechismi dem volk fürlesen und zu
zeiten ein gebot zu erkleren für sich nemen. Und
dieweil er uber der erklerung desselben gebots
ist, sol er nach gethaner predigt mit den kin-
dern das examen halten des ersten teils des
catechismi der zehen gebot und treiben dieselben
mit der kurzen erklerung Lutheri90. Und wenn
er uber der verhandlung des glaubens ist, sol er
mit den kindern das examen der artickel des
glaubens fürnemen und so fort, biß das der ca-
techismus geendet ist.
Auch sollen knechte und megde bey solchem
examine sich finden lassen und mit examiniret
werden. Und sol den hausvetern durch die visita-
torn ernstlich geboten werden, das sie ihre kin-
der, knechte und megde alle Sontag zur predigt
des catechismi und zum examen komen lassen.
Es sol keine andere form der fragen und ant-
wort im catechismo gebraucht noch zugelassen
werden denn eben dieselbe, welche im catechismo
Lutheri verfasset und begriffen ist, und sollen
andere verdechtige catechismibüchlein90a hiemit
abgeschnidten und verworfen sein. Nach endung
des examinis sol man beten und nach dem gebet
singen Christ, der du bist der helle tag91, oder
sonst einen feinen psalm und mit der collect
und segenen oder dem gebet beschliessen.
90 Kl. Kat.; Bek. Schr. 507 ff.
90a Damit, daß Luthers Kleiner Katechismus sym-
bolische Geltung erlangte, verdrängte er in
den lutherischen Gebieten mehr und mehr
die kaum noch übersehbare und kontrollier-
bare Fülle der Katechismen und wurde so
gleichzeitig ein Kampfmittel namentlich gegen
den Kryptocalvinismus. — Von den krypto-
calvinistischen Katechismen wird hier be-
sonders an Christoph Pezels „Kurtze vnd
Notwendige Fragen vnd Antwort ...“ v. 1571
zu denken sein. Dieser damals in Wittenberg
eingeführte Katechismus sollte neben dem
schwer verdrängbaren Katechismus Luthers
benutzt werden, öffnete in der Lehre von
den Sakramenten aber deutlich dem Calvinis-
mus die Tür. Pezel, der dem Mitverfasser
unserer KO, dem wegen seines Luthertums
in Bremen suspendierten Glanäus, 1581 im
Amt nachgefolgt war, führte diesen Ka-
Die pastorn sollen mit fleis erhalten die psal-
men, so vom Doctore Luthero gemacht und man
von anfang des evangelii gehabt und gesungen,
und dieselben fleissig treiben und grossen fleis
dran wenden, das die leute in der kirchen stets
den andern verß singen mögen und der chor so
lang schweigen. Zu solcher beförderung kan man
ein bar knaben unter dem volk stehen oder sit-
zen lassen, die da singen und sich die leute bey
denselben also zum singen gewehnen. Man mag
auch wol andere christliche gesenge, sofern sie
rein und Gottes wort gemeß sein, gebrauchen,
doch der neuerung nicht zuviel machen noch die
alten geseng verwerfen. Dann es befindet sich,
wo jederman tichter sein und seine eigene ge-
seng machen und gebrauchen wil, das leichtlich
irrung mit einwurzeln mögen.
VI.
Von den vierzeitenfesten92.
Auf den vierzeitenfesten sol man das meßampt
in unsern kirchen, da man es haben kan, durch-
aus latine, mit dem introitu, Kyrie eleyson, gloria
in excelsis, collecten, episteln, sequentien, evan-
gelien etc. halten, doch das die gewönlichen
deudsche psalm, welche auf die fest verordnet
(damit auch die kirche singe), nicht vergessen
werden.
techismus später in umgearbeiteter Form
auch in Bremen ein. Vgl. J. M. Reu, Quellen
z. Geschichte d. Katechismusunterrichts II,
1. 1911, 34* f.; II, 2. 1911, 156 ff.; III, 1, 2. 1935,
653* ff. Aber bereits 1573 hatte sich der phi-
lippistische Bremer Superintendent Mening
gegenüber Glanäus auf Pezels „Wittenberger
Fragstücke“ berufen; vgl. J. Moltmann, Krypto-
calvinismus und Kirchenreform bei Christoph
Pezelius. Göttinger Habilitationsschrift 1957
(erscheint demnächst im Druck). Von den
reformierten Katechismen sind hier außer dem
Heidelberger K. bes. die ostfriesischen und
die in den niederländischen Emigrantenge-
meinden gebräuchlichen Katechismen zu nen-
nen; vgl. im einzelnen J. M. Reu, a. a. O. III,
1, 2, 663* ff.; III, 2, 3, 1924, 1103 ff.
91 Wackernagel III, Nr. 1037.
92 = Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Mi-
chaelis.
1151
gen. Darnach sol der pastor aufsteigen und die
stück des catechismi dem volk fürlesen und zu
zeiten ein gebot zu erkleren für sich nemen. Und
dieweil er uber der erklerung desselben gebots
ist, sol er nach gethaner predigt mit den kin-
dern das examen halten des ersten teils des
catechismi der zehen gebot und treiben dieselben
mit der kurzen erklerung Lutheri90. Und wenn
er uber der verhandlung des glaubens ist, sol er
mit den kindern das examen der artickel des
glaubens fürnemen und so fort, biß das der ca-
techismus geendet ist.
Auch sollen knechte und megde bey solchem
examine sich finden lassen und mit examiniret
werden. Und sol den hausvetern durch die visita-
torn ernstlich geboten werden, das sie ihre kin-
der, knechte und megde alle Sontag zur predigt
des catechismi und zum examen komen lassen.
Es sol keine andere form der fragen und ant-
wort im catechismo gebraucht noch zugelassen
werden denn eben dieselbe, welche im catechismo
Lutheri verfasset und begriffen ist, und sollen
andere verdechtige catechismibüchlein90a hiemit
abgeschnidten und verworfen sein. Nach endung
des examinis sol man beten und nach dem gebet
singen Christ, der du bist der helle tag91, oder
sonst einen feinen psalm und mit der collect
und segenen oder dem gebet beschliessen.
90 Kl. Kat.; Bek. Schr. 507 ff.
90a Damit, daß Luthers Kleiner Katechismus sym-
bolische Geltung erlangte, verdrängte er in
den lutherischen Gebieten mehr und mehr
die kaum noch übersehbare und kontrollier-
bare Fülle der Katechismen und wurde so
gleichzeitig ein Kampfmittel namentlich gegen
den Kryptocalvinismus. — Von den krypto-
calvinistischen Katechismen wird hier be-
sonders an Christoph Pezels „Kurtze vnd
Notwendige Fragen vnd Antwort ...“ v. 1571
zu denken sein. Dieser damals in Wittenberg
eingeführte Katechismus sollte neben dem
schwer verdrängbaren Katechismus Luthers
benutzt werden, öffnete in der Lehre von
den Sakramenten aber deutlich dem Calvinis-
mus die Tür. Pezel, der dem Mitverfasser
unserer KO, dem wegen seines Luthertums
in Bremen suspendierten Glanäus, 1581 im
Amt nachgefolgt war, führte diesen Ka-
Die pastorn sollen mit fleis erhalten die psal-
men, so vom Doctore Luthero gemacht und man
von anfang des evangelii gehabt und gesungen,
und dieselben fleissig treiben und grossen fleis
dran wenden, das die leute in der kirchen stets
den andern verß singen mögen und der chor so
lang schweigen. Zu solcher beförderung kan man
ein bar knaben unter dem volk stehen oder sit-
zen lassen, die da singen und sich die leute bey
denselben also zum singen gewehnen. Man mag
auch wol andere christliche gesenge, sofern sie
rein und Gottes wort gemeß sein, gebrauchen,
doch der neuerung nicht zuviel machen noch die
alten geseng verwerfen. Dann es befindet sich,
wo jederman tichter sein und seine eigene ge-
seng machen und gebrauchen wil, das leichtlich
irrung mit einwurzeln mögen.
VI.
Von den vierzeitenfesten92.
Auf den vierzeitenfesten sol man das meßampt
in unsern kirchen, da man es haben kan, durch-
aus latine, mit dem introitu, Kyrie eleyson, gloria
in excelsis, collecten, episteln, sequentien, evan-
gelien etc. halten, doch das die gewönlichen
deudsche psalm, welche auf die fest verordnet
(damit auch die kirche singe), nicht vergessen
werden.
techismus später in umgearbeiteter Form
auch in Bremen ein. Vgl. J. M. Reu, Quellen
z. Geschichte d. Katechismusunterrichts II,
1. 1911, 34* f.; II, 2. 1911, 156 ff.; III, 1, 2. 1935,
653* ff. Aber bereits 1573 hatte sich der phi-
lippistische Bremer Superintendent Mening
gegenüber Glanäus auf Pezels „Wittenberger
Fragstücke“ berufen; vgl. J. Moltmann, Krypto-
calvinismus und Kirchenreform bei Christoph
Pezelius. Göttinger Habilitationsschrift 1957
(erscheint demnächst im Druck). Von den
reformierten Katechismen sind hier außer dem
Heidelberger K. bes. die ostfriesischen und
die in den niederländischen Emigrantenge-
meinden gebräuchlichen Katechismen zu nen-
nen; vgl. im einzelnen J. M. Reu, a. a. O. III,
1, 2, 663* ff.; III, 2, 3, 1924, 1103 ff.
91 Wackernagel III, Nr. 1037.
92 = Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Mi-
chaelis.
1151