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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 25. Januar 2008
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Debatin, Klaus-Michael: Zelltod: Konzepte, Signalwege, Krankheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0055
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68 | SITZUNGEN

deckung der Programme für den programmierten Zelltod (in Caenorhabditis elegans)
wurde unter anderem 2002 mit dem Nobelpreis für Medizin und Phsyiologie aus-
gezeichnet.
Wir haben Mitte der 80er Jahre in Heidelberg in einem gemeinsamen Projekt
mit Prof'. Dr. Peter Krammer vom DKFZ versucht, das Wachstum von Leukämiezel-
len durch Antikörper gegen Oberflächenstrukturen zu hemmen. Es gelang, über
einen solchen Antikörper eine Oberflächenstruktur zu identifizieren, die nicht nur
Zellwachstum blockierte, sondern Zelltod auslöste. Zu diesem Zeitpunkt war das
Phänomen Apoptose zwar beschrieben, die „Molekülsprache“ war jedoch noch
nicht entschlüsselt. Die von uns entdeckte Oberflächenstruktur wurde Apo-1
genannt und ist Teil einer Familie verschiedener Todesrezeptoren, die nach Bindung
des entsprechenden Liganden, der von anderen Zellen auf der Oberfläche getragen
oder sezerniert wird, das Zelltodesprogramm in der Zielzelle einläuten. Diese 1989
gemachte Entdeckung hat das Verständnis des phyiologischen Zelltodes nachhaltig
beeinflusst. Heute verstehen wir sehr gut, wie und mit welchen Signalwegen dieses
zelluläre Programm abläuft. Neben der Stimulation durch Todesrezeptoren und ihre
Liganden, die von außen ausgelöst wird, kann der programmierte Zelltod oder die
Apoptose auch durch intrinsische Signale auf der Ebene von Mitochondrien aus-
gelöst werden, die eigentlich als Kraftwerke der Zelle fungieren.
Bei sehr vielen Erkrankungen findet ein Zuviel oder Zuwenig an Zelltod statt.
Das Zuviel an Zelltod ist für jeden unmittelbar am Beispiel von Herzinfarkt, Gehir-
ninfarkt, Leberversagen und Knochenmarkversagen nachvollziehbar. Aber auch bei
der HIV-Infektion scheint ein überstürzt ablaufender Zelltod in den Zellen des
Immunsystems für die Ausbildung der Krankheit, die Infektionsanfälligkeit der Pati-
enten und schlussendlich den völligen Zusammenbruch der Körperabwehr, verant-
wortlich zu sein. Ein Zuwenig an Zelltod ist Grundlage für die Entstehung und Ent-
wicklung von Tumorkrankheiten, findet sich jedoch aber auch bei Erkrankungen,
bei denen das Immunsystem sich gegen das körpereigene Gewebe richtet, weil ent-
sprechende Abwehrzellen nicht eliminiert wurden. Großen Aufschluss über die
Rolle von apoptoseregulierenden Genen und deren Signalwegen haben auch gene-
tische Analysen bei Mäusen gebracht, die gezeigt haben, dass Defekte bei der
Apoptoseregulation zu ungeordnetem Wachstum insbesondere im Immunsystem, zur
Entwicklung von Autoimmunität oder umgekehrt zum Zusammenbrechen des blut-
bildenden Systems und gestörter Gehirnentwicklung führen können.
Zentrum unserer Arbeiten war insbesondere die Frage, welche Störungen der
Selbstmordprogramme in Tumorzellen vorliegen — diese Zellen wachsen ja unkon-
trolliert — bzw. wie das Selbstmordprogramm in Tumorzellen ausgelöst werden kann.
Dabei haben wir nicht nur zum ersten Mal beschrieben, dass über den Zelltodesre-
zeptor Apo-1 in Leukämiezellen Zelltod ausgelöst werden kann, sondern im weite-
ren Verlauf auch entdeckt, dass Tumortherapie durch Krebsmedikamente wie
Zytostatika insbesondere dann gut wirksam ist, wenn Zelltodesprogramme zum Bei-
spiel über den Apo-1 Signalweg in Tumorzellen noch intakt sind. Grundsätzlich sind
Krebszellen und Leukämiezellen beim Patienten ja nicht resistent gegen die von uns
durchgeführten Therapien. Gerade in meinem eigenen Fachgebiet, der Pädiatrischen
 
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