48 | 2. Analyse des Forschungsstands
Wenig anders verhält es sich mit den in einer Gemeinschaft produzierten ha-
giographischen Texten. Zum einen dienten sie dazu, das Kloster als einen »heiligen
Ort« auszuweisen, indem sie beispielsweise die Wirkkraft des lokalen Heiligen the-
matisieren und damit das Selbstbild der Mönche prägten.159 Zum anderen entwarfen
sie das Bild eines Heiligen, mit dem sich die Mönche identifizieren sollten. Nach
Arnold Angenendt war vor allem die Gründergestalt einer Gemeinschaft »Inbild
dessen, was für alle Zeit in Geltung bleiben und Bestand haben sollte.«160 Dieses
Bild war aber gerade nicht zeitlos, wie der vor allem in Frankreich blühende For-
schungszweig der »Reecriture« vor Augen führt.161 Gerade bei hagiographischen
Texten, die in Gemeinschaften oft in mehreren Versionen vorhanden waren, lassen
sich, wie Monique Goullet herausgearbeitet hat, die unterschiedlichen Methoden
erkennen, mit denen hagiographische Texte umgeschrieben wurden, wodurch sich
das Bild des Heiligen mitunter beträchtlich ändern konnte.162 Die Motive hierfür
konnten ganz unterschiedlich sein und reichen von der Verteidigung des klösterli-
chen Besitzes bis zur Unterstützung von »Reformen«.163
Neben der Produktion von Texten lässt sich die klösterliche Identität auch in
anderen Bereichen fassen. Besonders deutlich wird dies in den lokalen Heiligen-
kulten, die sich nicht nur in Texten niederschlugen, sondern auch in der Architek-
tur, Gebäuden, Räumen164 und nicht zuletzt, in der Liturgie. Vor allem Boynton
hebt die Bedeutung der liturgischen Texte in besonderem Maße hervor. Am Bei-
spiel der Abtei von Farfa konnte sie zeigen, dass die Einführung liturgischer Texte
aus Cluny durch junge Mönche dazu diente, der besonderen Verbindung Farfas zu
sierung der Orden betrachtet; vgl. C. Andenna, Heiligenviten als Gedächtnisspeicher; zur fundatio der
Orden, C. Caby, Fondation et naissance.
159 Zur Heiligkeit des Ortes vgl. N. Lozovsky, The Construction; zur Konstruktion der Heiligkeit des
Ortes in den Fundationsberichten vgl. auch J. Kastner, Historiae fundationum.
160 A. Angenendt, Die Geschichte der Religiosität, S. 227; Ders., Heilige und Reliquien, S. 125-128; dazu
auch G. Melville, Stephan von Obazine; Ders., In solitudine ac paupertate; Ders., Von der regula regu-
larum; Ders., Brückenschlag zur zweiten Generation.
161 M. Goullet, Vers une typologie; Dies., Ecriture et reecriture hagiographiques; M. Goullet, M. Heinzel-
mann (Hgg.), Miracles, vies et reecritures; M. Lauwers, Recits hagiographiques; speziell zu Flandern vgl.
K. Uge, Creating the Monastic Past.
162 M. Goullet, Vers une typologie.
163 Zur Verteidigung des Besitzes vgl. H. Platelle, Crime et chätiment; zur Reform vgl. N. Ruffini-Ronzani
und F. Neius, Societe seigneuriale, S. 100, Anm. 92. Sie verweisen auf einen Beitrag P. Henriets, der be-
tont, dass »tout recit hagiographique contemporain d’une reforme (carolingienne, gregorienne ou autre)
ne doit pas necessairement etre interprete comme une »arme« au Service de ce courant renovateur. A ce
propos, on peut d’ailleurs souligner que plus un texte hagiographique s’attache aux realites concretes
d’une Situation locale, moins il a de chance d’etre diffuse et utilise sur le long terme.« Vgl. zudem auch
Ch. Meriaux, Hagiographie et reforme ä Cambrai; N. N. Huyghebaert, Hagiographie et reforme grego-
rienne.
164 Zu den Räumen und kollektiver Identität vgl. M. Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis; R. Gehlen,
Raum; zur Architektur vgl. S. Albrecht, Die Inszenierung der Vergangenheit, der dies am Beispiel der
Abteien von Glastobury und Saint-Denis zeigt.
Wenig anders verhält es sich mit den in einer Gemeinschaft produzierten ha-
giographischen Texten. Zum einen dienten sie dazu, das Kloster als einen »heiligen
Ort« auszuweisen, indem sie beispielsweise die Wirkkraft des lokalen Heiligen the-
matisieren und damit das Selbstbild der Mönche prägten.159 Zum anderen entwarfen
sie das Bild eines Heiligen, mit dem sich die Mönche identifizieren sollten. Nach
Arnold Angenendt war vor allem die Gründergestalt einer Gemeinschaft »Inbild
dessen, was für alle Zeit in Geltung bleiben und Bestand haben sollte.«160 Dieses
Bild war aber gerade nicht zeitlos, wie der vor allem in Frankreich blühende For-
schungszweig der »Reecriture« vor Augen führt.161 Gerade bei hagiographischen
Texten, die in Gemeinschaften oft in mehreren Versionen vorhanden waren, lassen
sich, wie Monique Goullet herausgearbeitet hat, die unterschiedlichen Methoden
erkennen, mit denen hagiographische Texte umgeschrieben wurden, wodurch sich
das Bild des Heiligen mitunter beträchtlich ändern konnte.162 Die Motive hierfür
konnten ganz unterschiedlich sein und reichen von der Verteidigung des klösterli-
chen Besitzes bis zur Unterstützung von »Reformen«.163
Neben der Produktion von Texten lässt sich die klösterliche Identität auch in
anderen Bereichen fassen. Besonders deutlich wird dies in den lokalen Heiligen-
kulten, die sich nicht nur in Texten niederschlugen, sondern auch in der Architek-
tur, Gebäuden, Räumen164 und nicht zuletzt, in der Liturgie. Vor allem Boynton
hebt die Bedeutung der liturgischen Texte in besonderem Maße hervor. Am Bei-
spiel der Abtei von Farfa konnte sie zeigen, dass die Einführung liturgischer Texte
aus Cluny durch junge Mönche dazu diente, der besonderen Verbindung Farfas zu
sierung der Orden betrachtet; vgl. C. Andenna, Heiligenviten als Gedächtnisspeicher; zur fundatio der
Orden, C. Caby, Fondation et naissance.
159 Zur Heiligkeit des Ortes vgl. N. Lozovsky, The Construction; zur Konstruktion der Heiligkeit des
Ortes in den Fundationsberichten vgl. auch J. Kastner, Historiae fundationum.
160 A. Angenendt, Die Geschichte der Religiosität, S. 227; Ders., Heilige und Reliquien, S. 125-128; dazu
auch G. Melville, Stephan von Obazine; Ders., In solitudine ac paupertate; Ders., Von der regula regu-
larum; Ders., Brückenschlag zur zweiten Generation.
161 M. Goullet, Vers une typologie; Dies., Ecriture et reecriture hagiographiques; M. Goullet, M. Heinzel-
mann (Hgg.), Miracles, vies et reecritures; M. Lauwers, Recits hagiographiques; speziell zu Flandern vgl.
K. Uge, Creating the Monastic Past.
162 M. Goullet, Vers une typologie.
163 Zur Verteidigung des Besitzes vgl. H. Platelle, Crime et chätiment; zur Reform vgl. N. Ruffini-Ronzani
und F. Neius, Societe seigneuriale, S. 100, Anm. 92. Sie verweisen auf einen Beitrag P. Henriets, der be-
tont, dass »tout recit hagiographique contemporain d’une reforme (carolingienne, gregorienne ou autre)
ne doit pas necessairement etre interprete comme une »arme« au Service de ce courant renovateur. A ce
propos, on peut d’ailleurs souligner que plus un texte hagiographique s’attache aux realites concretes
d’une Situation locale, moins il a de chance d’etre diffuse et utilise sur le long terme.« Vgl. zudem auch
Ch. Meriaux, Hagiographie et reforme ä Cambrai; N. N. Huyghebaert, Hagiographie et reforme grego-
rienne.
164 Zu den Räumen und kollektiver Identität vgl. M. Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis; R. Gehlen,
Raum; zur Architektur vgl. S. Albrecht, Die Inszenierung der Vergangenheit, der dies am Beispiel der
Abteien von Glastobury und Saint-Denis zeigt.