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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Antrittsreden
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Ertl, Thomas: Antrittsrede vom 26. April 2008
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0119
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ANTRITTSREDEN

ständnis der Struktur der mit relativistischen Teilchen gefüllten Magnetosphäre bei-
tragen. Allerdings erforderte die selbstkonsistente numerische Lösung schon CPU-
Monate auf dem Nachfolgerechner Cray 2. Um mit der enormen Datenflut dieser
zeitabhängigen Simulation einigermaßen zurecht zu kommen, begann ich die
unzähligen Ausdrucke meiner Isolinien-Plots in Farbbilder umzuwandeln und diese
dann zu einem Super-8-Film zu kombinieren. Dass dies mein Einstieg in die Com-
putergraphik sein würde, wusste ich damals noch nicht. Ich hatte jedoch an der The-
matik Visualisierung Geschmack gefunden und erzeugte auch in den folgenden Jah-
ren immer anspruchsvollere Visualisierungen von Simulationsergebnissen.
Nach der Promotion wurde relativ schnell deutlich, dass für die vielen hervor-
ragenden Absolventen von Hanns Ruder der akademische Arbeitsmarkt in der Astro-
physik zu knapp sein würde. Daher gründete ich mit seiner Unterstützung zusam-
men mit anderen frisch promovierten Astrophysikern 1989 in Tübingen die Firma
Science + computing. Parallel zu unseren Postdoc-Aktivitäten, die mich in den
Bereich der Plasmamodellierung führten, wollten wir uns ein Standbein schaffen, um
unser Know-How in Computational Physics den immer wichtiger werdenden
Berechnungsabteilungen der Industrie anbieten zu können. Auch wenn sich der Ver-
such, „Science“ zu verkaufen, für uns als nicht besonders tragfähig herausstellte, war
die Nachfrage nach „Computing“ doch so groß, dass ich 1992 die Geschäftsführung
des wachsenden IT-Unternehmens auch hauptberuflich übernahm und mithalf, die
Firma als Dienstleister für anspruchsvolle IT-Umgebungen in der Automobilindu-
strie zu etablieren.
Als ich 1994 den Ruf auf eine C3-Professur für Graphische Datenverarbeitung
und Visualisierung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
erhielt, war daher die Entscheidung, doch noch eine akademische Laufbahn weit
weg von Familie und Firma einzuschlagen, nicht einfach. Der Reiz, ein so junges
Gebiet der Informatik in Lehre und Forschung mit aufbauen zu können, überwog
jedoch die Belastungen als Wochenendheimfahrer, und so startete ich meine neue
Aufgabe am Lehrstuhl von Hans-Peter Seidel mit großem Elan, auch wenn ich der
Firma weiterhin in Nebentätigkeit verbunden blieb. Die Visualisierung als For-
schungsdisziplin hat inzwischen ihre eigenen Methoden und Konzepte entwickelt,
doch ist sie bis heute im Kern interdisziplinär zwischen Computergraphik, Compu-
tational Science und Anwendung angesiedelt. Mein Physik-Hintergrund machte es
mir einfacher, zusammen mit meinen Mitarbeitern geeignete Visualisierungstechni-
ken sowohl für Strömungs- und Crashsimulationen als auch für die 3D-Datensätze
der medizinischen Bildgebung zu konzipieren. Die dynamische Entwicklung der
Graphikhardware bot uns darüber hinaus den Rahmen für gänzlich neue interakti-
ve Visualisierungsanwendungen, die auch die Drittmittelgeber beeindruckten, so dass
die Gruppe bereits auf über zehn Mitarbeiter angewachsen war, als ich 1999 dem
Ruf auf eine C4-Professur für Praktische Informatik an die Universität Stuttgart
folgte.
Als Nachfolger von Rui Gunzenhäuser, der das Gebiet der Dialogsysteme in
der deutschen Informatik mitgeprägt hatte, begann ich in Stuttgart auch mit Akti-
vitäten im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion, insbesondere zu Benut-
 
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