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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0056
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52 | 2. Analyse des Forschungsstands
Namen, Taten, Besitzfolgen in Urkunden, aber auch in jeder anderen Form der
Dokumentation dazu diente, das Gedenken an die jeweilige Familie, ihre Mitglie-
der und ihren Besitz für die Nachwelt zu bewahren.180 Der Gebrauch der Schrift
machte die Mönche also zu wahren Spezialisten der Memoria.
Ab dem 11. Jahrhundert kam den Mönchen darüber hinaus die Rolle der unver-
zichtbaren Heilsvermittler zu, deren Nähe zu suchen nun besonders wichtig wur-
de.181 Dass adlige Schenkungen aber nicht ausschließlich auf die Gebetsleistungen
der Brüder abzielten, sondern auf die Fürsprache der örtlichen Heiligen, veran-
schaulicht Barbara Rosenweins Studie zu Cluny.182 Sie konnte außerdem plausibel
machen, dass das Schenken von Land, seine Usurpation und Restitution letztlich
Ritualen glichen, die darauf abzielten, die Verbindungen zwischen den Adligen und
dem Kloster zu festigen.183
Zentral für das Verhältnis zwischen dem Kloster und den weltlichen Herren
war somit der Gedanke der Amicitia.184 Die Freundschaft mit den Mönchen und
den Klosterheiligen war nicht nur heilbringend, sondern auch Zeichen der Macht
und des Status.185 Die Gründung von Klöstern, die Übertragung von Besitz, die
Förderung von Heiligenkulten, die Translation von Reliquien und die Sorge um das
spirituelle Leben der Brüder gehörten ursprünglich zur königlichen oder gräflichen
Politik.186 Der Übergang dieser Praktiken auf die kleineren adligen Herren oder
Ministerialen wurde von der Forschung daher als imitatio comitis interpretiert.187
Vor allem für niederadlige oder ministeriale Familien, die den sozialen Aufstieg an-

180 Ph. Depreux, La dimension publique; E. Santinelli, Les femmes et la memoire; H. Couderc-Barraud,
Donation pieuse.
181 Vgl. dazu E Mazel, Monachisme et aristocratie, S. 66-67, 72-73; Ders., Amitie et rupture.
182 B. Rosenwein, To Be the Neighbor. Das kurz zuvor erschienene Werk C. B. Bouchard, Sword, Miter,
and Cloister behandelt den selben Raum
183 B. Rosenwein, To Be the Neighbor, S. 49-65, 115-125. C. B. Bouchard, Sword, Miter, and Cloister
findet hingegen keine Erklärung für das Phänomen der quiteclaims. In C. B. Bouchard, Holy Entrepre-
neurs wird Rosenweins These aber schon bald rezipiert. Auf ein ebenfalls breites Echo traf Rosenweins
These in den Arbeiten S. Vanderputtens und B. Meijns’.
184 E Mazel, Amitie et rupture; Ders., Seigneurs, moines et chanoines.
185 Dies zeigt beispielsweise S. Vanderputten, Monks, Knights, and the Enactment für den Raum Flandern.
186 Weiterführende Literatur zu diesem Phänomen in unterschiedlichen Gegenden findet sich bei E Ma-
zel, Monachisme et aristocratie, S. 53-59; für den Raum Flandern sei verwiesen auf die Arbeiten von
B. Meijns, L’ordre canonial; Dies., Communaute de chanoines; Dies., Deux fondations; Dies., Les pre-
mieres collegiales; zur Unterstützung der Klosterreform durch flandrische Grafen vgl. W. Mohr, Studien
zur Klosterreform; zur Translation von Reliquien E. Bozoky, La politique des reliques.
187 Zur imitatio regis / comitis vgl. F. Mazel, Monachisme et aristocratie, S. 53-59. Vor diesem Hintergrund
dürfte die ab dem 11. Jahrhundert immer häufiger auftretende Verbindung von Burg und Stift/Priorat
gesehen werden. Dazu ebd., S. 74.
 
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