Fritz Gschnitzer
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Die Orientierung auf die Quelle und das bohrende Eindringen in das Detail,
verbunden mit der Breite der Interessen und der Weite der Optik, werden auch
in der Art sichtbar, in der Gschnitzer seine Arbeiten vorlegte: Er war ein Meister
der kleinen Form, wie nicht zuletzt die in den Jahren 2001 und 2003 dankenswer-
terweise neu herausgegebenen „Kleinen Schriften“ deutlich machen. Er hat dies
aber auch in zusammenfassenden Darstellungen zu größeren Themenkomplexen
deutlich unter Beweis gestellt. Neben den terminologischen Untersuchungen zur
Sklaverei sind hier vor allem mehrere Artikel in Pauly-Wissowas „Realencyclopädie“
(Supplement XIII) zu nennen. Unter den Stichworten „Politarches“, „Proxenos“
und „Prytanis“ gibt Gschnitzer glänzend dokumentierte und souverän zusammen-
gefasste Darstellungen zu wesentlichen Phänomenen griechischer Staatsorganisation,
die jeweils als Monographien anzusehen sind.
Zu welcher Meisterschaft sich das verdichten konnte, demonstriert Gschnitzers
„Griechische Sozialgeschichte von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen
Zeit“, 1981 erschienen und auch ins Italienische und Griechische übersetzt. Sie
vermittelt zugleich einen Eindruck davon, wie viel man in Gschnitzers Vorlesungen
lernen konnte. Ganz aus den eigenen Forschungen heraus und auf minutiöser Quel-
leninterpretation und Begriffsanalyse basierend, gibt Gschnitzer hier zugleich eine
gut lesbare, knappe und informative Gesamtdarstellung. Sie ist sofort ein Standard-
werk geworden, das bis heute nicht erreicht, geschweige denn überholt ist. Einer
seiner Hauptvorzüge ist die intensive Berücksichtigung der Mykenischen Epoche. In
deren Erforschung gehörte Fritz Gschnitzer generell zu den führenden Vertretern.
Gerade hier konnte er dank seiner enormen sprachhistorischen Kompetenzen auf
vielen Feldern geradezu Pionierarbeit leisten und einmal mehr die Weite seines
Horizonts in der Berücksichtigung der zeitlichen Tiefendimension der griechischen
Geschichte illustrieren.
Die Leistungen und die Bedeutung dieses großen Forschers und Lehrers wer-
den auch in den Stationen und Positionen seiner akademischen Vita deutlich. Von
Innsbruck aus führte ihn sein Weg nach Heidelberg, wo er nach dem schrecklichen
Flugzeugunglück der Althistoriker (1961) den Lehrstuhl von Hans Schäfer zunächst
vertrat und schließlich zum Sommersemester 1962 übernahm. Der Ruperto
Carolina blieb er, trotz eines höchst attraktiven Rufes auf den Lehrstuhl von Fritz
Schachermeyr in Wien (1966), treu. Er bekleidete dort von 1987 bis 1989 das Amt
des Dekans der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft. 1975 wurde er
Mitglied der Heidelberger Akademie, an deren Arbeiten und Diskussionen er sich,
solange es sein Gesundheitszustand erlaubte, engagiert beteiligte. Viele Jahre lang, von
1979 bis 1993, war er darüber hinaus Mitglied der Kommission für Alte Geschichte
und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts in München. Außerdem
stellte er seinen großen Sachverstand der Deutschen Forschungsgemeinschaft als
Fachgutachter zur Verfügung.
Die Mitglieder der Heidelberger Akademie haben einen Kollegen verloren, der
nicht nur durch sein wissenschaftliches Oeuvre, sondern auch im persönlichen
Gespräch stets zu überzeugen wusste. Seinen übergroßen Wissensschatz stellte er
gerne und hilfreich zur Verfügung, neugierig nahm er zur Kenntnis, was andere
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Die Orientierung auf die Quelle und das bohrende Eindringen in das Detail,
verbunden mit der Breite der Interessen und der Weite der Optik, werden auch
in der Art sichtbar, in der Gschnitzer seine Arbeiten vorlegte: Er war ein Meister
der kleinen Form, wie nicht zuletzt die in den Jahren 2001 und 2003 dankenswer-
terweise neu herausgegebenen „Kleinen Schriften“ deutlich machen. Er hat dies
aber auch in zusammenfassenden Darstellungen zu größeren Themenkomplexen
deutlich unter Beweis gestellt. Neben den terminologischen Untersuchungen zur
Sklaverei sind hier vor allem mehrere Artikel in Pauly-Wissowas „Realencyclopädie“
(Supplement XIII) zu nennen. Unter den Stichworten „Politarches“, „Proxenos“
und „Prytanis“ gibt Gschnitzer glänzend dokumentierte und souverän zusammen-
gefasste Darstellungen zu wesentlichen Phänomenen griechischer Staatsorganisation,
die jeweils als Monographien anzusehen sind.
Zu welcher Meisterschaft sich das verdichten konnte, demonstriert Gschnitzers
„Griechische Sozialgeschichte von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen
Zeit“, 1981 erschienen und auch ins Italienische und Griechische übersetzt. Sie
vermittelt zugleich einen Eindruck davon, wie viel man in Gschnitzers Vorlesungen
lernen konnte. Ganz aus den eigenen Forschungen heraus und auf minutiöser Quel-
leninterpretation und Begriffsanalyse basierend, gibt Gschnitzer hier zugleich eine
gut lesbare, knappe und informative Gesamtdarstellung. Sie ist sofort ein Standard-
werk geworden, das bis heute nicht erreicht, geschweige denn überholt ist. Einer
seiner Hauptvorzüge ist die intensive Berücksichtigung der Mykenischen Epoche. In
deren Erforschung gehörte Fritz Gschnitzer generell zu den führenden Vertretern.
Gerade hier konnte er dank seiner enormen sprachhistorischen Kompetenzen auf
vielen Feldern geradezu Pionierarbeit leisten und einmal mehr die Weite seines
Horizonts in der Berücksichtigung der zeitlichen Tiefendimension der griechischen
Geschichte illustrieren.
Die Leistungen und die Bedeutung dieses großen Forschers und Lehrers wer-
den auch in den Stationen und Positionen seiner akademischen Vita deutlich. Von
Innsbruck aus führte ihn sein Weg nach Heidelberg, wo er nach dem schrecklichen
Flugzeugunglück der Althistoriker (1961) den Lehrstuhl von Hans Schäfer zunächst
vertrat und schließlich zum Sommersemester 1962 übernahm. Der Ruperto
Carolina blieb er, trotz eines höchst attraktiven Rufes auf den Lehrstuhl von Fritz
Schachermeyr in Wien (1966), treu. Er bekleidete dort von 1987 bis 1989 das Amt
des Dekans der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft. 1975 wurde er
Mitglied der Heidelberger Akademie, an deren Arbeiten und Diskussionen er sich,
solange es sein Gesundheitszustand erlaubte, engagiert beteiligte. Viele Jahre lang, von
1979 bis 1993, war er darüber hinaus Mitglied der Kommission für Alte Geschichte
und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts in München. Außerdem
stellte er seinen großen Sachverstand der Deutschen Forschungsgemeinschaft als
Fachgutachter zur Verfügung.
Die Mitglieder der Heidelberger Akademie haben einen Kollegen verloren, der
nicht nur durch sein wissenschaftliches Oeuvre, sondern auch im persönlichen
Gespräch stets zu überzeugen wusste. Seinen übergroßen Wissensschatz stellte er
gerne und hilfreich zur Verfügung, neugierig nahm er zur Kenntnis, was andere