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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band: Niedersachsen ; 2. Hälfte): Die welfischen Lande: Halbbd. 2, Die Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen mit den Städten Göttingen, Northeim, Hannover, Hameln und Einbeck. Die Grafschaften Hoya und Diepholz. Anhang: Das freie Reichsstift Loccum — Tübingen, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.30041#0517
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Kirchenordnung 1581

in den stedten und flecken aber, da man fast
bey der kirchen wohnet, umb eilf uhr in seine
gebürliche kaspelkirchen ankommen36a und allda
den pastorn sich zusammengeben lassen sollen.
So man aber solches verachten und die ankunft
darüber lange verziehen würde, sollen die pa-
storn zu copuliren unverbunden sein.
Zum eilften ordnen wir, das kein unbusfertiger
sünder, so mit offentlichen lastern beschmitzet
ist und darin unbusfertig verharret oder sonst
ein verechter Gottes und seines heiligen nacht-
mals ist, es sey des breutgams oder der braut
vater, bruder, vetter oder freund oder auch ein
frembder, den breutgam oder die braut zur kir-
chen füren sol.
Zum zwölften36b: Dieweil man auch breutgam
und braut mit trummeln und pfeifen nach ge-
wonheit zur kirchen füret, ordnen wir, das die
trummelschleger und spielleute vor dem kirch-
hofe mit spielen aufhören, damit die gottesdienst
unverhindert und die kirchhöfe als ruhestedte
der gleubigen durch solche weltliche leichtfertig-
keit nicht prophaniert und geunehret werden
mögen.
Zum dreyzehenden: Nachdem sich auch an
etlichen örtern dieser graffschaft diese unord-
nung findet, das der breutgam durch etliche für
sich hergehende jungfrauen zur kirchen gefüret
wird, wollen wir solches aufgehoben und ab-
geschafft haben, und sol der breutgam mit mans-
personen, knechten und jungen gesellen, so zur
wirtschaft36c geladen sein, ordentlich zur kirchen
kommen. Deßgleichen sol die braut durch ihren
vater und bruder oder zweyen von ihren nech-
sten freunden und christlichen blutverwandten
zur kirchen gefüret werden, und sollen ihr die
jungfrauen und megde fein ordentlich vorgehen

36a Anstelle des hier vorhergehenden Textes heißt
es in KO 73, Art. XVII, Sect. IV (Richter II,
357): daß braut und breutigamb jeder mit
seiner freundschaft zue neun uhren in ihre
gewöhnliche kerspelßkirchen ankommen.
36b Folgende Bestimmung entspricht KO 73, Art.
XVII, Sect. IV (Funck, 160. Richter II, 357).
36c Wirtschaft = Hochzeit; vgl. Grimm, Deut-
sches Wörterbuch XIV, 2, 5 (1937), 661.

und auch nach geendeter copulation in gleicher
ordnung wieder zu haus gehen. Wenn die braut
eine frau ist, sol sie nicht durch jungfrauen
oder megde, sondern durch weibspersonen zur
kirchen gefüret werden.
Zum vierzehenden befindet sich, das die breut-
gam auf den dörfern sampt ihren freunden und
gästen mit spiessen und andern wehren zur kir-
chen gehen und dieselben auf den kirchhöfen
ablegen. Solchen gebrauch wollen wir auch genz-
lich verboten haben, und so sie wehren uber
feld zu solcher zeit tragen würden, sollen sie
die in dem kirchdorfe in der leute heuser setzen
und ohn gewehr fein ordentlich zur kirchen
gehen. Deßgleichen, weil wir auch erfaren, das
die manspersonen und junge gesellen ihre büch-
sen, spiesse, degen, barten37 und dergleichen
wehren mit auf die hochzeit bringen und oft
bey dem trunke unwillen erregen, darauf mord
und todtschlag erfolget, wollen wir ernstlich ge-
boten haben, das die geste, so zur wirtschaft ge-
laden, berürte wehren sollen zu haus lassen oder
dieselben in andern heusem niederlegen. Da man
aber bey ihnen solche wehren finden wird, sol-
len die ihnen von unsern vögten des orts genom-
men und auf unsere heuser oder festung ge-
bracht werden.
Zum funfzehenden: Dieweil wir auch erfaren,
wie etliche unsere unterthanen aus grosser leicht-
fertigkeit und zu verachtung des ehestands nach
der copulation sich untereinander mit feusten
schlagen37a und also nerrisch gegen dieser ord-
nung Gottes stellen, als were es ein fastelabend-
spiel, so wollen wir solche leichtfertigkeit hiemit
ernstlich verbotten haben.
Zum sechzehenden gebieten wir, das man keine
hochzeit auf die Sontage und ganze heilige tage37b
37 Barte, eigentlich = spitzer oder schneiden-
der Teil eines Werkzeugs mit einem bart-
ähnlichen Widerhaken. Man pflegte mit der
„Barte“ zu hauen und zu werfen; sie diente
dem Zimmermann wie dem Krieger; vgl.
Grimm, Deutsches Wörterbuch I (1854), 1143 f.
37a So auch KO 73, Art. XVII, Sect. V (a.a.O.).
37b KO 73, Art. XVII, Sect. VIII (a.a.O.) verbietet
Hochzeiten am Sonnabend und Freitag.

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