Axel Michaels
129
Klassischen Indologie zurückzukehren. In gewisser Hinsicht war Heidelberg für mich
der richtige und vielleicht einzige Ort, um meine Form der Indologie, die ich
als Ethno-Indologie, eine Verbindung von Text und Kontext, Philologie und Feld-
forschung, bezeichne, betreiben zu können. Hier wurde ich Nachfolger von Herman
Berger, einem herausragenden Philologen, aber in gewisser Hinsicht auch von
Günter-Dietz Sontheimer, und einem leidenschaftlichen indologischen Feldforscher.
Beide Arbeitsgebiete versuche ich in meiner Arbeit zu vereinen.
In anderer Hinsicht war Heidelberg für mich allerdings fatal. Meine Frau hatte
als Ärztin in der Schweiz nicht richtig Fuß fassen können, und so sollte Heidelberg
auch für sie ein Neuanfang werden. Aber kaum hatten wir unser Haus in Neuenheim
bezogen, wurde eine schwere Krankheit bei ihr diagnostiziert, und acht Monate spä-
ter verstarb sie. Ich bin glücklich, dass mir meine Kinder geblieben und wohlgeraten
sind. Lena studiert jetzt Social Anthropology in Oxford und Elias Geographie an der
Freien Universität in Berlin, Katharina geht langsam auf das Abitur zu.
Nach dem Tod meiner Frau stürzte ich mich in Arbeit, vielleicht nicht die beste
Methode des Vergessens und Verdrängens, aber zumindest nach außen hin effektiv.
Drei größere interdisziplinäre Projekte, alle von der Deutschen Forschungsgemein-
schaft gefördert, half ich mit aufzubauen: zunächst ein Projekt zur Kartographie und
dem sakralen Raum von Benares, dann der Sonderforschungsbereich „Ritualdyna-
mik“ und seit kurzem das Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“.
In allen drei Projekten wurde ich zum Sprecher gewählt wie auch im DFG-Fach-
kollegium 106 („Außereuropäische Kulturen und Sprachen, Ethnologie, Religions-
wissenschaft und Judaistik“) — dies alles vermutlich wegen meiner angesprochenen
Neigung zum Ausgleich.
Wissenschaftlich habe ich mich vor allem zwei Themen gewidmet: dem Ritual
und der Rechtsgeschichte Indiens und Nepals. Bezüglich des Rituals untersuchen wir
— damit meine ich meinen Mitarbeiter und langjährigen Freund Niels Gutschow
sowie mehrere nepalische und deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter — die
Geschichte, Praxis und Texte lebenszyklischer hinduistischer und buddhistischer
Übergangsrituale in Nepal. Nachdem wir bereits eine Monographie zu den Sterbe-,
Toten- und Ahnenritualen vorgelegt haben und eine weitere über Kindheits- und
Jugendrituale in Kürze abschließen werden, wollen wir uns in den nächsten Jahren
den Hochzeitsritualen widmen (übrigens in Theorie und Praxis, denn meine neue
Lebenspartnerin, die Ethnologin Christiane Brosius, der ich die Begegnung mit dem
urbanen und modernen Indien verdanke, und ich möchten in diesem Jahr heiraten).
Daneben habe ich verschiedene Studien zu einzelnen Aspekten des Rituals veröf-
fentlicht, die ich hoffe in den nächsten Jahren einmal zu einer Art Theorie des Ritu-
als bündeln zu können.
Meine rechtshistorischen Arbeiten beziehen sich unter anderem auf die Editi-
on, Übersetzung und Analyse nepalischer Dokumente und Teilen des Muluki Ains,
eines nepalischen Kodex von 1854, der in einzigartiger Form Einblicke nicht nur in
die Rechtsnormen, sondern auch in die Rechtspraxis gibt. Hier habe ich eine größe-
re Arbeit zum religiösen Richter sowie Aufsätze zur Witwenverbrennung, Askese oder
dem Verbot der Rindertötung vorgelegt. Außerdem sitze ich zur Zeit an der deut-
129
Klassischen Indologie zurückzukehren. In gewisser Hinsicht war Heidelberg für mich
der richtige und vielleicht einzige Ort, um meine Form der Indologie, die ich
als Ethno-Indologie, eine Verbindung von Text und Kontext, Philologie und Feld-
forschung, bezeichne, betreiben zu können. Hier wurde ich Nachfolger von Herman
Berger, einem herausragenden Philologen, aber in gewisser Hinsicht auch von
Günter-Dietz Sontheimer, und einem leidenschaftlichen indologischen Feldforscher.
Beide Arbeitsgebiete versuche ich in meiner Arbeit zu vereinen.
In anderer Hinsicht war Heidelberg für mich allerdings fatal. Meine Frau hatte
als Ärztin in der Schweiz nicht richtig Fuß fassen können, und so sollte Heidelberg
auch für sie ein Neuanfang werden. Aber kaum hatten wir unser Haus in Neuenheim
bezogen, wurde eine schwere Krankheit bei ihr diagnostiziert, und acht Monate spä-
ter verstarb sie. Ich bin glücklich, dass mir meine Kinder geblieben und wohlgeraten
sind. Lena studiert jetzt Social Anthropology in Oxford und Elias Geographie an der
Freien Universität in Berlin, Katharina geht langsam auf das Abitur zu.
Nach dem Tod meiner Frau stürzte ich mich in Arbeit, vielleicht nicht die beste
Methode des Vergessens und Verdrängens, aber zumindest nach außen hin effektiv.
Drei größere interdisziplinäre Projekte, alle von der Deutschen Forschungsgemein-
schaft gefördert, half ich mit aufzubauen: zunächst ein Projekt zur Kartographie und
dem sakralen Raum von Benares, dann der Sonderforschungsbereich „Ritualdyna-
mik“ und seit kurzem das Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“.
In allen drei Projekten wurde ich zum Sprecher gewählt wie auch im DFG-Fach-
kollegium 106 („Außereuropäische Kulturen und Sprachen, Ethnologie, Religions-
wissenschaft und Judaistik“) — dies alles vermutlich wegen meiner angesprochenen
Neigung zum Ausgleich.
Wissenschaftlich habe ich mich vor allem zwei Themen gewidmet: dem Ritual
und der Rechtsgeschichte Indiens und Nepals. Bezüglich des Rituals untersuchen wir
— damit meine ich meinen Mitarbeiter und langjährigen Freund Niels Gutschow
sowie mehrere nepalische und deutsche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter — die
Geschichte, Praxis und Texte lebenszyklischer hinduistischer und buddhistischer
Übergangsrituale in Nepal. Nachdem wir bereits eine Monographie zu den Sterbe-,
Toten- und Ahnenritualen vorgelegt haben und eine weitere über Kindheits- und
Jugendrituale in Kürze abschließen werden, wollen wir uns in den nächsten Jahren
den Hochzeitsritualen widmen (übrigens in Theorie und Praxis, denn meine neue
Lebenspartnerin, die Ethnologin Christiane Brosius, der ich die Begegnung mit dem
urbanen und modernen Indien verdanke, und ich möchten in diesem Jahr heiraten).
Daneben habe ich verschiedene Studien zu einzelnen Aspekten des Rituals veröf-
fentlicht, die ich hoffe in den nächsten Jahren einmal zu einer Art Theorie des Ritu-
als bündeln zu können.
Meine rechtshistorischen Arbeiten beziehen sich unter anderem auf die Editi-
on, Übersetzung und Analyse nepalischer Dokumente und Teilen des Muluki Ains,
eines nepalischen Kodex von 1854, der in einzigartiger Form Einblicke nicht nur in
die Rechtsnormen, sondern auch in die Rechtspraxis gibt. Hier habe ich eine größe-
re Arbeit zum religiösen Richter sowie Aufsätze zur Witwenverbrennung, Askese oder
dem Verbot der Rindertötung vorgelegt. Außerdem sitze ich zur Zeit an der deut-