60 2. Analyse des Forschungsstands
haltensstrukturen und Organisation wieder herzustellen.240 Am Beispiel Bernhards
von Clairvaux und Petrus’ Venerabilis zeigt Melville, dass die klösterlichen Nor-
men durchaus nach Veränderlichem und Unveränderlichem ausdifferenziert wur-
den.241 »Stabilität also glaubte man nicht allein durch eine innere und unberührbare
Abgehobenheit von dieser Welt zu erreichen, [...] sondern auch durch ein Eingehen
auf die sich verändernden Bedingungen der Welt.«242 Gerade angesichts der großen
Konkurrenz zwischen den Orden war es besonders wichtig, die Attraktivität des
propositum zu bewahren und zeitgemäß umzusetzen.243 Melville unterscheidet
bei »Reform« schließlich zwischen zwei Erscheinungsformen: Zum einen können
damit repetitive Korrekturen (Dauerreform) gemeint sein, zum anderen auch ein-
malige grundlegende Veränderungen.244 »Reform« ist somit letztlich ein zentraler
Begriff für die Institutionalisierung der vita religiosa und scheint gerade in der Zeit
um 1100 von größter Aktualität gewesen zu sein.
2.6. Der religiöse Aufbruch um 1100
In seinen um 1115 entstandenen Monodiae berichtet Guibert von Nogent ausführ-
lich über die Konversion Eberhards von Breteuil, Simons von Crepy und Brunos
von Köln, um verständlich zu machen, weshalb sich seine eigene Mutter, während
er selbst noch ein Kind war, für ein religiöses Leben entschieden hatte.245 Zu jener
Zeit habe man sich nämlich, so Guibert, am Beginn eines wahren Konversionszeit-
240 In diesem Sinne K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung; G. Melville, Aspekte zum Vergleich,
S. 151 formuliert in Hinblick auf seinen Vergleich eine »ganz einfache und heuristisch brauchbare Defi-
nition von »Krise« und »Reform«, die da lautete: »Unter »Krise« werden hier verstanden eine mit einem
Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation angesichts anhaltender massiver Störungen im Gefüge
einer religiösen Lebensform; unter »Reform« werde verstanden eine sich über einen gewissen Zeitraum
erstreckende, planvolle Veränderung von aktuellen Zuständen mit der Absicht, diese zu verbessern.«
Vgl. auch H. M. Baumgartner, Institutionen und Krise.
241 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 146-147; zuvor bereits K. Schreiner, Dauer, Niedergang und
Erneuerung, S. 319.
242 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 147.
243 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 148; Zur Konkurrenz zwischen den Orden vgl. Ders., »Unitas«
e »diversitas«; Ders., »Diversa sunt monasteria«.
244 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 153.
245 Guibert de Nogent, Autobiographie, I, c. 8-11, S. 48-75; Zu Guiberts Mutter und zu den Parallelen
zu Augustinus und der Rolle Monicas vgl. S. Hallenstein, Nachbildung und Umformung; E Amary,
The Confessional Superstraction; H. Röckelein, Zwischen Mutter und Maria; die Psychohistorie hat
sich besonders für dieses Mutter-Sohn-Verhältnis interessiert J. E Benton, The Personality of Guibert;
J. Kantor, A Psychohistorical Source; C. Ferguson, Autobiography as Therapy; Kritik an der Psycho-
historie äußert M. D. Coupe, The Personality of Guibert.
haltensstrukturen und Organisation wieder herzustellen.240 Am Beispiel Bernhards
von Clairvaux und Petrus’ Venerabilis zeigt Melville, dass die klösterlichen Nor-
men durchaus nach Veränderlichem und Unveränderlichem ausdifferenziert wur-
den.241 »Stabilität also glaubte man nicht allein durch eine innere und unberührbare
Abgehobenheit von dieser Welt zu erreichen, [...] sondern auch durch ein Eingehen
auf die sich verändernden Bedingungen der Welt.«242 Gerade angesichts der großen
Konkurrenz zwischen den Orden war es besonders wichtig, die Attraktivität des
propositum zu bewahren und zeitgemäß umzusetzen.243 Melville unterscheidet
bei »Reform« schließlich zwischen zwei Erscheinungsformen: Zum einen können
damit repetitive Korrekturen (Dauerreform) gemeint sein, zum anderen auch ein-
malige grundlegende Veränderungen.244 »Reform« ist somit letztlich ein zentraler
Begriff für die Institutionalisierung der vita religiosa und scheint gerade in der Zeit
um 1100 von größter Aktualität gewesen zu sein.
2.6. Der religiöse Aufbruch um 1100
In seinen um 1115 entstandenen Monodiae berichtet Guibert von Nogent ausführ-
lich über die Konversion Eberhards von Breteuil, Simons von Crepy und Brunos
von Köln, um verständlich zu machen, weshalb sich seine eigene Mutter, während
er selbst noch ein Kind war, für ein religiöses Leben entschieden hatte.245 Zu jener
Zeit habe man sich nämlich, so Guibert, am Beginn eines wahren Konversionszeit-
240 In diesem Sinne K. Schreiner, Dauer, Niedergang und Erneuerung; G. Melville, Aspekte zum Vergleich,
S. 151 formuliert in Hinblick auf seinen Vergleich eine »ganz einfache und heuristisch brauchbare Defi-
nition von »Krise« und »Reform«, die da lautete: »Unter »Krise« werden hier verstanden eine mit einem
Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation angesichts anhaltender massiver Störungen im Gefüge
einer religiösen Lebensform; unter »Reform« werde verstanden eine sich über einen gewissen Zeitraum
erstreckende, planvolle Veränderung von aktuellen Zuständen mit der Absicht, diese zu verbessern.«
Vgl. auch H. M. Baumgartner, Institutionen und Krise.
241 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 146-147; zuvor bereits K. Schreiner, Dauer, Niedergang und
Erneuerung, S. 319.
242 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 147.
243 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 148; Zur Konkurrenz zwischen den Orden vgl. Ders., »Unitas«
e »diversitas«; Ders., »Diversa sunt monasteria«.
244 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 153.
245 Guibert de Nogent, Autobiographie, I, c. 8-11, S. 48-75; Zu Guiberts Mutter und zu den Parallelen
zu Augustinus und der Rolle Monicas vgl. S. Hallenstein, Nachbildung und Umformung; E Amary,
The Confessional Superstraction; H. Röckelein, Zwischen Mutter und Maria; die Psychohistorie hat
sich besonders für dieses Mutter-Sohn-Verhältnis interessiert J. E Benton, The Personality of Guibert;
J. Kantor, A Psychohistorical Source; C. Ferguson, Autobiography as Therapy; Kritik an der Psycho-
historie äußert M. D. Coupe, The Personality of Guibert.