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Arno
Scutum canonicorum: Edition, Übersetzung, Kommentar — Klöster als Innovationslabore, Band 11: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72133#0030
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2.3 Struktur und Inhalt

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schlecht die dem Jünger anvertraute Mutter."106 Bevor Arno nach dieser kurzen Ein-
führung dazu übergeht, die Lebensgewohnheiten der Regularkanoniker hinsichtlich
Kleidung, Art und Weise der Enthaltsamkeit, des Fastens und der Gottesdienstord-
nung zu beschreiben, ruft er als Vorbild noch einmal den usus antiquus der Kirche
sowie das Praeceptum des Augustinus als Richtschnur bezüglich Ortsgebundenheit,
Strenge sowie Wert und Nutzen der Kleider in Erinnerung.107
2.3.1 Teil I: Gewohnheiten und Regeln
Tonsur und Kleidung
Zu Beginn des Consuetudines-Teiles des Scutum widmet Arno zunächst einen ausführ-
lichen Teil der richtigen Tonsur eines Kanonikers.108 Als Zeichen der Verbundenheit
mit Christus und der Teilhabe an Gott „rasieren [sie] gemäß der Bestimmung der Väter
den ganzen oberen Teil des Kopfes und lassen weiter unten allein den Kreis einer Kro-
ne übrig, so dass auf dem rasierten und kahlen Teil des Kopfes die Erscheinung einer
Priestermütze ist und im Haarkreis das Zeichen der königlichen Krone hervorschim-
mert."109 Der Kanoniker solle also nur einen Haarkranz tragen, der oberhalb des Ohres
abschließt und dieses frei lässt, so dass eine direkte Verbindung zwischen dem höchs-
ten Punkt des Kopfes und dem Himmel beziehungsweise mit Gott hergestellt werde.110
Hier schließt in der Leithandschrift (Wien, ÖNB, Cod. 633; Version A) ein Absatz an,
in dem die Maßbestimmung zur Rasur des Kopfes detailliert erläutert wird. Dieser
Zusatz wurde auf den Folia 37v und 38r nachträglich am unteren Rand mit anderer
Tinte, aber wohl eigenhändig durch Arno ergänzt (siehe Abb. 4 und 5).111

106 Cantemus Domino, gloriose enim magnificatus est, ut videre sit prope crucem domini hinc discipu-
lus in masculino, hinc mater in muliebri sexu discipulo commendata assistere. Arno von Reichers-
berg, Scutum canonicorum, S. 144-146. Siehe zur Wertschätzung weiblicher Frömmigkeit bei den
Augustiner-Chorherren und Prämonstratensern auch Schneidmüller, Ausstiege zu Gott, S. 24.

107 ... usum videlicet ecclesif antiquum, tamquam in habitu in abstinentie ac ieiunorum et officiorum
divinorum modo, auctoritatem reputantes et ab eo non facile vel in dextrum vel in sinistrum decli-
nantes, ut iuxta regulare patris Augustini preceptum solliciti tam in mobilitate quam in austeritate
tam in precio quam in utilitate vestium cavere videantur ne sit notabilis habitus eorum. Arno von
Reichersberg, Scutum canonicorum, S. 146.

108 Allgemein zu den Vorbildern und der symbolischen Bedeutung der Tonsurierung siehe Sonntag,
Klosterleben, S. 135-141.

109 ... sed iuxta patrum diffinitionem totam capitis superficiem radunt, inferius solam circuli coronam
relinquentes, ut in rasa vel plana parte capitis sacerdotalis tyare scema sit et in circulo capillorum
regalis corone prefulgeat insigne. Arno von Reichersberg, Scutum canonicorum, S. 148. In der
monastischen Spiritualität wurde diese Krone als Symbol der Dornenkrone Christi gedeutet: vgl.
Schreiner, Mönchtum, S. 18-19; Sonntag, Klosterleben, S. 143.

110 Vgl. Arno von Reichersberg, Scutum canonicorum, S. 148. Außerdem Grasl, Lebensgewohnhei-
ten, S. 52.

111 Classen vermutete, dass dieser Nachtrag eigenhändig durch Arno vorgenommen worden sei: vgl.
Classen, Gerhoch, S. 436-437, 445-446. Diese Vermutung leitete Classen von einem weiteren
 
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