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Arno
Scutum canonicorum: Edition, Übersetzung, Kommentar — Klöster als Innovationslabore, Band 11: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72133#0029
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2. Scutum canonicorum

Unterdrückung des ordo canonicus ein. In Anlehnung an die alttestamentliche Er-
zählung über die beiden Söhne Jakobs und Rachels, Josef und Benjamin,100 als
Stammväter der Zwölf Stämme Israels fordert Arno trotz aller Unterschiede - hier
erwähnt er unter anderem die Wollgewänder der Mönche - das gleichberechtige
Miteinander des Mönchs- und Kanonikerstandes: „Lasst uns also, sage ich, zwei
Stände sein, so wie jene zwei Söhne des Patriarchen Jakob, Brüder von einer Mutter,
beide geboren von der einen edlen Mutter Rachel, beide eifrig danach strebend, die
Wahrheit zu sehen und der Barmherzigkeit zu folgen."101 Der Kanonikerstand sei im
älteren Sohn Joseph verkörpert, der durch die Gaben der priesterlichen Würde und
der kirchlichen Lenkung wachse, den Mönchsstand symbolisiere aber der jüngere
Sohn Benjamin.102
In einer ausführlichen Passage über die Verfolgungen, die der Kanonikerstand
noch im 11. Jahrhundert während der Kirchenreform erlitten hatte, kritisiert Arno
offen die Untätigkeit des Mönchsstandes gegenüber diesen Angriffen und hebt dage-
gen lobend die Aktionen der Mailänder Patarener hervor, die er als erste Söhne des
Kanonikerstandes bezeichnet.103 Dabei äußert sich Arno negativ über Neuerungen,
die sich unter anderem in der Kleidungsfrage im eigenen Stand eingeschlichen hätten
und betont ausdrücklich in Anlehnung an das urchristliche apostolische Vorbild die
Idoneität dieser apostelgleichen Lebensweise gleichermaßen für Frauen und Män-
ner.104 Eventuell bedingt durch die Erfahrung des seit 1138 angegliederten Chorfrau-
enstiftes hebt Arno die gleichberechtigte Existenz der apostolischen Lebensweise bei
Frauen und Männern mit der Begründung hervor,105 dass beide unter dem Kreuz
Christi gestanden hätten: „Lasst uns dem Herrn singen, er ist nämlich ruhmreich er-
höht worden, so dass zu sehen ist, wie beim Kreuz des Herrn auf der einen Seite im
männlichen Geschlecht der Jünger dient, auf der anderen Seite im weiblichen Ge-

100 Gen 44, 27-29.

101 Simus igitur, inquam, nos duo ordines veluti duo istipartriarch^ Iacob filii fratres uterini, ex una
matre nobili Rachele ambo progeniti, visende veritatis et sectande pietatis ambo studiosi. Arno
von Reichersberg, Scutum canonicorum, S. 124.

102 Vgl. ebd. Schreiner leitet aus der Tatsache, dass Joseph der ältere Bruder sei, die Überlegenheit des
ordo canonicus ab: vgl. Schreiner, Mönchtum, S. 23.

103 Siquidem in tempore Hainriciani scismatis in meo Herlebaldo Mediolanense, qui filiorum meo-
rum, quos aiunt Patareos, prior extitit, mortis atrocitatem incurri. Arno von Reichersberg, Scu-
tum canonicorum, S. 130. Dieser Einschub fehlt jedoch in Version B: Siquidem in Hainriciani
scismatis in meo Herlebaldo Mediolanense mortis atrocitatem incurri. Magdeburg, Landesarchiv
Sachsen-Anhalt, Cop. Kopiare und andere Amtsbücher, Nr. 746c, p. 211. Vgl. Capitani, Nota,
S. 43-44, der jedoch die Handschriftenüberlieferung nicht kannte.

104 In quo etiam ordine hoc forsitan odit diabolus, quod ad similitudinem primeve institucionis apos-
tolorum, ita mediocriter et communiter omnibus institutus est, ut in eo non solum virorum, sed et
mulierum agmina, in suis terminis convenienti clausura distincta, cohabitant. Arno von Reichers-
berg, Scutum canonicorum S. 144.

105 Vgl. Annales Reicherspergenses, ed. Wattenbach, MGH SS 17, S. 493.
 
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