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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0027
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1. Flandern und die vita religiosa

1.1. Die »Reform« der Klöster und Stifte bis 1100
Die Grafschaft Flandern darf als eine Gegend eher der Stifte als der Klöster bezeich-
net werden. Brigitte Meijns zählt für das Jahr 1155 insgesamt 57 Kanonikerstifte,
die Zahl der Klöster beläuft sich dagegen lediglich auf ungefähr 20.18 Während die
Ursprünge einiger Stifte in der Merowinger- und Karolingerzeit liegen, kam es vor
allem ab dem 10. Jahrhundert zu einer Welle von Neugründungen.19 Neben gräf-
lichen Stiften, die meist in direkter Nachbarschaft zu den gräflichen Burgen gegrün-
det wurden, entstanden vor allem im Süden der Grafschaft zahlreiche Kanoniker-
gemeinschaften, die den Herrschaftsausbau der lokalen Herren begleiteten.20 Der
Gottesdienst der Kanoniker und ihre Sorge um den lokalen Heiligenkult machten
die Stifte zu wichtigen spirituellen Zentren dieser Herrschaften, an denen die welt-
lichen Herren nicht selten ihre letzte Ruhestätte fanden.21 Neben den geistlichen
Aufgaben lag die Attraktivität der Kanoniker im Gegensatz zu den Mönchen vor
allem auch darin, dass sie vielfältiger einsetzbar waren, so zum Beispiel in der Ver-
waltung oder in der Seelsorge.22
Bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts zählte die Grafschaft Flandern lediglich
sechs Abteien, die allesamt Gründungen des 7. Jahrhunderts waren, nämlich Saint-
Bertin, Sint-Baafs und Sint-Pieters in Gent, Saint-Vaast in Arras, Saint-Amand
und Marchiennes. Seit der Karolingerzeit standen die Grafen von Flandern diesen
Gemeinschaften als Laienäbte vor. Erst mit der sogenannten »Reform Gerhards
18 B. Meijns, Aken of Jeruzalem?, S. 613-615; zusammenfassend Dies., L’ordre canonial, S. 5, 48-52; Dies.,
La reorientation du paysage, S. 111; neben den sechs gräflichen Abteien (Sint-Baafs, Sint-Pieters und
Saint-Bavon in Gent, Saint-Amand, Saint-Vaast in Arras und Marchiennes) steigt die Zahl der Klöster
im 11. Jahrhundert beträchtlich an. Eine Auflistung der Klöster findet sich bei S. Vanderputten, Crises of
Cenobitism, S. 263, Anm. 14.
19 Zu den alten Stiften vgl. B. Meijns, Des basiliques rurales dans le nord de la France?; Dies., La christia-
nisation des campagnes. Zu den Gründungen Dies., Les fondations de chapitres; Dies., L’ordre canonial,
S. 36-44 liefert eine ausführliche Chronologie der Gründungen. Zu den beiden bischöflichen Grün-
dungen von Maroeuil und Mont-Saint-Eloi vgl. Dies., Deux fondations exceptionnelles de collegiales.
20 Zu den frühen gräflichen Gründungen B. Meijns, In Search of Holy Bones; Dies., Les premieres collegia-
les des comtes de Flandre; zu den Gründungen der lokalen Herren vgl. Dies., L’ordre canonial, S. 24-31;
zu den von Klöstern abhängigen Stiften vgl. Dies., Communautes de chanoines dependant.
21 B. Meijns, L’election d’une sepulture; vgl. zudem den Sammelband von M. Margue (Hg.), Sepulture, mort
et representation du pouvoir au Moyen Äge.
22 B. Meijns, Les chanoines seculiers zeigt, welche Funktionen die Kanoniker in der Gesellschaft hatten;
Dies, L’ordre canonial, S. 49 weist zudem darauf hin, dass Kanoniker deren Stift von Klöstern abhing z.T.
bei der Verwaltung des Klostergutes eingesetzt wurden.
 
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