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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0082
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78 | 4. Die Grafschaft Flandern

Die gräflichen Burgen waren nicht nur Zeichen der gräflichen Macht, sondern auch
wichtige Verwaltungszentren, an deren Spitze der Kastellan als Repräsentant des
Grafen und Inhaber der gräflichen Rechte stand. Der Kastellan war daher mit mi-
litärischen Aufgaben, der Rechtsprechung, aber auch mit der wirtschaftlichen Ver-
waltung betraut.307
Roberts gleichnamiger Sohn wurde seit 1080 an der Herrschaft seines Vaters
beteiligt, setzte aber nach dessen Tod 1093 eigene Akzente.308 Besondere Bedeu-
tung kommt sicherlich seiner Unterstützung der Kirchenreform innerhalb der
Grafschaft zu. Immer wieder hat die Forschung gezeigt, dass die Initiative hierzu
meist von seiner Gattin, der aus Burgund stammenden Clementia, ausging.309 Als
Schwester Guidos von Vienne, der als Papst Calixt II. den Stuhl Petri besteigen
sollte, sprach man ihr eine besondere Affinität zu den Idealen der Kirchenreform
und besonders zur burgundischen Abtei von Cluny zu.310 Als Robert II. 1096 auf
den ersten Kreuzzug aufbrach, übernahm Clementia bis zu seiner Rückkehr im
Frühjahr 1100 die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn Balduin.311 Während
der Abwesenheit ihres Gatten unterstützte die Gräfin die Kirchenreform in ihrer
Grafschaft mit Nachdruck.312 So wurde unter ihrer Regentschaft Johannes von War-
neton zum Bischof von Therouanne berufen. Er und Bischof Lambert von Arras er-
wiesen sich in der Folge, wie die Forschung zeigen konnte, als große Verfechter der
Ideale der Kirchenreform und prägten die flandrische Kirchenpolitik maßgeblich.313
der Grafen vgl. das Beispiel des benachbarten Hennegau: M. de Waha, Chäteaux et paysage dans le
Hainaut medieval. Zu den Anfängen der Territorialisierung in Flandern vgl. E Petri, Territorienbildung
und Territorialstaat.
307 A. Verhulst, Die gräfliche Burgenverfassung, S. 279-280; J. de Meulemeester, u.a., Le chäteau comme
residence; zur Rolle der gräflichen Burgen als Gerichtsorte vgl. E L. Ganshof, Recherches sur les tribu-
naux de chätellenie; J. E Nieus, Du donjon au tribunal.
308 Robert II. führte den Grafentitel ab 1080. Zwischen 1086 und 1089 wurde er von seinem Vater mit
der Herrschaft über die Grafschaft betraut, als sich dieser auf eine Pilgerreise ins Heilige Land begab.
Zu Robert II. vgl. Th. De Hemptinne, Artikel »Robert II. von Jerusalem«, Sp. 895. Die Verbindungen
Roberts I. mit Alexios Komnenos sind hinlänglich untersucht worden: M. de Waha, La lettre d’Alexis
Comnene; C. Cahen, La politique orientale et les comtes de Flandre; F. L. Ganshof, Robert le Frison et
Alexis Comnene; H. Pirenne, A propos de la lettre d’Alexis.
309 Zu Clementia vgl. Th. de Hemptinne, Artikel »Clementia«; Dies., De gravinnen van Vlaanderen;
H. Sproemberg, Clementia.
310 H. Sproemberg, Alvisus, S. 41-46; Ders., Clementia; E. Sabbe, La reforme clunisienne; Th. de Hemp-
tinne, Artikel »Clementia«, Sp. 2151: »[...] sie war die eigentliche Wegbereiterin der gregorianischen
Reform in Flandern.«
311 Th. de Hemptinne, Les epouses des croises untersucht die Rolle Clementias während der Abwesenheit
ihres Mannes. Zu Roberts II. Kreuzzug vgl. M. M. Knappen, Robert II of Flanders. Zum Datum der
Rückkehr vgl. J. M. de Smet, Quand Robert II confia-t-il?
312 Th. de Hemptinne, Women as Mediators.
313 Zu Johannes von Warneton vgl. Gautier de Therouanne, Vita domni Johannis. Zu seiner Rolle als »Re-
former« vgl. B. M. Tock, Jean de Warneton, der diesen zwar als »Reformer« sieht, aber darauf hinweist,
dass Lambert von Arras im Vergleich eine noch pointiertere »Reformpolitik« betrieb; M. Garnier, Jan
van Waasten; J. M. Duvosquel, Une fondation de l’eveque; W. Simons, Jean de Warneton (bzw. Ders., Jan
 
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