58 | 2. Analyse des Forschungsstands
chanismen und Strukturen, die Dauerhaftigkeit gewährten, nach der Funktionswei-
se von Institutionen, nach ihrer Symbolizität und ihrer Identität, und schließlich da-
nach, wie sie ihre Leitideen vermittelten und umsetzten. Für diese Fragestellungen
boten sich die mittelalterlichen Orden des 12. und 13. Jahrhunderts besonders an.
Institutionalisierung am Beispiel der mittelalterlichen vita religiosa
»Aucune autre forme de vie que la vita religiosa, tant monastique que canoniale,
ne tend de fagon aussi consequente ä une >institutionalisation totale< et n’atteint ce
but de fagon aussi prononcee.«224 In Klöstern und Orden war die dem Institutio-
nenbegriff zugrundeliegende Kohärenz zwischen Organisation, normativen Ver-
haltensstrukturen und Leitideen besonders stark gegeben. Der Eintritt ins Klos-
ter verlangte die freiwillige und totale Abkehr des ganzen Menschen von der Welt
und die Annahme einer neuen Identität.225 Mönchsein bedeutete somit nicht nur
sich voll und ganz einer Organisation unterzuordnen, die sämtliche Lebensberei-
che aufs Genaueste regelte, sondern auch die Werte und spirituellen Leitideen, die
proposita, des entsprechenden Klosters zu verinnerlichen.226 Die Dauerhaftigkeit
der Kohärenz zwischen Leitideen, Normen und Organisation konnte aber nur
durch bestimmte »Instanzen« gewährt werden. Das individuelle Gewissen,227 pa-
ränetische Texte,228 Exemplasammlungen229 und charismatische Persönlichkeiten230
sind hier ebenso zu nennen wie das »Korsett eines organisatorischen Gefüges«.231
Mündlich tradierte Gebräuche, schriftliche Rechtssatzungen, Rechtsentscheide und
Verwaltungsmaßnahmen dienten dazu, lebenspraktische Ordnungen zu struktu-
rieren, Verfahrensabläufe zu bestimmen, Devianz vorzubeugen und Sanktionen zu
ermöglichen.232 Die ab dem 12. Jahrhundert entstehenden Orden verkörpern diese
Art der Institutionalisierung in besonderer Weise. Vor allem die Organisationsform
224 E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches historiographiques, S. 316.
225 G. Melville, Der Mönch als Rebell, S. 153.
226 E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches historiographiques, S. 316-317; G. Melville, Artikel »Reli-
giosentum - Köster und Orden«, S. 99.
227 G. Melville, Der Mönch als Rebell; Ders., In privatis locis; Ders., M. Schürer (Hgg.), Das Eigene und
das Ganze.
228 M. Breitenstein, Das Noviziat im hohen Mittelalter; Ders., De novitiis; besonderes Interesse galt dem
Gehorsam, vgl. dazu den Sammelband S. Barret, G. Melville (Hgg.), Oboedientia; G. Melville, Im Zei-
chen der Allmacht.
229 M. Schürer (Hg.), Das Exemplum.
230 Vgl. den Sammelband G. Melville (Hg.), Charisma und religiöse Gemeinschaften und darin Ders., Ste-
phan von Obazine.
231 G. Melville, Artikel »Religiosentum - Köster und Orden«, S. 100.
232 G. Melville, Artikel »Religiosentum - Köster und Orden«, S. 100.
chanismen und Strukturen, die Dauerhaftigkeit gewährten, nach der Funktionswei-
se von Institutionen, nach ihrer Symbolizität und ihrer Identität, und schließlich da-
nach, wie sie ihre Leitideen vermittelten und umsetzten. Für diese Fragestellungen
boten sich die mittelalterlichen Orden des 12. und 13. Jahrhunderts besonders an.
Institutionalisierung am Beispiel der mittelalterlichen vita religiosa
»Aucune autre forme de vie que la vita religiosa, tant monastique que canoniale,
ne tend de fagon aussi consequente ä une >institutionalisation totale< et n’atteint ce
but de fagon aussi prononcee.«224 In Klöstern und Orden war die dem Institutio-
nenbegriff zugrundeliegende Kohärenz zwischen Organisation, normativen Ver-
haltensstrukturen und Leitideen besonders stark gegeben. Der Eintritt ins Klos-
ter verlangte die freiwillige und totale Abkehr des ganzen Menschen von der Welt
und die Annahme einer neuen Identität.225 Mönchsein bedeutete somit nicht nur
sich voll und ganz einer Organisation unterzuordnen, die sämtliche Lebensberei-
che aufs Genaueste regelte, sondern auch die Werte und spirituellen Leitideen, die
proposita, des entsprechenden Klosters zu verinnerlichen.226 Die Dauerhaftigkeit
der Kohärenz zwischen Leitideen, Normen und Organisation konnte aber nur
durch bestimmte »Instanzen« gewährt werden. Das individuelle Gewissen,227 pa-
ränetische Texte,228 Exemplasammlungen229 und charismatische Persönlichkeiten230
sind hier ebenso zu nennen wie das »Korsett eines organisatorischen Gefüges«.231
Mündlich tradierte Gebräuche, schriftliche Rechtssatzungen, Rechtsentscheide und
Verwaltungsmaßnahmen dienten dazu, lebenspraktische Ordnungen zu struktu-
rieren, Verfahrensabläufe zu bestimmen, Devianz vorzubeugen und Sanktionen zu
ermöglichen.232 Die ab dem 12. Jahrhundert entstehenden Orden verkörpern diese
Art der Institutionalisierung in besonderer Weise. Vor allem die Organisationsform
224 E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches historiographiques, S. 316.
225 G. Melville, Der Mönch als Rebell, S. 153.
226 E Cygler, G. Melville, Nouvelles approches historiographiques, S. 316-317; G. Melville, Artikel »Reli-
giosentum - Köster und Orden«, S. 99.
227 G. Melville, Der Mönch als Rebell; Ders., In privatis locis; Ders., M. Schürer (Hgg.), Das Eigene und
das Ganze.
228 M. Breitenstein, Das Noviziat im hohen Mittelalter; Ders., De novitiis; besonderes Interesse galt dem
Gehorsam, vgl. dazu den Sammelband S. Barret, G. Melville (Hgg.), Oboedientia; G. Melville, Im Zei-
chen der Allmacht.
229 M. Schürer (Hg.), Das Exemplum.
230 Vgl. den Sammelband G. Melville (Hg.), Charisma und religiöse Gemeinschaften und darin Ders., Ste-
phan von Obazine.
231 G. Melville, Artikel »Religiosentum - Köster und Orden«, S. 100.
232 G. Melville, Artikel »Religiosentum - Köster und Orden«, S. 100.