Das WIN-Kolleg
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Die Parallelität von Nationalstaat und Gemeinschaft bedeutet ein Spannungs-
verhältnis zwischen dem „sozialen“ Europa als Ziel der Gemeinschaft und dem
Sozialstaat als verfassungsrechtlich garantiertem Modell einer nationalen Volkswirt-
schaft. Dabei geht es im Kern um die Frage, ob der Sozialstaat durch das Gemein-
schaftsrecht vollständig erfasst ist oder ob es Bereiche staatlicher Solidarität gibt, die
mit den anderen EU-Bürgern nicht geteilt werden müssen. Der Sozialstaat und die
damit verbundene Umverteilung waren bisher für den klar abgegrenzten National-
staat konzipiert. Die wirtschaftlich bewirkte Integration der Nationalstaaten führt zu
einer Veränderung auch des Sozialstaatsbegriffs. Der Sozialstaat des GG zielt gegen
Not und Armut, soll ein menschenwürdiges Existenzminimum für jedermann schaf-
fen und der Gleichheit durch den Abbau von Wohlfahrtsdifferenzen und die Kon-
trolle von Abhängigkeitsverhältnissen dienen. Die mit dem Sozialstaat verbundenen,
zu verfassungsrechtlichen Fundamentalgrundsätzen erhobenen Erwartungen an das
Gemeinwesen Staat entsprechen damit jenem Legitimationsprinzip, welches auch
den Bestand der Europäischen Union legitimiert, nämlich die Erwartung, dass der
Staat eine Politik für das Wohlergehen des Einzelnen fordert.
Der Sozialstaat trennt zwischen der Solidarität des Staates für seine Staatsbür-
ger, die uneingeschränkt für alle Staatsbürger in gleicherweise gewährt wird, und der
Hilfe in der Not, die dem Menschen kraft seines Menschseins und seiner Men-
schenwürde zusteht.
Das europäische Gemeinschaftsrecht begründete zunächst für die Staatsbürger
der Mitgliedstaaten eine ökonomische Freizügigkeit. Die damit verbundenen sozia-
len Rechte waren nicht Ausdruck einer sozialstaatlichen Solidarität gegenüber
Staatsbürgern, sondern eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Gleichbehand-
lungsanspruchs aufgrund einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Das Gemeinschaftsrecht
gewährte also Teilhabe am Wohlfahrtsstaat nur als Folge eines letztlich wirtschaftlich
begründeten Gleichbehandlungsanspruchs. Das soziale Europa ist damit jedenfalls in
seiner Grundkonzeption kein sozialstaatliches Europa.
Diese Verbindung von wirtschaftlicher Betätigung und damit verbundenen
Ansprüchen auf soziale Gleichbehandlung ist nun durch das Konzept der Unions-
bürgerschaft und die damit in Art. 18 EG verbundene Freizügigkeit infrage gestellt.
Nach dem EuGH ist die Unionsbürgerschaft dazu bestimmt, den grundlegenden
Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu bilden, die es denjenigen unter
ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer
Staatsangehörigkeit und unbeschadet der sonst ausdrücklich vorgesehenen Ausnah-
men die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen. Da die Unionsbürgerschaft ein
Aufenthaltsrecht unabhängig von einer Arbeitnehmereigenschaft gewährt, leitet der
EuGH daraus ab, dass auch unabhängig von einer Arbeitnehmereigenschaft
Ansprüche auf soziale Sicherung bestehen. Damit wird letztlich ein sozialstaatlicher
Anspruch geschaffen. Die Rechtsprechung des EuGH fordert damit eine staatsbür-
gerliche Solidarität der Unionsbürger untereinander, die der geltende Vertrag eben-
so wenig explizit fordert wie der gescheiterte Verfassungsentwurf. Der deutsche
Sozialstaat wird durch die Rechtsprechung des EuGH somit gewissermaßen
europäisiert.
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Die Parallelität von Nationalstaat und Gemeinschaft bedeutet ein Spannungs-
verhältnis zwischen dem „sozialen“ Europa als Ziel der Gemeinschaft und dem
Sozialstaat als verfassungsrechtlich garantiertem Modell einer nationalen Volkswirt-
schaft. Dabei geht es im Kern um die Frage, ob der Sozialstaat durch das Gemein-
schaftsrecht vollständig erfasst ist oder ob es Bereiche staatlicher Solidarität gibt, die
mit den anderen EU-Bürgern nicht geteilt werden müssen. Der Sozialstaat und die
damit verbundene Umverteilung waren bisher für den klar abgegrenzten National-
staat konzipiert. Die wirtschaftlich bewirkte Integration der Nationalstaaten führt zu
einer Veränderung auch des Sozialstaatsbegriffs. Der Sozialstaat des GG zielt gegen
Not und Armut, soll ein menschenwürdiges Existenzminimum für jedermann schaf-
fen und der Gleichheit durch den Abbau von Wohlfahrtsdifferenzen und die Kon-
trolle von Abhängigkeitsverhältnissen dienen. Die mit dem Sozialstaat verbundenen,
zu verfassungsrechtlichen Fundamentalgrundsätzen erhobenen Erwartungen an das
Gemeinwesen Staat entsprechen damit jenem Legitimationsprinzip, welches auch
den Bestand der Europäischen Union legitimiert, nämlich die Erwartung, dass der
Staat eine Politik für das Wohlergehen des Einzelnen fordert.
Der Sozialstaat trennt zwischen der Solidarität des Staates für seine Staatsbür-
ger, die uneingeschränkt für alle Staatsbürger in gleicherweise gewährt wird, und der
Hilfe in der Not, die dem Menschen kraft seines Menschseins und seiner Men-
schenwürde zusteht.
Das europäische Gemeinschaftsrecht begründete zunächst für die Staatsbürger
der Mitgliedstaaten eine ökonomische Freizügigkeit. Die damit verbundenen sozia-
len Rechte waren nicht Ausdruck einer sozialstaatlichen Solidarität gegenüber
Staatsbürgern, sondern eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Gleichbehand-
lungsanspruchs aufgrund einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Das Gemeinschaftsrecht
gewährte also Teilhabe am Wohlfahrtsstaat nur als Folge eines letztlich wirtschaftlich
begründeten Gleichbehandlungsanspruchs. Das soziale Europa ist damit jedenfalls in
seiner Grundkonzeption kein sozialstaatliches Europa.
Diese Verbindung von wirtschaftlicher Betätigung und damit verbundenen
Ansprüchen auf soziale Gleichbehandlung ist nun durch das Konzept der Unions-
bürgerschaft und die damit in Art. 18 EG verbundene Freizügigkeit infrage gestellt.
Nach dem EuGH ist die Unionsbürgerschaft dazu bestimmt, den grundlegenden
Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu bilden, die es denjenigen unter
ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer
Staatsangehörigkeit und unbeschadet der sonst ausdrücklich vorgesehenen Ausnah-
men die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen. Da die Unionsbürgerschaft ein
Aufenthaltsrecht unabhängig von einer Arbeitnehmereigenschaft gewährt, leitet der
EuGH daraus ab, dass auch unabhängig von einer Arbeitnehmereigenschaft
Ansprüche auf soziale Sicherung bestehen. Damit wird letztlich ein sozialstaatlicher
Anspruch geschaffen. Die Rechtsprechung des EuGH fordert damit eine staatsbür-
gerliche Solidarität der Unionsbürger untereinander, die der geltende Vertrag eben-
so wenig explizit fordert wie der gescheiterte Verfassungsentwurf. Der deutsche
Sozialstaat wird durch die Rechtsprechung des EuGH somit gewissermaßen
europäisiert.