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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2008 — 2009

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I. Das Geschäftsjahr 2008
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Antrittsreden
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Soergel, Wolfgang: Antrittsrede vom 26. Oktober 2008
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https://doi.org/10.11588/diglit.67591#0130
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Wolfgang Soergel

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„Ganz im Sinne Ihrer Ausführungen wollte ich noch ergänzen, dass ...“ und der-
gleichen. Im Grunde aber kränkt es die mathematischen Inhalte zutiefst, als schwer
vermittelbar zu gelten. Ihrem Wesen und Anspruch nach wollen sie nämlich ganz im
Gegenteil gerade besonders leicht verständlich sein, um nicht zu sagen, sie sind
gemacht um Verständnis zu erzwingen. Damit ist auch bereits ein nicht geringer Teil
meiner Arbeit umrissen: Vermittler für schwer Vermittelbare, aber zuverlässige und
effiziente Arbeitskräfte.
Worum geht es aber nun in meiner Forschung? Ich versuche es zunächst ein-
mal auf einer weniger inhaltlichen und mehr formalen Ebene: Es geht darum, sinn-
volle Vermutungen aufzustellen und zu beweisen. Ich insistiere darauf, dass das Auf-
stellen sinnvoller Vermutungen in der Mathematik, eben aufgrund der bereits erwähn-
ten ausgeprägten Prinzipientreue der mathematischen Inhalte, nicht ganz so einfach
ist, wie es scheinen mag: Der Grat zwischen dem Offensichtlichen und dem offen-
sichtlich Falschen ist schmal, ähnlich wie auch der Grat zwischen den einfachen und
den hoffnungslosen Fragestellungen. Eine Vermutung aufzustellen, bedeutet sozusagen
das Entdecken einer Gesetzmäßigkeit, und das Beweisen einer Vermutung bedeutet,
diese Gesetzmäßigkeit zu erklären und ihren Geltungsbereich abzugrenzen. Inhaltlich
geht es bei mir um das Studium von Symmetrie, die Mathematiker sagen „Darstel-
lungstheorie“. Dieses Gebiet ist eine Querschnittsdisziplin in der Mathematik und
breiter, als dass ich es zur Gänze überblicken könnte. Statt hier etwas über Darstel-
lungen zu sagen, will ich lieber versuchen, mithilfe von Analogien anzudeuten,
worum es mir im Besonderen geht. Sie alle werden wissen, dass man jede Zahl in ein
Produkt von Primzahlen zerlegen kann Ähnlich kann man auch Darstellungen in
sogenannte „irreduzible Darstellungen“ zerlegen, die im Übrigen auch eine enge
Beziehung zur mathematischen Beschreibung der Elementarteilchen der Physik
haben. Meine wichtigsten Arbeiten beschäftigen sich mit der Struktur irreduzibler
Darstellungen in verschiedenen Bereichen der Darstellungstheorie, genauer mit
einem ganzen Feld von Vermutungen in diesem Bereich, deren Lösung erst unter der
Zuhilfenahme ausgefeilter Methoden der algebraischen Geometrie gelang.
Was aber macht nun gerade diese Vermutungen sinnvoll? Geht es nicht in der
Mathematik vielmehr nur um wahr oder falsch? Wenn ich etwas in mich gehe, muss
ich zugeben, dass für mich die Sinnhaftigkeit einer Vermutung oder auch eines
mathematischen Satzes eigentlich ein ästhetisches Kriterium ist. Es wäre vielleicht
ehrlicher gewesen, ich hätte gleich von Anfang an von „schönen“ Vermutungen und
Sätzen geredet. Darüber hinaus scheint es mir aber auch fast, als ob zumindest in der
Mathematik die Wahrheit und die Schönheit befreundet sein könnten, da man sie so
oft zusammen antrifft. Auf die Frage, warum das so sein sollte, habe ich eigentlich
erst begonnen nachzudenken, als Werner Frick sie mir nach meinem Vortrag bei
einer Tagung über Mathematisches in Literatur und Kunst in Freiburg stellte. Ich
habe auf die Schnelle geantwortet, dass vielleicht die Wahrheit und die Schönheit
beide mit der Einfachheit befreundet sein könnten, aber zu Ende gedacht ist das
noch nicht.
Nun habe ich fast mehr die Mathematik oder zumindest einen Aspekt der
Mathematik vorgestellt als mich selber, aber da ich nun einmal ein begeisterter
 
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