Die Preisträger
261
AKADEMIEPREIS
AXEL GRIESMAIER:
„Ultrakalte dipolare Quantengase oder Atome am kältesten Ort im Universum“
„Wie geht es einem Atom am kältesten Punkt im Universum?“, lautete die Frage,
die ich meinem Vortrag am 13. Juni in Heidelberg vorangestellt habe, um damit auch
gleich die nächste Frage zu provozieren: „Können wir überhaupt wissen, wie es
einem Atom dort geht?“.
Diesen Ort würde man zunächst vielleicht irgendwo in den Tiefen des Welt-
alls vermuten. Dass dort unwirtliche Temperaturen herrschen, ist allgemein bekannt.
Die Temperaturen aber, über die wir hier sprechen, liegen sogar noch um viele
Größenordnungen unter denen, die wir im All vorfinden würden. Tatsächlich sind
sie so klein, dass sie höchstwahrscheinlich nirgendwo im Universum von selbst auf-
treten, sondern nur mit großem technischem Aufwand künstlich erzeugt werden
können. Die kältesten Orte findet man also nicht irgendwo im Weltraum sondern
in Labors — mittlerweile sind es um die hundert weltweit — z.B. hier in Heidelberg
am Kirchhoff-Institut oder in Stuttgart am physikalischen Institut der Universität
Stuttgart. Dort kühlen wir (Chrom-) Atome auf Temperaturen von unter 100 Nano-
kelvin ab, das ist über 25 millionenmal kälter als die Temperatur im Weltraum, die bei
2.7 Kelvin liegt. Zum Vergleich: die Temperatur an einem schönen Sommertag von
27°C, was 300 Kelvin entspricht, ist nur etwas mehr als hundertmal höher als die im
Weltraum. Aber wozu erzeugt man nun mit solchem Aufwand diese extrem tiefen
Temperaturen?
Dazu muss man sich klar machen, was der Begriff der Temperatur bedeutet:
Temperatur misst die Bewegung der Teilchen. Zwar sind diese Bewegungen z.B. der
Sauerstoff- und Stickstoff-Moleküle in unserer Umgebungsluft zufällig, aber je nied-
riger die Temperatur ist, umso niedriger ist die durchschnittliche Geschwindigkeit,
die man bei vielen einzelnen Messungen feststellen würde. Der klassische Schluss
wäre also, dass am „absoluten Nullpunkt“, also bei einer Temperatur von 0 Kelvin,
alle Bewegungen zum Stillstand kommen. Tatsächlich wissen wir aber durch die
Quantenmechanik, dass am absoluten Nullpunkt etwas anderes passiert: wir verlie-
ren die Möglichkeit, einem Atom überhaupt einen Ort zuzuweisen. Wenn wir das
versuchen, stellen wir fest, dass der Aufenthaltsort über einen Bereich „verschmiert“
ist. Bei jeder Messung würde man das Atom innerhalb dieses Bereiches zufällig an
einer anderen Stelle entdecken. Dies liegt jedoch nicht an einer unzulänglichen Mes-
stechnik und unterliegt auch nicht einer irgendwie beschreibbaren Regel, sondern
ist eine fundamentale Konsequenz der Quantenmechanik, die besagt, dass ein Atom,
das wir klassisch einfach als Teilchen betrachten, das sich an einem bestimmten Ort
befindet, sich tatsächlich besser durch eine Welle mit einer gewissen Ausdehnung
beschreiben lässt, die eine genaue Definition des Ortes eines Teilchens nicht mehr
zulässt. Die Materie bekommt also einen Wellencharakter, den wir mit unseren
Experimenten auch sichtbar machen können. Dann kann man beobachten, wie
Materiewellen miteinander interferieren. Dies ähnelt den Wellen, die sich überlagern
261
AKADEMIEPREIS
AXEL GRIESMAIER:
„Ultrakalte dipolare Quantengase oder Atome am kältesten Ort im Universum“
„Wie geht es einem Atom am kältesten Punkt im Universum?“, lautete die Frage,
die ich meinem Vortrag am 13. Juni in Heidelberg vorangestellt habe, um damit auch
gleich die nächste Frage zu provozieren: „Können wir überhaupt wissen, wie es
einem Atom dort geht?“.
Diesen Ort würde man zunächst vielleicht irgendwo in den Tiefen des Welt-
alls vermuten. Dass dort unwirtliche Temperaturen herrschen, ist allgemein bekannt.
Die Temperaturen aber, über die wir hier sprechen, liegen sogar noch um viele
Größenordnungen unter denen, die wir im All vorfinden würden. Tatsächlich sind
sie so klein, dass sie höchstwahrscheinlich nirgendwo im Universum von selbst auf-
treten, sondern nur mit großem technischem Aufwand künstlich erzeugt werden
können. Die kältesten Orte findet man also nicht irgendwo im Weltraum sondern
in Labors — mittlerweile sind es um die hundert weltweit — z.B. hier in Heidelberg
am Kirchhoff-Institut oder in Stuttgart am physikalischen Institut der Universität
Stuttgart. Dort kühlen wir (Chrom-) Atome auf Temperaturen von unter 100 Nano-
kelvin ab, das ist über 25 millionenmal kälter als die Temperatur im Weltraum, die bei
2.7 Kelvin liegt. Zum Vergleich: die Temperatur an einem schönen Sommertag von
27°C, was 300 Kelvin entspricht, ist nur etwas mehr als hundertmal höher als die im
Weltraum. Aber wozu erzeugt man nun mit solchem Aufwand diese extrem tiefen
Temperaturen?
Dazu muss man sich klar machen, was der Begriff der Temperatur bedeutet:
Temperatur misst die Bewegung der Teilchen. Zwar sind diese Bewegungen z.B. der
Sauerstoff- und Stickstoff-Moleküle in unserer Umgebungsluft zufällig, aber je nied-
riger die Temperatur ist, umso niedriger ist die durchschnittliche Geschwindigkeit,
die man bei vielen einzelnen Messungen feststellen würde. Der klassische Schluss
wäre also, dass am „absoluten Nullpunkt“, also bei einer Temperatur von 0 Kelvin,
alle Bewegungen zum Stillstand kommen. Tatsächlich wissen wir aber durch die
Quantenmechanik, dass am absoluten Nullpunkt etwas anderes passiert: wir verlie-
ren die Möglichkeit, einem Atom überhaupt einen Ort zuzuweisen. Wenn wir das
versuchen, stellen wir fest, dass der Aufenthaltsort über einen Bereich „verschmiert“
ist. Bei jeder Messung würde man das Atom innerhalb dieses Bereiches zufällig an
einer anderen Stelle entdecken. Dies liegt jedoch nicht an einer unzulänglichen Mes-
stechnik und unterliegt auch nicht einer irgendwie beschreibbaren Regel, sondern
ist eine fundamentale Konsequenz der Quantenmechanik, die besagt, dass ein Atom,
das wir klassisch einfach als Teilchen betrachten, das sich an einem bestimmten Ort
befindet, sich tatsächlich besser durch eine Welle mit einer gewissen Ausdehnung
beschreiben lässt, die eine genaue Definition des Ortes eines Teilchens nicht mehr
zulässt. Die Materie bekommt also einen Wellencharakter, den wir mit unseren
Experimenten auch sichtbar machen können. Dann kann man beobachten, wie
Materiewellen miteinander interferieren. Dies ähnelt den Wellen, die sich überlagern