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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0066
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62 | 2. Analyse des Forschungsstands
ten, ist in der Zwischenzeit durch die in der Forschung weithin auf Zustimmung
gestoßene Studie John van Engens widerlegt.253 Gerade Cluny als Inbegriff des
»traditionellen Mönchtums« habe um 1100 seinen absoluten Höhepunkt erreicht,
was sich erst nach dem Tod Hugos von Semur mit dem turbulenten Abbatiat des
Pontius von Melgueil ändern sollte.254 Nicht nur in Cluny, sondern auch in vielen
anderen Klöstern lässt sich eine steigende Zahl von conversi feststellen, was mitun-
ter große Herausforderungen für das gemeinschaftliche Leben mit sich brachte und
sich in den Quellen auf vielfältige Weise fassen lässt.255 Vor allem dem Phänomen
der Adelskonversion ging die Forschung in diesem Zusammenhang mit den unter-
schiedlichsten Fragestellungen nach.256
Das Verlangen nach einem religiösen Leben konnte aber auch in eremo und
somit in eine ganz andere Richtung weisen. War das Einsiedlerdasein von Benedikt
durchaus gewollt und das eigentliche Ziel des gemeinschaftlichen Lebens, erhielt es
nun eine ganz neue Ausrichtung. Die neuen Eremiten waren in den meisten Fällen
nicht mehr »durch Bewährung im klösterlichen Alltag geschult« (RB 1, 1-5), son-
dern kehrten sich ab von den herkömmlichen Institutionen der vita religiosa und
ihren Idealen. Stattdessen versuchten sie auf die unterschiedlichsten Weisen, ihren
eigenen Weg zu einem gottgefälligen Leben zu finden.257
In der Forschung hat man sich immer wieder die Frage nach den Gründen für
diese Entwicklung gestellt. Ein zentrales Argument sah man sicher in der Unzufrie-
denheit der Zeitgenossen mit den bestehenden Institutionen. Andre Vauchez be-
tont diesbezüglich aber, dass der Entschluss zu einem Leben in eremo weniger aus
253 J. Leclercq, La crise du monachisme; N. E Cantor, The Crisis of Western Monasticism; J. H. van Engen,
The »Crisis of cenobitism«. Eine ausführliche Bibliographie zu dieser Kontroverse findet sich bei C.
Sereno, La »crisi del cenobitismo«.
254 Dazu J. Wollasch, Das Schisma des Abtes Pontius; N. Bulst, Artikel »Pontius«; E. J. Cowdrey, Two
Studies, II. Abbot Pontius of Cluny; A. H. Bredero, A propos de l’autorite; Ders., J. Leclercq, P. Zerbi,
Encore sur Pons de Cluny; P. Zerbi, Intorno allo scisma di Ponzio; Ders., Ancora intorno a Ponzio;
G. Tellenbach. Der Sturz des Abtes Pontius; Ders., La chute de l’abbe Pons. Speziell zum Verhältnis
zwischen Cluny und Citeaux und dem Pontius-Schisma vgl. P. Zerbi, Cluny e Citeaux; J. B. van Damme,
Bernard de Clairvaux et Pons.
255 Eadmer, Liber de similitudinibus, MPL 159, Sp. 649f berichtet über innerklösterliche Konflikte zwi-
schen der Gruppe der conversi und jener der nutriti-, Guibert thematisiert in einigen Berichten, die stark
Exempla gleichen und sich an die Gruppe der conversi richten, wie folgenschwer mangelnde Eignung,
Verhaftung in der Welt und falscher und oberflächlicher Enthusiasmus für das klösterliche Leben sein
kann. Besonders deutlich wird dies, wenn Guibert, Autobiographie, I, c. 15, S. 118 zusammenfasend
bemerkt: »Plurimis [...] adversus nuper conversos, seu eos qui ad hoc propositum semper aspirant,
vehementius daemones acerbari.«; I. Cochelin, Peut-on parier konnte für Cluny zeigen, dass die Abfas-
sung der Consuetudines Bernhards eng mit der steigenden Zahl der conversi zusammenhing, die somit
letztlich eine andere Methode beim Erlernen des Mönchtums erforderlich machte.
256 Siehe dazu Anm. 131.
257 H. Leyser, Hermits and the New Monasticism; Dies., The New Eremitical Movement; zu Nordfrank-
reich J. Heuclin, Aux origines monastiques; A. M. Helvetius, Ermites ou moines.
 
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