416
VERANSTALTUNGEN
(Timaios, 34 a 8—39 e 2). Die Weltseele und die mit ihr substanzgleiche Menschen-
seele bewegen sich im Zählen identischer Positionen der Himmelskörper und lau-
fen dabei entweder in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Die Voraussetzung -
die Bedingung der Möglichkeit — solch zählender Bewegung ist die Selbstidentität
und Selbstgegenwart der Seele, also ihre Ewigkeit im Sinn eines stehenden Jetzt. Das
kosmologische Bild dieser Selbstgegenwart ist das ruhende Zentrum des Kosmos als
Schnittpunkt seiner Achsen. Die zählbare regelmäßige Kreisbewegung der Himmel
ist nichts anderes als die vom Seelenzentrum aus beobachtete, erinnerte und antizi-
pierte Bewegung und Tätigkeit der Seele selbst, so dass Zeit für Plato das von ihrer
Selbstgegenwart aus zu zählende Leben der Seele ist.
Vom philosophischen zum physikalischen Kosmos leitete Hans-Günter Dosch
(Heidelberg) über. Das Konzept der „mathematischen Zeit“, das Newton synonym
mit „absoluter Zeit“ benutzte, habe sich in der Physik bewährt. Diese Zeit basiert
zwar auf der intuitiven (vulgären) Zeit, aber die Definition (über Messungen) muss
so gewählt werden, dass man zu möglichst konsistenten und präzise erfüllten Natur-
gesetzen kommt. Genau diesen Punkt treffe das Beispiel, das Newton selbst wählte:
Die Sonnenzeit basiert auf der Zeitspanne zwischen zwei Kulminationen der Sonne,
die Sternenzeit auf derjenigen zwischen Kulminationen eines Fixsterns. Verglichen
mit der Sternenzeit ist die Sonnenzeit damit ungleichmäßig und weniger „wahr“
beziehungsweise präzis. Dass die Güte und Konstanz der Zeitdefinition für die
Genauigkeit der Resultate in der Astronomie entscheidend ist, führte Immo Appen-
zeller (Heidelberg) weiter aus: Die Analyse von zeitlichen Ereignissen erlaube es,
Massen, Geschwindigkeiten, Bahnradien und andere Parameter weit entfernter
dynamischer Systeme abzuleiten und die Effekte der relativistischen Physik mit
hoher Präzision zu bestimmen. Da die gegenwärtigen, meist auf Atomuhren gestütz-
ten Zeitsysteme dafür nicht immer ausreichen, wird an neuen Zeitskalen gearbeitet,
welche die Rotation oder die Bahnbewegung von Neutronensternen als Referen-
zuhr benutzen. Wolfgang Schleich (Ulm) ging von der Symmetrie zwischen Zukunft
und Vergangenheit aus, wie sie in den Grundgleichungen der Physik im Allgemei-
nen gilt, nicht aber im täglichen Leben: Es ist uns unmöglich, in die Vergangenheit
zu reisen und diese zu verändern. Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Ein-
stein lässt dies jedoch zu, und davon ausgehend publizierte der Mathematiker Kurt
Gödel 1949 ein Modell des Universums, wonach Zeitreisen in die Vergangenheit
möglich sind. Dieses Gödel-Universum zeigt ungewöhnliche Phänomene, die sich
auch in der Ausbreitung von Licht widerspiegeln, wie Schleichs Visualisierung des
Gödel-Universums vorführte.
Die physiologische Uhr und die biologische Zeit beschrieb Hans Mohr (Frei-
burg) als evolutionäre Anpassung der Lebewesen an die physikalische Zeit der mitt-
leren, Newton’schen Dimensionen, wobei sich die Zeitmaße an den Drehungen der
Erde (Tag, Jahr) orientieren. Demgemäß besitzen die Lebewesen verschiedene
Uhren: Die circadiane physiologische Uhr misst den Wechsel von Licht und Dunkel
und damit den Ablauf des Tages; die biologische, entwicklungsgenetische Uhr
bestimmt den Ablauf und das Ende der Ontogenie. Wie das menschliche Gehirn in
kleinen Zeitfenstern von 20 Millisekunden durch die Aktivierung, Zunahme und
VERANSTALTUNGEN
(Timaios, 34 a 8—39 e 2). Die Weltseele und die mit ihr substanzgleiche Menschen-
seele bewegen sich im Zählen identischer Positionen der Himmelskörper und lau-
fen dabei entweder in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Die Voraussetzung -
die Bedingung der Möglichkeit — solch zählender Bewegung ist die Selbstidentität
und Selbstgegenwart der Seele, also ihre Ewigkeit im Sinn eines stehenden Jetzt. Das
kosmologische Bild dieser Selbstgegenwart ist das ruhende Zentrum des Kosmos als
Schnittpunkt seiner Achsen. Die zählbare regelmäßige Kreisbewegung der Himmel
ist nichts anderes als die vom Seelenzentrum aus beobachtete, erinnerte und antizi-
pierte Bewegung und Tätigkeit der Seele selbst, so dass Zeit für Plato das von ihrer
Selbstgegenwart aus zu zählende Leben der Seele ist.
Vom philosophischen zum physikalischen Kosmos leitete Hans-Günter Dosch
(Heidelberg) über. Das Konzept der „mathematischen Zeit“, das Newton synonym
mit „absoluter Zeit“ benutzte, habe sich in der Physik bewährt. Diese Zeit basiert
zwar auf der intuitiven (vulgären) Zeit, aber die Definition (über Messungen) muss
so gewählt werden, dass man zu möglichst konsistenten und präzise erfüllten Natur-
gesetzen kommt. Genau diesen Punkt treffe das Beispiel, das Newton selbst wählte:
Die Sonnenzeit basiert auf der Zeitspanne zwischen zwei Kulminationen der Sonne,
die Sternenzeit auf derjenigen zwischen Kulminationen eines Fixsterns. Verglichen
mit der Sternenzeit ist die Sonnenzeit damit ungleichmäßig und weniger „wahr“
beziehungsweise präzis. Dass die Güte und Konstanz der Zeitdefinition für die
Genauigkeit der Resultate in der Astronomie entscheidend ist, führte Immo Appen-
zeller (Heidelberg) weiter aus: Die Analyse von zeitlichen Ereignissen erlaube es,
Massen, Geschwindigkeiten, Bahnradien und andere Parameter weit entfernter
dynamischer Systeme abzuleiten und die Effekte der relativistischen Physik mit
hoher Präzision zu bestimmen. Da die gegenwärtigen, meist auf Atomuhren gestütz-
ten Zeitsysteme dafür nicht immer ausreichen, wird an neuen Zeitskalen gearbeitet,
welche die Rotation oder die Bahnbewegung von Neutronensternen als Referen-
zuhr benutzen. Wolfgang Schleich (Ulm) ging von der Symmetrie zwischen Zukunft
und Vergangenheit aus, wie sie in den Grundgleichungen der Physik im Allgemei-
nen gilt, nicht aber im täglichen Leben: Es ist uns unmöglich, in die Vergangenheit
zu reisen und diese zu verändern. Die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Ein-
stein lässt dies jedoch zu, und davon ausgehend publizierte der Mathematiker Kurt
Gödel 1949 ein Modell des Universums, wonach Zeitreisen in die Vergangenheit
möglich sind. Dieses Gödel-Universum zeigt ungewöhnliche Phänomene, die sich
auch in der Ausbreitung von Licht widerspiegeln, wie Schleichs Visualisierung des
Gödel-Universums vorführte.
Die physiologische Uhr und die biologische Zeit beschrieb Hans Mohr (Frei-
burg) als evolutionäre Anpassung der Lebewesen an die physikalische Zeit der mitt-
leren, Newton’schen Dimensionen, wobei sich die Zeitmaße an den Drehungen der
Erde (Tag, Jahr) orientieren. Demgemäß besitzen die Lebewesen verschiedene
Uhren: Die circadiane physiologische Uhr misst den Wechsel von Licht und Dunkel
und damit den Ablauf des Tages; die biologische, entwicklungsgenetische Uhr
bestimmt den Ablauf und das Ende der Ontogenie. Wie das menschliche Gehirn in
kleinen Zeitfenstern von 20 Millisekunden durch die Aktivierung, Zunahme und