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SITZUNGEN
ihren spezifischen Vorlieben und Aversionen in den Evaluationsprozess ein: der eine
hält von Habilitationen oder besonderem Engagement in der Grundlehre gar nichts,
der andere aber sehr wohl, dem einen ist die Produktivität, dem anderen die gesell-
schaftliche Relevanz, die Originalität oder die internationale Aufmerksamkeit beson-
ders wichtig, der eine liebt selbstbewusstes, selbstsicheres, der andere eher bescheide-
nes Auftreten, etc. Die evaluierenden Peers sind Menschen, entsprechend spielen hier
auch die normalen menschlichen Schwächen wie Geltungsbedürfnis, Sympathien
und Aversionen, Konkurrenz- oder ProDomo-Verhalten, Neid, etc. naturgemäß eine
nicht zu unterschätzende Rolle. Auch habe ich mehrfach erlebt, wie einzelne Gut-
achter ganze Gremien und ihre Entscheidung beeinflusst und geprägt haben.
Evaluationen von Projekten und Personen in den Naturwissenschaften sollten
also immer einen quantitativen und qualitativen Anteil umfassen. Ohne eine ver-
nünftige inhaltliche Beurteilung von Projekten und Personen durch Peers machen
quantitative Indikatoren als Beurteilungskriterien keinen Sinn; umgekehrt gilt das
gleiche. Und selbst in einem „best-case-Szenario“ haben derartige Evalutionen ent-
scheidende System-immanente Schwächen. Sie sind — so zumindest meine Erfah-
rung — in ihrer Tendenz immer konservativ, Risiko- und Innovations-avers sowie
einer inter- bzw. transdisziplinären Forschung feindlich. Über diese Limitierungen
sollte man sich bei allen Evaluationen im klaren sein!
Evaluationen von Strukturen und Organisationen
Diese Form der Evaluationen dient der Beurteilung der Leistungsfähigkeit oder
Zukunftsfähigkeit von Strukturen und Organisationen, wiederum bezogen auf einen
bestimmten Auftrag. Betrachtet werden also nicht so sehr Personen und Projekte,
sondern Wissenschaftsstrukturen wie Fachbereiche, Fachrichtungen, Forschungsein-
richtungen oder Universitätscluster. Die Empfehlungen beziehen sich entsprechend
vor allem auf die weitere Entwicklung der Struktur: Was muss verändert werden, was
fehlt und was muss ergänzt werden, um eine „optimale“ Leistungs- und Zukunfts-
fähigkeit zu gewährleisten?
Das Verfahren und auch die Kriterien-Typen sind bei Strukturevaluationen
grundsätzlich ähnlich wie bei Evaluationen von Projekten und Personen. Als Beur-
teilungskriterien dienen einerseits quantitative Parameter, wobei im Hinblick auf
Forschungsleistungen bibliometrische Angaben und Drittmitteleinwerbungen wie-
derum als besonders indikativ gelten. Daneben erfolgen immer auch qualitative
Analysen durch Peers, die sich auf verschiedene Reports und Analysen stützen.
Der entscheidende Unterschied zur Evaluation von Personen und Projekten
liegt also weniger in der Art der Durchführung, sondern im Objekt der Evaluation
und in der Form der Evaluationsergebnisse. Diese beinhalten nicht nur Bewertun-
gen und ein nationales bzw. internationales Benchmarking, sondern auch konkrete
Handlungsempfehlungen, wie die Strukturen oder Organisationen geändert bzw.
weiter entwickelt werden sollen. Und genau hier liegen die besonderen Chancen
und Gefahren von Strukturevaluationen. Ein externes Expertengremium kann eben
manchmal besser den „großen Wurf ‘ für zukünftige Strukturen entwickeln als die in
SITZUNGEN
ihren spezifischen Vorlieben und Aversionen in den Evaluationsprozess ein: der eine
hält von Habilitationen oder besonderem Engagement in der Grundlehre gar nichts,
der andere aber sehr wohl, dem einen ist die Produktivität, dem anderen die gesell-
schaftliche Relevanz, die Originalität oder die internationale Aufmerksamkeit beson-
ders wichtig, der eine liebt selbstbewusstes, selbstsicheres, der andere eher bescheide-
nes Auftreten, etc. Die evaluierenden Peers sind Menschen, entsprechend spielen hier
auch die normalen menschlichen Schwächen wie Geltungsbedürfnis, Sympathien
und Aversionen, Konkurrenz- oder ProDomo-Verhalten, Neid, etc. naturgemäß eine
nicht zu unterschätzende Rolle. Auch habe ich mehrfach erlebt, wie einzelne Gut-
achter ganze Gremien und ihre Entscheidung beeinflusst und geprägt haben.
Evaluationen von Projekten und Personen in den Naturwissenschaften sollten
also immer einen quantitativen und qualitativen Anteil umfassen. Ohne eine ver-
nünftige inhaltliche Beurteilung von Projekten und Personen durch Peers machen
quantitative Indikatoren als Beurteilungskriterien keinen Sinn; umgekehrt gilt das
gleiche. Und selbst in einem „best-case-Szenario“ haben derartige Evalutionen ent-
scheidende System-immanente Schwächen. Sie sind — so zumindest meine Erfah-
rung — in ihrer Tendenz immer konservativ, Risiko- und Innovations-avers sowie
einer inter- bzw. transdisziplinären Forschung feindlich. Über diese Limitierungen
sollte man sich bei allen Evaluationen im klaren sein!
Evaluationen von Strukturen und Organisationen
Diese Form der Evaluationen dient der Beurteilung der Leistungsfähigkeit oder
Zukunftsfähigkeit von Strukturen und Organisationen, wiederum bezogen auf einen
bestimmten Auftrag. Betrachtet werden also nicht so sehr Personen und Projekte,
sondern Wissenschaftsstrukturen wie Fachbereiche, Fachrichtungen, Forschungsein-
richtungen oder Universitätscluster. Die Empfehlungen beziehen sich entsprechend
vor allem auf die weitere Entwicklung der Struktur: Was muss verändert werden, was
fehlt und was muss ergänzt werden, um eine „optimale“ Leistungs- und Zukunfts-
fähigkeit zu gewährleisten?
Das Verfahren und auch die Kriterien-Typen sind bei Strukturevaluationen
grundsätzlich ähnlich wie bei Evaluationen von Projekten und Personen. Als Beur-
teilungskriterien dienen einerseits quantitative Parameter, wobei im Hinblick auf
Forschungsleistungen bibliometrische Angaben und Drittmitteleinwerbungen wie-
derum als besonders indikativ gelten. Daneben erfolgen immer auch qualitative
Analysen durch Peers, die sich auf verschiedene Reports und Analysen stützen.
Der entscheidende Unterschied zur Evaluation von Personen und Projekten
liegt also weniger in der Art der Durchführung, sondern im Objekt der Evaluation
und in der Form der Evaluationsergebnisse. Diese beinhalten nicht nur Bewertun-
gen und ein nationales bzw. internationales Benchmarking, sondern auch konkrete
Handlungsempfehlungen, wie die Strukturen oder Organisationen geändert bzw.
weiter entwickelt werden sollen. Und genau hier liegen die besonderen Chancen
und Gefahren von Strukturevaluationen. Ein externes Expertengremium kann eben
manchmal besser den „großen Wurf ‘ für zukünftige Strukturen entwickeln als die in