Schild der Kanoniker
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unserer eifrigen Tätigkeit im kirchlichen Dienst verachten und nicht meinen,
dass wir hintanzustellen seien. Es ist nämlich nicht weniger lobenswert, für
die Liebe zu den Brüdern und ihr Heil wegen Christus zu leben als sich aus
Demut für eines so großen Dienstes unwürdig zu halten, obwohl doch für
beide in gleichem Maße die Welt gekreuzigt ist, und man selbst für die 5
Welt. Daher kommt es, dass in zwei gleichermaßen vollkommenen Männern
ohne Schuld diese Verschiedenheit gefunden wird, dass der eine von diesen,
wenn er zu einem kirchlichen Amt gerufen wird, dem Willen Gottes unter
Wahrung seiner Bescheidenheit in Furcht leichter nachgibt, der andere aber
sich beharrlicher widersetzt aus Sorge, seine Ruhe zu verlieren ohne sie für 10
das Heil anderer einzutauschen. Denn jener ist jedoch nur frei von der
Sünde des Ungehorsams, wenn er nicht auch bis zum Ende im Widerspruch
verharrt. Andernfalls ist es keine wahre Demut, welcher der Ungehorsam
nicht als Begleiter folgt. Dies ist an zwei ausgezeichneten Propheten vor
aller Augen genau zu erkennen: Der eine von diesen, nämlich Jesaja, sagte, 15
nachdem er mit einem vom Altar genommenen Kohlenstück an den Lippen
gereinigt worden war, beherzt zum Herrn, der fragte, wen er senden solle:
Hier bin ich, sende mich!, und setzte freiwillig seine Seele dem höchst
mühevollen Gehorsam aus. Der andere aber, nämlich Moses, lehnte, als der
Herr ihn zum Pharao nach Ägypten schickte, höchst demütig seine 20
Entsendung ab und sagte: Herr, sende, wen du senden willst; mit diesen
Worten forderte er zugleich auch die Ankunft des Herrn in dieser Welt
durch die Fleischwerdung, damit dieser als Engel von großer Einsicht die
vollkommene Erlösung verkünde und durch seinen Tod, das heißt die
Opferung des wahren Lammes, vollende, natürlich verlangend, dass nach 25
der Übergehung des Schattens die Wahrheit enthüllt werde. Auch Johannes
der Täufer lehnte als sehr Demütiger die erhabene Aufgabe ab, Jesus zu
taufen und sagte: Ich muss von Dir getauft werden und Du kommst zu mir?
Ebenso: Ich bin nicht würdig, seine Schuhriemen zu lösen. Der Apostel
Paulus aber war beherzter und predigte, als er getauft worden war und 30
einige Tage bei den Jüngern war, die in Damaskus wohnten, sogleich in den
Synagogen von Jesus. Er dankte auch für sein Amt und sagte: Ich danke
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unserer eifrigen Tätigkeit im kirchlichen Dienst verachten und nicht meinen,
dass wir hintanzustellen seien. Es ist nämlich nicht weniger lobenswert, für
die Liebe zu den Brüdern und ihr Heil wegen Christus zu leben als sich aus
Demut für eines so großen Dienstes unwürdig zu halten, obwohl doch für
beide in gleichem Maße die Welt gekreuzigt ist, und man selbst für die 5
Welt. Daher kommt es, dass in zwei gleichermaßen vollkommenen Männern
ohne Schuld diese Verschiedenheit gefunden wird, dass der eine von diesen,
wenn er zu einem kirchlichen Amt gerufen wird, dem Willen Gottes unter
Wahrung seiner Bescheidenheit in Furcht leichter nachgibt, der andere aber
sich beharrlicher widersetzt aus Sorge, seine Ruhe zu verlieren ohne sie für 10
das Heil anderer einzutauschen. Denn jener ist jedoch nur frei von der
Sünde des Ungehorsams, wenn er nicht auch bis zum Ende im Widerspruch
verharrt. Andernfalls ist es keine wahre Demut, welcher der Ungehorsam
nicht als Begleiter folgt. Dies ist an zwei ausgezeichneten Propheten vor
aller Augen genau zu erkennen: Der eine von diesen, nämlich Jesaja, sagte, 15
nachdem er mit einem vom Altar genommenen Kohlenstück an den Lippen
gereinigt worden war, beherzt zum Herrn, der fragte, wen er senden solle:
Hier bin ich, sende mich!, und setzte freiwillig seine Seele dem höchst
mühevollen Gehorsam aus. Der andere aber, nämlich Moses, lehnte, als der
Herr ihn zum Pharao nach Ägypten schickte, höchst demütig seine 20
Entsendung ab und sagte: Herr, sende, wen du senden willst; mit diesen
Worten forderte er zugleich auch die Ankunft des Herrn in dieser Welt
durch die Fleischwerdung, damit dieser als Engel von großer Einsicht die
vollkommene Erlösung verkünde und durch seinen Tod, das heißt die
Opferung des wahren Lammes, vollende, natürlich verlangend, dass nach 25
der Übergehung des Schattens die Wahrheit enthüllt werde. Auch Johannes
der Täufer lehnte als sehr Demütiger die erhabene Aufgabe ab, Jesus zu
taufen und sagte: Ich muss von Dir getauft werden und Du kommst zu mir?
Ebenso: Ich bin nicht würdig, seine Schuhriemen zu lösen. Der Apostel
Paulus aber war beherzter und predigte, als er getauft worden war und 30
einige Tage bei den Jüngern war, die in Damaskus wohnten, sogleich in den
Synagogen von Jesus. Er dankte auch für sein Amt und sagte: Ich danke