2. Die correctio von Saint-Bertin | 103
gie darstellte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Bedenkt man aber, dass im Falle
von Saint-Bertin mit dem Widerstand der Großen eigentlich nur jene gemeint sein
können, die unmittelbar von der correctio des Klosters betroffen waren, kann es
sich nur um den Vogt des Klosters und den Kastellan des benachbarten Saint-Omer
gehandelt haben. In der Urkunde Clementias wird aber betont, dass die genannten
Bestimmungen mit Zustimmung eben dieser Großen gefasst wurden.445 Hugo be-
wirkte also mit seinem Zögern, dass die Gräfin nun entschieden gegen den etwaigen
Widerstand der Großen vorging und sie sogar zu Unterstützern dieses Projektes
machte. Ein weiterer Grund für Hugos Zögern kann man aus den Modalitäten he-
rauslesen, die mit der Übertragung Saint-Bertins an Cluny verbunden waren. So
bekräftigte Urban II. diesbezüglich das von der Gräfin zugestandene Recht, den
Abt von Sithiu absetzen und durch einen Cluniazenser ersetzen zu können, um
der neuen Lebensweise Dauerhaftigkeit zu verleihen.446 Da dieselbe Bestimmung in
der Urkunde Clementias bestätigt wird, zeigt sich, dass eben diese Frage nach dem
Amt des Abtes und dessen Nachfolge in den Verhandlungen eine zentrale Rolle
spielte.447 Clementia fügte allerdings noch weitere Zugeständnisse hinzu, nämlich
die Abtretung sämtlicher gräflicher Rechte an Cluny.448 Da im päpstlichen Brief
davon keine Rede ist, kann angenommen werden, dass es vor der Abfassung der
gräflichen Urkunde diesbezüglich weitere Verhandlungen zwischen der Gräfin und
Hugo gegeben hatte.
Beide Texte zeigen auf besondere Weise, dass zum einen ein nicht unbeträchtli-
cher Kreis von Akteuren an der Entscheidung zu einer correctio der großen fland-
rischen Abtei beteiligt war und, dass zum anderen zwischen den Beteiligten im
Vorfeld äußerst intensiv verhandelt wurde. Simons Erzählung weist lediglich auf
die geheimen Gespräche zwischen Lambert und Clementia hin, die seinem ersten
missglückten Versuch einer correctio folgten. Zudem datiert er sie auf das Jahr 1101,
was allerdings Probleme der Chronologie aufwirft. Diese lassen sich aber leicht
beheben, wenn man Simons Gesta abbatum etwas genauer betrachtet.
attenderem, vosque discordias procerum ac ipsius loci fratrum vereri, ad id primum audacter respondeo
445 A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3733bis, S. 838: »Johannis, Travanensis, et
Lanberti, Atrebatensis, ac obtimatum meorum, scilicet: Rodberti de Betunia, ipsius abbatiae advocati,
atque Balduini, ejusdem villae castellani, necnon Baldrici, magne probitatis viri.« Neben diesen Großen
war die Frage der correctio aber auch für alle übrigen Lehnsträger und Amtsleute des Klosters von Be-
deutung, wie der Brief des Johannes von Therouanne an Papst Paschalis II. von 1112 verdeutlicht; siehe
dazu unten S. 117-118.
446 A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3733bis, S. 838.
447 D. Poeck, Cluniacensis ecclesia, S. 99-101.
448 So könnte man die Formulierung in A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3733bis,
S. 837-838: »quecumque juris mei sunt ordinans, atque disponens [...] libenter concedimus« interpre-
tieren.
gie darstellte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Bedenkt man aber, dass im Falle
von Saint-Bertin mit dem Widerstand der Großen eigentlich nur jene gemeint sein
können, die unmittelbar von der correctio des Klosters betroffen waren, kann es
sich nur um den Vogt des Klosters und den Kastellan des benachbarten Saint-Omer
gehandelt haben. In der Urkunde Clementias wird aber betont, dass die genannten
Bestimmungen mit Zustimmung eben dieser Großen gefasst wurden.445 Hugo be-
wirkte also mit seinem Zögern, dass die Gräfin nun entschieden gegen den etwaigen
Widerstand der Großen vorging und sie sogar zu Unterstützern dieses Projektes
machte. Ein weiterer Grund für Hugos Zögern kann man aus den Modalitäten he-
rauslesen, die mit der Übertragung Saint-Bertins an Cluny verbunden waren. So
bekräftigte Urban II. diesbezüglich das von der Gräfin zugestandene Recht, den
Abt von Sithiu absetzen und durch einen Cluniazenser ersetzen zu können, um
der neuen Lebensweise Dauerhaftigkeit zu verleihen.446 Da dieselbe Bestimmung in
der Urkunde Clementias bestätigt wird, zeigt sich, dass eben diese Frage nach dem
Amt des Abtes und dessen Nachfolge in den Verhandlungen eine zentrale Rolle
spielte.447 Clementia fügte allerdings noch weitere Zugeständnisse hinzu, nämlich
die Abtretung sämtlicher gräflicher Rechte an Cluny.448 Da im päpstlichen Brief
davon keine Rede ist, kann angenommen werden, dass es vor der Abfassung der
gräflichen Urkunde diesbezüglich weitere Verhandlungen zwischen der Gräfin und
Hugo gegeben hatte.
Beide Texte zeigen auf besondere Weise, dass zum einen ein nicht unbeträchtli-
cher Kreis von Akteuren an der Entscheidung zu einer correctio der großen fland-
rischen Abtei beteiligt war und, dass zum anderen zwischen den Beteiligten im
Vorfeld äußerst intensiv verhandelt wurde. Simons Erzählung weist lediglich auf
die geheimen Gespräche zwischen Lambert und Clementia hin, die seinem ersten
missglückten Versuch einer correctio folgten. Zudem datiert er sie auf das Jahr 1101,
was allerdings Probleme der Chronologie aufwirft. Diese lassen sich aber leicht
beheben, wenn man Simons Gesta abbatum etwas genauer betrachtet.
attenderem, vosque discordias procerum ac ipsius loci fratrum vereri, ad id primum audacter respondeo
445 A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3733bis, S. 838: »Johannis, Travanensis, et
Lanberti, Atrebatensis, ac obtimatum meorum, scilicet: Rodberti de Betunia, ipsius abbatiae advocati,
atque Balduini, ejusdem villae castellani, necnon Baldrici, magne probitatis viri.« Neben diesen Großen
war die Frage der correctio aber auch für alle übrigen Lehnsträger und Amtsleute des Klosters von Be-
deutung, wie der Brief des Johannes von Therouanne an Papst Paschalis II. von 1112 verdeutlicht; siehe
dazu unten S. 117-118.
446 A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3733bis, S. 838.
447 D. Poeck, Cluniacensis ecclesia, S. 99-101.
448 So könnte man die Formulierung in A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3733bis,
S. 837-838: »quecumque juris mei sunt ordinans, atque disponens [...] libenter concedimus« interpre-
tieren.