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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Editor]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0094
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1. Die Abtei von Saint-Bertin/Sithiu
von den Anfängen bis 1100
Die Abtei von Saint-Bertin zählte zu den ältesten und bedeutendsten Mönchs -
gemeinschaften der Grafschaft Flandern. Ihre Gründung ging nach dem Zeugnis
der Vita Audomari prima zurück auf Audomar, einen aus Coutance stammenden
Mönch der Abtei von Luxeuil, der in den 630er Jahren zum Bischof des neu gegrün-
deten Bistums Therouanne aufgestiegen war.362 Als Bischof habe sich Audomar vor
allem auf den lokalen Adel stützen können und so habe ihm ein gewisser Adroald,
nachdem er vom Bischof bekehrt und getauft worden war, einen beträchtlichen
Teil seiner villa von Sithiu vermacht. Auf diesem Stück Land habe Audomar in
der Folgezeit eine der Gottesmutter geweihte Kirche errichtet und eine Mönchsge-
meinschaft mit dem Gottesdienst betraut.363 Hierfür ließ er drei Mönche aus seiner
Heimat Coutance mit Namen Mummolinus, Ebertramnus und Bertinus herbei-
kommen, die schließlich nördlich des heutigen Saint-Omer am Ufer der Aa ein
Kloster errichteten, das später als vetus monasterium bezeichnet wurde.364 Da sich
die Lage dieses Klosters als ungeeignet erwiesen habe, wurde es auf eine Insel in
der Aa, südlich des heutigen Saint-Omer, verlegt. Die Leitung des neuen, dem hei-
ligen Petrus geweihten Klosters übernahm zunächst Mummolinus. Doch bereits
nach kurzer Zeit wurde er Bischof von Noyon und musste die kleine Gemeinschaft
verlassen. Auch sein Gefährte Ebertramnus kehrte der Gemeinschaft den Rücken
zu, da er zum Abt von Saint-Quentin gewählt worden war, so dass die Leitung
des Petrusklosters in Sithiu schließlich Bertinus oblag.365 Während seines Abbatiats
habe die Gemeinschaft zu blühen begonnen, was nicht zuletzt in der von dieser
Gemeinschaft ausgehenden Gründung anderer Klöster sichtbar wurde.366 In seinen
362 Die Vita Sancti Audomari prima wurde zu Beginn des 9. Jahrhunderts in Saint-Bertin verfasst. Sie be-
inhaltet die älteste Fundationserinnerung der Abtei. Einen konzisen Überblick über die Anfänge der
Abtei findet sich bei K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 19-36; zu den Äbten der Abtei vgl. die
ältere Darstellung von H. de Laplane, Les abbes de Saint-Bertin. Zu Audomar Vita Audomari prima,
c. 1, 2, S. 754-755; zum Bistum Therouanne vgl. Ch. Meriaux, Therouanne et son diocese, S. 377-406;
J. Heuclin, Le diocese de Therouanne, S. 81-88.
363 Vita Sancti Audomari prima, c. 10, S. 759-760. Die Schenkung Adroalds wird auch in einer Urkunde
vom 6. September 649 dokumentiert: Diplomata belgica, Bd. 1, D 1, S. 6. Zu dieser Urkunde und zur
Frage der Authentizität vgl. K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 23, 55-56.
364 Vita Sancti Audomari prima, c. 9, S. 758-759.
365 Vita Sancti Audomari prima, c. 11-12, S. 760-762.
366 K. Uge, Creating the Monastic Past, S. 23-25; eine bedeutende Quelle zu den Anfängen Sithius ist die
Urkunde Bischof Audomars von 663. E. Ewig, Das Privileg des Bischofs Audomar, S. 507-537; zuletzt
L. Morelle, Nouveaux regards, S. 11-30.
 
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