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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0109
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2. Die correctio von Saint-Bertin | 105

Damit ist Simons Datierung für die Ankunft der Cluniazenser auf das Jahr 1101
durchaus wahrscheinlich. Für die Chronologie der Ereignisse bedeutet dies, dass
Lamberts erster Versuch einer correctio nicht mehr auf das Jahr 1101 datiert wer-
den darf, wie es die Gesta abbatum tun. Vielmehr ist anzunehmen, dass Lamberts
gescheiterter Versuch einer correctio spätestens 1098 stattfand.454 Im Folgejahr 1099
kam es dann zu intensiven Verhandlungen einerseits zwischen Lambert, der Gräfin
und den Großen der Grafschaft, andererseits zwischen der Gräfin und Hugo von
Cluny. Da dieser aber zögerte, Saint-Bertin zur correctio zu übernehmen, schaltete
sich Papst Urban II. eventuell auf Betreiben der Gräfin und wahrscheinlich durch
die Vermittlung Anselms von Canterbury in diese Angelegenheit ein und garantierte
Hugo, über das Amt des Abtes von Sithiu frei zu verfügen. Nachdem, wie anzuneh-
men ist, weitere Verhandlungen zwischen dem gräflichen Hof und Cluny geführt
worden waren, übertrug Clementia die Abtei Saint-Bertin an Cluny, was wenig
später, im Februar 1100, von ihrem Mann Robert II. bestätigt wurde. Sproemberg
verweist zudem auf eine päpstliche Urkunde für Cluny vom 15. November 1100,
in der Saint-Bertin bereits als abhängige Abtei auf geführt wird.455
Nach dem Zeugnis Simons verliefen all diese Verhandlungen und die Übertra-
gung der Abtei an Cluny im Geheimen und in Unkenntnis der Mönche von Saint-
Bertin. Erst als den Brüdern durch den Propst und die Kanoniker von Saint-Omer
das Gerücht zu Ohren gekommen sei, Lambert wolle ihr Kloster in die Abhän-
gigkeit Clunys geben, konfrontierten sie ihren Abt mit diesem Vorwurf. Dieser
habe aber geleugnet, derartige Pläne zu verfolgen, und dies sogar auf die heiligen
Sakramente beschworen.456 Als dann wenig später Bischof Johannes von Therou-
anne eine Reise nach Rom vorbereitete und die Mönche annahmen, ihr Abt werde
diesen begleiten, verboten sie ihm dies lautstark, da sie an seinen Worten zweifelten.
Lambert habe sich dennoch zusammen mit Johannes auf den Weg gemacht, von
seiner Gemeinschaft allerdings einen Mönch zur Seite gestellt bekommen, der ihn
zu überwachen hatte. Der Abt von Saint-Bertin entledigte sich seines Aufpassers
aber rasch, indem er ihn in einer cluniazensischen Zelle einsperren ließ. Daraufhin
Christiana, Bd. 10, Sp. 1544 bietet jedoch eine andere Lesart und datiert die Urkunde auf den 8. Februar
1100; J. M. de Smet, Quand Robert II, S. 160-164 stimmt dieser Datierung nach einer umfassenden
Quellenkritik und Kontextualisierung zu.
454 Die mögliche Zeitspanne muss sich von 1095 bis 1098 erstrecken. 1099 erscheint unwahrscheinlich, da
der erste Versuch einer correctio vor Weihnachten stattfand und, wie bereits dargelegt, längere Verhand-
lungen folgten. Der vierte Advent 1098 ist somit der terminus ad quem des von Simon geschilderten
Ereignisses.
455 H. Sproemberg, Alvisus, S. 78; A. Bernard, A. Bruel (Hgg.), Recueil des chartes, Bd. 5, Nr. 3739, S. 91.
456 Simon, Gesta, II, c. 64, S. 648: »Quod dum monachis veraciter compertum est, per prepositum et ca-
nonicos Sancti Audomari aecclesiaeque Taruanensis conveniunt, utrum verum esset quod audierunt
de subiectione suorum suaeque aecclesiae. Quod prius denegans, postremum verum asseruit; sed se id
destructurum sacramentis promisit.«
 
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