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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0072
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68 | 3. Fragestellung

Stands.274 Da der Begriff der correctio in den dieser Arbeit zugrundeliegenden Quel-
lentexten am häufigsten erscheint und in der bisherigen Literatur zur Geschichte
des Mönchtums frei von jeglichen forschungsgeschichtlichen Konnotationen ist,
soll im Folgenden der Begriff der »Reform«, genauer gesagt jener der »Kloster-
reform« durch den Begriff der correctio ersetzt werden. Die Verwendung dieses
Quellenbegriffs ist aber keinesfalls nur ein Etikettenwechsel, der sich letztlich auf
dieselben in der Forschung vorherrschenden Modelle und Konzepte von »Reform«
bezieht. Vielmehr verweist dieser zeitgenössische Begriff auf weit vielfältigere und
äußerst komplexe Prozesse und bricht damit in weiten Teilen mit den verbreiteten
Vorstellungen von »Reform«.
Die correctio eines Klosters lässt sich auf den spirituellen, organisatorischen,
personellen, rechtlichen, wirtschaftlichen und herrschaftspolitischen Bereich bezie-
hen. Befasst man sich mit der correctio von Klöstern, muss es zu allererst darum
gehen, eben diese Veränderungen, in der individuellen Ausprägung der einzelnen
Klöster, so genau wie möglich zu beschreiben. Da die vier Klöster, auf denen diese
Studie basiert, - Saint-Bertin, Marchiennes, Saint-Martin und Anchin - eine gute
Überlieferung erzählender Quellen aufweisen, sollen zunächst diese Texte im Vor-
dergrund stehen. Von zentraler Bedeutung sind in diesem Zusammenhang vor allem
jene Texte, die im direkten Kontext einer correctio stehen und als deren Überreste
anzusehen sind. Das Interesse wird ferner den erzählenden Texten gelten, die die
Ereignisse zwar aus zeitlicher Distanz, aber aus der reflektierten Perspektive von
Augenzeugen nachzeichnen. Der Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit
umfasst daher in seinem Kern die Zeit von 1100 bis 1140.
An die erzählenden Texte wird zunächst die Frage zu richten sein, welche Er-
kenntnisse sie über die jeweiligen Akteure und Interessensgruppen, über Inhalt,
Umsetzung und Wirkung einer correctio liefern, um das so gewonnene Bild schließ-
lich mit der übrigen zeitgenössischen Überlieferung, das heißt den dokumenta-
rischen Quellen und am Rande auch den liturgischen und theologischen Schriften
abzugleichen.
Gerade in Hinblick auf die Tatsache, dass viele zeitgenössische erzählende Texte
nur äußerst wenig über die correctio ihres Klosters berichten, drängt sich natürlich
die Frage auf, weshalb andere Autoren die correctio ihrer Gemeinschaft besonders
detailliert thematisieren. Wie ist es außerdem zu bewerten, wenn sich Verände-
rungen fassen lassen, die in der Forschung bislang als klassische Indikatoren für die

274 G. Melville, Aspekte zum Vergleich, S. 149-150 weist zudem darauf hin, dass der Reformrhetorik die
Vorstellung zugrunde gelegen habe, dass man nichts Neues schaffen dürfe, dies letztlich aber dennoch
tun konnte.
 
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